Mehr oder weniger zentrale DV

Thesen und Antithesen

27.03.1981

Dr. Bernhard Löwenberg: "ES muß vor Ort entschieden werden können"

1. Die DV in der öffentlichen Verwaltung hat der schnellen, guten und kostengünstigen Verwaltung der Angelegenheiten der Bürger zu dienen. Der Bürgernähe ist daher bei der DV und ihrer Organisation ein sehr hoher Rang einzuräumen. Der Bürger darf nicht mit dem Hinweis auf Maschine, Maschinenkonfigurationen oder Maschinenkonzentration zu mehr gezwungen werden, als unbedingt erforderlich ist, um eine geordnete öffentliche Verwaltung aufrechtzuerhalten.

2. Die DV muß mitarbeiter- (sachbearbeiter-)freundlich sein. Zur Erledigung eines Vorgangs muß, soweit wirtschaftlich überhaupt vertretbar, der unmittelbare und sofortige Zugriff auf die notwendigen Daten möglich sein. Dies ist bei dezentralisierten Systemen wahrscheinlich eher und wirtschaftlicher möglich als bei zentralisierten Systemen. Die Sachbearbeiterfreundlichkeit der DV hat ebenfalls einen sehr hohen Rang.

3. Die Organisationshoheit der kommunalen Selbstverwaltung darf durch die Organisation der DV nicht beeinträchtigt werden. Überlegungen der Wirtschaftlichkeit müssen gelegentlich hinter dem Anspruch der Organisationshoheit zurückgestellt werden. Es muß vor Ort entschieden werden können, wie, wann und in welchem Umfang DV eingesetzt wird. Es darf nicht von einer zentralen Stelle aus die Organisation vor Ort unmittelbar oder auch nur mittelbar über die DV gelenkt oder gar bestimmt werden. Die dezentrale DV stützt die Organisationshoheit der kommunalen Selbstverwaltung.

4. Die Einflußnahme auf die DV-Systeme, ihre Organisation und ihre Bedienung muß unmittelbar sein; die Anwender müssen die Entscheidungen über Entwicklung, Technik und Kosten der DV selbst und unmittelbar treffen können.

5. Die Datenverarbeitung ist zu entmystifizieren. Sie ist vom Vokabular her so herunterzuzonen, daß ihre Einsatzbereiche und ihre Handhabung für Anwender verhältnismäßig leicht verständlich sind.

6. Die Datenverarbeitung ist als Hilfsmittel der Verwaltung einzuordnen, was sie in der Tat ist oder doch sein soll, und von ihrem bisher gepflegten Image als Herrschaftsinstrumentarium zu befreien.

7. Die Programmier- und Arbeitscodes (Sprachen) der DV müssen so vereinheitlicht werden, daß die unterschiedlichen Systeme miteinander verbunden und der Datenaustausch ohne teure technische Umrüstung möglich werden kann. Insbesondere muß die Software so weiterentwickelt werden, daß verschiedene Fabrikate austauschbar werden, ohne daß die jeweilige Organisation völlig in Frage gestellt wird.

8. Die gemeinsame Datenverarbeitung ist mit den Problemen der Zentralität oder Dezentralität der Datenverarbeitung nicht zu verwechseln, sondern eine Antwort auf die Frage nach der Wirtschaftlichkeit, der besseren Ausnutzung von Kapazitäten und der Verfügbarkeit von Hardware beziehungsweise Software. Gemeinsame kommunale Datenverarbeitung ist kein Wert an sich, den es zu verteidigen gilt, sondem ein an praktischen Erfordernissen orientiertes Organisationsmodell.

9. Zentrale Datenverarbeitung als Prinzip ist nach der wesentlichen Senkung der Hardwarekosten in Frage zu stellen. Sie kann nur noch aus technischen und/oder wirtschaftlichen Gründen gefordert werden.

10. Dezentrale Datenverarbeitung als Prinzip ist nach der wesentlichen Senkung der Hardwarekosten der Normalfall, wie ja auch normalerweise in dezentralisierter Verantwortung verwaltet wird. Dezentrale Datenverarbeitung findet ihre Grenze an technischen und/oder wirtschaftlichen Gegebenheiten. Der Beweis des ersten Anscheins spricht für die Richtigkeit dezentraler Datenverarbeitung.

11. Die Softwarekosten müssen nicht überproportional steigen, wenn die Software-Entwicklung eng am Bedarf orientiert wird. Die Integration von Randproblemen kann so teuer werden, daß auf ihre softwaremäßige Einarbeitung verzichtet werden muß. Es muß über das Regel-Ausnahmeverhältnis jeweils geprüft werden, welche Anforderungen an Software-Entwicklungen zu stellen sind.

12. Der Mythos von der totalen Datenverarbeitung (globale, kontinentale oder auch nur nationale und regionale Integration von Datenverarbeitung) muß einem an Ziel, Zweck und Wirtschaftlichkeit orientierten realistischen an der Notwendigkeit kontrollierten System Platz machen.

Willi Haas: "Zentrale Dienstleistung bleibt Voraussetzung für

effiziente Datenverarbeitung"

1. Die großen Trends in der Datenverarbeitung werden in erster Linie nicht durch die Forderungen der Datenverarbeitungsanwender bestimmt, sondern durch den technologischen Fortschritt und der sich daraus ergebenden Marketingstrategie der Hersteller.

Noch nie wurden die Ziele, die am Anfang eines neuen Abschnitts innerhalb der Entwicklung der Datenverarbeitung genannt wurden, am Ende der Periode erreicht. Hätten die Endbenutzer wirklich auf die Erfüllung dieser Ziele verzichtet, wenn es ihre eigenen Vorgaben gewesen wären ?

2. Unternehmensberatungen und ähnliche Gemeinschaftseinrichtungen der öffentlichen Verwaltungen übernehmen leichtfertig die Ziele der Hersteller.

Als Ende der 60er Jahre die Großrechenzentren und der Einsatz von unintelligenten Terminals gepriesen wurden, entstanden zum Beispiel die "Gemeinsamen Kommunalen Datenzentralen".

Seitdem von der "Intelligenz vor Ort" gesprochen wird, fordern die meisten Gutachter die verteilte oder die dezentrale Datenverarbeitung.

3. Die Betriebsart der Datenverarbeitung ist nur von der Aufgabenstellung abhängig.

Die benötigte Betriebsart wird bestimmt durch die Größe der Verwaltung, die finanziellen Möglichkeiten der Verwaltung und von deren Zielen in Bezug auf Automatisierung, Rationalisierung und den gewünschten Servicegrad gegenüber den Bürgern.

4. Die teilweise Unzufriedenheit mit der automatisierten Datenverarbeitung hat ihren Grund weder in der Organisationsform, no(...) der Betriebsart, noch in der technischen Technologie (Hardware), sondern nur in der mangelhaften intellektuellen Technologie (Software).

Alle Verbesserungsvorschläge betreffen die Organisationsform und Betriebsart.

Die folgenden Ursachen der Softwarekrise werden nicht diskutiert

a) Die Softwareentwicklung wird nicht als Investition angesehen.

b) Die Anwender sind nicht in der Lage, ihre Wünsche zu definieren. c) Bestehende Arbeitsabläufe werden nicht in Frage gestellt.

d) Das Mitbestimmungsrecht der Personalräte verhindert teilweise grundlegende Neudefinitionen.

e) Das öffentliche Dienstrecht erschwert die Beschäftigung qualifizierter Mitarbeiter.

5. Unabhängig von der Betriebsart der Datenverarbeitung sind für kommunale Verwaltungen zentrale DV-Dienstleistungsun(...) nehmen unabdingbare Voraus(...) zung für eine effiziente Datenverarbeitung.

In den vergangenen zehn Jahren konnte der Rückstand in der Nutzung der Datenverarbeitung im Vergleich zu privatwirtschaftlichen Dienstleistungsunternehmen durch die Arbeit der gemeinsamen Datenverarbeitungsorganisationen verringert werden. Durch diese Arbeitsweise verkümmerte das DV-Know-how in den angeschlossenen Verwaltungen. Durch eine Auflösung würden riesige Investitionsverluste entstehen, ohne daß Einsparungen an anderer Stelle zu erzielen wären. Eine Verbesserung des Istzustandes ist nur durch einen Ausbau der bestehenden Organisationen zu Beratungsunternehmen für Organisation, Informationsverarbeitung, Nachrichtentechnik und Textverarbeitung zu erreichen.

Die Lösung aller Probleme bei der Entwicklung neuer Abläufe und Einführung neuer Organisationstechniken in den Mitgliedsverwaltungen ist die einzige Aufgabe eines solchen Dienstleistungsunternehmens.

Die Entscheidungsfreiheit der Kommunalverwaltung liegt in der Auswahl des Dienstleistungsangebotes.

Der technische Fortschritt wird also nicht zu arbeitslosen Rechenzentren führen. Ein Ausbau der bestehenden Einrichtungen in Bezug auf mehr Organisationsunterstützung vor Ort, wird am Ende einer evolutionären Entwicklung stehen.