Kaufberatung

Thermometer-Apps - brandheiß oder kalter Kaffee?

06.03.2021
Von Christian Rentrop
Das iPhone besitzt eine Vielzahl von Sensoren. Da ist es naheliegend, dass es auch als Thermometer eingesetzt werden kann. Entsprechende Apps gibt es dutzendfach im AppStore, die vor allem eines gemeinsam haben: Sie messen weniger die Temperatur als die Zahlungsbereitschaft der Kunden. Doch es gibt Alternativen.
Kalt und heiß, die meisten Thermometer-Apps sind der größte … Aber so geht's.
Kalt und heiß, die meisten Thermometer-Apps sind der größte … Aber so geht's.
Foto: smereka / shutterstock.com

Das iPhone ist ein wahres Sensorik-Wunder: Es besitzt eine Reihe von Vorrichtungen, die bei der Bedienung helfen. Zu den ältesten zählt der Beschleunigungssensor, der Positionswechsel des iPhones misst. So kann das Gerät zwischen Porträt- und Landschaftsmodus umschalten. Ergänzt wird der Beschleunigungssensor durch den 3-Achsen-Gyrosensor, der die Lage des Smartphones im Raum misst. Beide zusammen lassen sich zum Beispiel für die Steuerung von Spielen oder für Schrittsensoren einsetzen. Hinzu kommen Näherungssensor und Umgebungslichtsensor sowie die Sensorik für Face-ID oder Touch-ID.

Barometer, aber kein Thermometer

Ebenfalls an Bord ist ein Barometer für die Luftdruckmessung, das sich zum Beispiel mit der App „Barometer & Höhenmesser“ auslesen lässt. Außerdem besitzt jedes iPhone verschiedene Temperatursensoren; die sind allerdings zur Messung der Wärmeentwicklung interner Komponenten wie dem Prozessor gedacht: Diese Temperatursensoren können die Wärme des Systems messen, nicht jedoch die Außentemperatur. Das iPhone als Thermometer nutzen? Fehlanzeige, denn dafür fehlen schlicht und ergreifend die nötigen Bauteile.

Viele Thermometer-Apps, immer die gleiche Funktion

Dennoch gibt es im App Store zahlreiche Apps, die genau das suggerieren: Dass das iPhone als Thermometer für die Innen- und Außentemperatur eingesetzt werden kann. Zunächst kostenlose Thermometer-Apps mit Namen wie "iThermometer", "Echtes Thermometer," "Thermometer++", "HD-Thermometer" oder "Zimmer-Thermometer" buhlen im App Store um die Gunst der Kunden.

Gemeinsam haben sie, neben oftmals verdächtig guten Rezensionen, ihre schlecht übersetzten leeren Versprechungen. So wirbt die App „Echtes Thermometer“, die einzige App des chinesischen Entwicklers „cong qi“ mit dem Satz „Diese Anwendung kann sofort Ihr Telefon in ein feines Thermometer!“, und dass hier offensichtlich ein Wort fehlt, ist nur ein kleiner Teil des Problems.

Echtes Thermometer: Auch wenn die Apps nach Thermometer aussehen, sind sie doch nur Wetterdaten-Wiedergabe-Apps, so wie das Original von Apple
Echtes Thermometer: Auch wenn die Apps nach Thermometer aussehen, sind sie doch nur Wetterdaten-Wiedergabe-Apps, so wie das Original von Apple
Foto: cong qi

Thermometer-Apps: Keine Temperaturmessung, nur Wetterdaten

Denn natürlich kann "Echtes Thermometer" nicht „ihr Telefon in ein feines Thermometer“, genauso wenig, wie all die anderen Apps dieser Machart in der Lage sind, Daten auszulesen, wo es keine Daten gibt. Vielmehr arbeiten diese Thermometer-Apps, sofern sie nicht zu einem Bluetooth- oder Homekit-Thermometer gehören, ausschließlich mit GPS-Daten. Für deren Verwendung muss den Apps dann auch beim ersten Start die Freigabe erteilt werden. Anschließend ermittelt die Thermometer-App den Standort und gibt Wetterdaten aus dem Internet aus – mehr nicht. Damit leisten diese Thermometer-Apps exakt das gleiche wie die mitgelieferte Wetter-App von Apple – oder sogar weniger. Und wo es keinen Mehrwert gibt, gibt es eigentlich auch keinen Grund, diese Apps zu laden.

Keine Kosten – kein Schaden?

Nun wird der ein oder andere Leser sicher einwerfen, dass das doch egal sei, schließlich seien die Apps ja kostenlos. Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit: Einerseits sind die Thermometer-Apps oft mit Werbung überfrachtet und sind darauf ausgelegt, möglichst hohe Einnahmen durch arglose Kunden per Werbeklick zu generieren. Zudem machen solche Apps Geschäfte mit den Standortdaten, diese landen bei Werbe- und Analytic-Agenturen, zuweilen aber auch in den Händen von Journalisten (im besten Fall) oder Hackern (im schlimmsten Fall). Andererseits gibt es nicht selten „Premium-Funktionen“, die diesen Namen nicht verdienen: So gibt es bei "iThermometer" etwa die 1,99 Euro teure Premium-Funktion „Temperature Forecast“. Wir lassen das jetzt einfach sacken.

Echte Messung nur mit Hardware-Zubehör

Natürlich gibt es die Möglichkeit, die Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit mit einem iPhone zu ermitteln. Allerdings wird dafür ein entsprechender Sensor benötigt. Dafür wird allerdings eine App verwendet, die diese Werte auslesen kann – was bei vielen der Thermometer-Apps nicht einmal der Fall ist! Wer allerdings denkt, durch den Einsatz eines externen Thermometers sei er automatisch gegen diese Art der Thermo-Abzocke gefeit, sollte aufpassen: Die App „Thermometer: Temperatur messen“ ist wohl das dreisteste Beispiel einer App, die mit externer Hardware funktioniert: Allenthalben wird Werbung eingeblendet, zudem lauert eine Vielzahl überteuerter „Premium-Abos“ per In-App-Kauf auf den ahnungslosen Kunden.

Beliebte Funktion und einfache Programmierung

Dass derart viele Thermometer-Apps den App Store fluten, hat zwei Gründe: Einerseits ist eine Thermometer-App natürlich auch für Einsteiger in die App-Entwicklung einfach zu programmieren: Alles, was es braucht, ist der Zugriff auf eine Wetter-API und eine sehr simple Benutzeroberfläche. Andererseits sind Thermometer-Apps natürlich sehr gefragt und gerade Laien, die nicht wissen, dass das iPhone (noch) keinen Temperatursensor besitzt, können leicht veranlasst werden, eine solche App herunterzuladen. Genau diese wenig erfahrenen „Klickschafe“ eignen sich natürlich vortrefflich für den Verkauf unnötiger Premium-Funktionen oder die Einblendung von Werbung.

Raumtemperatur mit dem iPhone messen?

Natürlich sind nicht alle Apps zur Temperaturmessung unseriös, sondern nur solche, die behaupten, dies ohne zusätzliche Hardware leisten zu können. Temperaturmessung, genauer gesagt: Die Anzeige der Messwerte eines externen Thermometers, ist mit dem iPhone sehr wohl möglich. Dafür muss nur die notwendige Hardware vorhanden sein.

Externe Bluetooth-Thermometer oder ganze Wetterstationen für Homekit sind natürlich am Markt vorhanden und der Einstieg ist relativ preiswert: Einfache kabellose Thermometer aus chinesischer Produktion sind für iOS schon für den (kleinen) Preis eines vergleichbaren Standgeräts ohne kabellose Konnektivität für die Wohnung zu haben, also ab rund 15 Euro, wie etwa das Govee Bluetooth Thermometer. Derartige Geräte gibt es von einer Vielzahl von Herstellern aus Fernost, etwa Brifit, Inkbird oder Oria, und sie erweitern die Fähigkeiten der Messung von Temperatur und Luftfeuchtigkeit deutlich.

Einfache Bluetooth-Thermometer chinesischer Hersteller sind im Netz schon für kleines Geld zu haben
Einfache Bluetooth-Thermometer chinesischer Hersteller sind im Netz schon für kleines Geld zu haben
Foto: Govee

Fieberthermometer, Fleischthermometer und mehr

Doch es gibt nicht nur Innenraumthermometer für das iPhone: Auch für andere Formen der Temperaturüberwachung sind per Bluetooth möglich. So gibt es für anspruchsvolle Köche sogenannte Fleischthermometer, die etwa beim Grillen oder der Zubereitung eines leckeren Roastbeef helfen können, indem sie die Temperatur innerhalb eines Stückes Fleisch messen. Bei diesen Geräten handelt es sich im Prinzip um die digitale Variante klassischer Fleischthermometer mit Skala, an der Nadel ist statt der Anzeige ein Bluetooth-Transmitter befestigt. Etwas hochwertigere Produkte wie der iGrill 2 von Weber genügen auch hohen Standards bei der Zubereitung.

Grillfleisch-Temperatur per App überwachen? Weber macht es möglich
Grillfleisch-Temperatur per App überwachen? Weber macht es möglich
Foto: Weber

Fieber messen per Bluetooth?

Und natürlich gibt es auch die Möglichkeit, Temperatur-Messwerte von smarten Fieberthermometern per Bluetooth auszulesen und in einer App abzulegen. So kann zum Beispiel die regelmäßige Fiebermessung beim Nachwuchs nachgehalten werden oder im Fall einer Infektion überprüft werden, ob das Fieber steigt oder sinkt. Auch hier gibt es Geräte verschiedener Preisklassen, allerdings sollte man sich bei einer sensiblen medizinischen Angelegenheit wie der Fiebermessung nicht auf günstige Simpelware verlassen: Healthcare-Anbieter wie Beurer haben Fieberthermometer im Sortiment, die verlässlich genug sind, um die nötige Messqualität bieten.

Tado bietet ein vollständiges System für die Temperaturkontrolle
Tado bietet ein vollständiges System für die Temperaturkontrolle
Foto: Tado

Raumtemperaturmessung per Homekit

Doch zurück zu den Innenraum-Thermometern: Deren sinnvollster Einsatzzweck ist natürlich die Messung der Temperatur, um anschließend etwas auszulösen, etwa vollautomatisch die Heizung zu regeln. Kein Wunder also, dass die meisten Heizungs-Thermostaten für Smart-Home-Anwendungen wie Apples Homekit-Plattform einen integrierten Temperaturfühler besitzen. Anders können sie auch nicht funktionieren.

Das Problem dabei: Die Temperaturfühler dieser Thermostate, wie sie etwa von Tado oder Netatmo angeboten werden, messen in direkter Nähe der Heizung. Damit sind sie zwar für die Regelung geeignet, nicht jedoch zur Messung der Raumtemperatur an sich. Genau deshalb haben Anbieter, die Homekit-Systeme verkaufen, in aller Regel auch separat platzierbare Thermostate oder sogar Wetterstationen wie die Eve Degree im Angebot. Richtig vernetzt, können diese Sensoren bei Bedarf sogar Dachfenster schließen, sofern entsprechende Smart-Home-Fenster – etwa von Velux verbaut sind.

Ein frei platzierbarer Temperaturfühler hilft bei der smarten Temperaturmessung in Innenräumen
Ein frei platzierbarer Temperaturfühler hilft bei der smarten Temperaturmessung in Innenräumen
Foto: Netatmo

Die Königsklasse: Temperaturmessung per Infrarot

Übrigens gibt es noch eine andere Möglichkeit, Temperatur zu messen, und zwar mithilfe eines Infrarot-Sensors, der Wärmestrahlung misst. Leider hat die Kamera des iPhone keine entsprechende Funktion, bei Apps, die solche Technik ohne Zusatzhardware anpreisen, ist daher ebenfalls Vorsicht geboten. Echte Infrarot-Kamerasysteme sind relativ teuer, so auch die One-Serie des Herstellers Flir, die ab rund 238 Euro erhältlich ist. Die Infrarot-Kamera wird einfach auf den Lightning-Port des iPhones gesteckt und per App gesteuert.

Das Infrarot-Bild, das dem Blick des Predators im gleichnamigen Achtzigerjahre-Actionstreifen gleicht, kann für verschiedene Aufgaben eingesetzt werden, etwa zum Aufspüren von Isolierungslücken, Kältebrücken oder bei der Jagd. Ein ähnliches System wird auch vom Hersteller Seek Thermal angeboten, löst aber niedriger auf. Sicher: Solcherlei Hardware ist eher für Handwerker oder andere professionelle Anwendungen gedacht – trotzdem handelt es sich um eine hübsche Spielerei für alle, die Temperatur genauer messen wollen als mit einem Thermometer.

Wärmebild-Kameras für den Lightning-Port dienen ebenfalls der Temperaturmessung
Wärmebild-Kameras für den Lightning-Port dienen ebenfalls der Temperaturmessung
Foto: Flir

Fazit: Nur mit Zusatz-Hardware

Unter dem Strich ist die Temperaturmessung mit dem iPhone ohne zusätzliche Hardware derzeit nicht möglich, dementsprechend wenig nützlich sind Apps, die Temperaturen ohne zusätzliche Hardware anzeigen. Wer Temperatur wirklich zuverlässig mit dem iPhone messen möchte, kommt um die Anschaffung von wenigstens einem Bluetooth-Thermometer nicht herum. Der Einstieg hierfür ist zum Glück sehr niedrigschwellig, zumal die Geräte auch ohne iPhone-Anbindung funktionieren.

Deutlich anspruchsvoller sind Wetterstationen und Thermostaten, die in bestehende Smart-Home-Umgebungen mit Homekit eingebunden werden können. Mit ihnen ist nicht nur eine akkurate Raumtemperaturmessung möglich: Diese Thermometer dienen natürlich auch als Auslöser für smarte Homekit-Programmierungen. Und das Schöne daran: Die fragwürdigen Thermometer-Apps aus dem App Store werden für keine dieser Lösungen benötigt – selbst einfache Geräte bringen oft eigene Apps mit. (Macwelt)