Anwenderbericht: Deutsche Shell AG:

Textverarbeitung mit Doppelrechnersystem

19.10.1977

Als eines der technisch spektakulärsten Projekte im Textverarbeitungsbereich kann die Installation bei der Deutschen Shell bezeichnet werden. Hier richtet die Firma GFS-Schreibelektronik derzeit ein ganzes Netz von Rechnern, Bildschirmen und Peripheriegeräten ein, das unabhängig vom Datenverarbeitungsbetrieb ein speziell für Korrespondenzzwecke vorgesehenes Medium darstellt.

Das System dient nicht nur der Bewältigung der Korrespondenz im Hochhaus der Deutschen Hauptverwaltung der Shell AG, sondern auch dem Verkehr mit den 15 Shell-Niederlassungen. Dort sollen im Endausbau wiederum Textverarbeitungssysteme des gleichen Typs stehen, die über Fernschreibleitungen mit der Zentrale verbunden werden. Herz des gesamten Systems ist ein Doppelrechnersystem von Computer-Automation. Jeder dieser Rechner verfügt über 64 KB-Arbeitsspeicher. Während der eine Rechner acht Bildschirmgeräte steuert, hängen an dem anderen weitere vier Bildschirmgeräte, zwei Plattenlaufwerke Ó 10 MB, ein Kettendrucker, ein Typenraddrucker und ein Konsoldrucker. Ferner steuert dieser zweite Rechner den Telexanschluß. Die Projektfirma GFS-Schreibelektronik hat die generelle Postgenehmigung eingereicht.

Mit der Beherrschung der Doppelrechner-Technik in der Schreibelektronik gelang ein wichtiger Schritt. Denn ein solches System ist nach oben beliebig ausbaubar. "Für je acht Bildschirmgeräte installieren wir einen weiteren Rechner", erklärt Dr. Dieter Biedermann, Software-Spezialist der GFS. Das sei billiger, auch leichter handhabbar als das Aufstocken eines Computers auf eine halbe Million Bytes mit allen Problemen des Memory-Managements und der Partitionierung. Biedermann: "Bei mehreren Rechnern im Verbund haben wir saubere Schnittstellen auf der einen Seite und ein hohes Maß an Ausfallsicherheit auf der anderen Seite." Zumindest sei es möglich, bei Ausfall eines Teilsystems mit dem anderen weiterzuarbeiten. Die Verschiebung eines Plattenlaufwerkes zu dem anderen Rechner würde einen Mehraufwand bedeuten: "Wir riskieren es, die Rechner nicht in Redundanzschaltung zu fahren, weil die Printplatten zuverlässig sind." Dafür würden die Informationen parallel auf zwei Magnetplatten gespeichert. Im Prinzip hieße das, daß jedes aufgezeichnete Byte im Rahmen eines Textbausteines sowohl auf der einen als auch auf der anderen Platte vorhanden sei. Das Projekt ist seit drei Jahren in Vorbereitung. Dazu Maria Gidion, Referentin in der Abteilung "Zentrale Dienste/Wirtschaftlichkeit/Methoden der Deutschen Shell AG" in Hamburg in einem Aufsatz für manager magazin (siehe auch CW 40 vom 30. 9. 1977: "Kaum Konzepte für die Textverarbeitung"). Wie diffizil die Realisierung praktikabler Computersysteme für Textverarbeitung in der Praxis ist, beweist die Mehrzahl der ohnehin wenigen am Markt befindlichen Systeme - jene Angebote nämlich, die zwar vom EDV-Standpunkt her gesehen vorzügliche Lösungen anbieten, jedoch für die Textverarbeitung keine Alternative im hier beschriebenen Sinne eines generell neuen Arbeitsgerätes darstellen.

Christoph Heitz ist freier EDV-Fachjournalist