Internet-Strategien/Branche setzt auf neue Strategie

Textilwirtschaft nutzt E-Commerce als Plattform für den internationalen Auftritt

26.05.2000
Die deutsche Textilwirtschaft nutzt E-Commerce konsequent als Baustein einer neuen, zukunftsweisenden Vermarktungsstrategie. Die Internet-Präsenz soll entscheidend zur Exportförderung der deutschen Textilbranche beitragen und zügig zu einem elektronischen Marktplatz ausgebaut werden.Von Christina Pohle*

Im Zuge globaler Konkurrenz verloren die deutschen Textilhersteller zunehmend wichtige Abnehmer: Die verarbeitende Bekleidungsindustrie verlegte die Produktion und erhebliche Teile der Beschaffung ins Ausland. Jetzt sollen zukunftsorientierte Vertriebswege den internationalen Handel ankurbeln.

Der Gesamtverband der Textilindustrie in der Bundesrepublik Deutschland - Gesamttextil brachte die Branche zum Umdenken: "Mit traditionellen Marketingkonzepten kommen die Textilunternehmen in der Exportförderung nicht mehr weiter. Daher haben wir ein ganzheitliches Konzept entwickelt, das erstmals innovative Kommunikationswege ebenso einbezieht wie interdisziplinäre Kooperationen", erklärt Michael Fischbach, Pressesprecher von Gesamttextil und Initiator des Umbruchs. "In der Anfangsphase vor drei Jahren war innerhalb der Verbandsorganisation zunächst allerdings einige Zurückhaltung festzustellen."

In drei Monaten realisiertFischbach übernahm die Verantwortung für das Projekt. Er konzipierte den gesamten Internet-Auftritt der Textilbranche, suchte externe Partner zur Umsetzung und führte direkt die Gespräche. Heute ist er Geschäftsführer der eigens für die Weiterentwicklung des elektronischen Marktplatzes gegründeten Tex-net GmbH.

In Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie sowie dem Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (AUMA) richtete Gesamttextil im März dieses Jahres in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia die Sonderveranstaltung "High-Tex from Germany" aus. Deutsche Textilunternehmen und Partner aus verwandten Geschäftsbereichen, Forschungsinstitute und Bildungseinrichtungen präsentierten Technologie-Know-how im Bereich technische Textilien. Parallel zum Messeauftakt eröffnete der Verband die erste virtuelle Textilmesse "www.tex-net.de". Ein interaktiver Lageplan gibt einen Überblick über die Aussteller. Fährt der Besucher mit der Maus über die Stände, erhält er eine Kurzinfo zu den Unternehmen und kann diese per Mausklick besuchen.

Mit dem Ziel, eine breite Plattform für den E-Commerce in der Textilwirtschaft zu errichten, ist der gesamte Internet-Auftritt auf Datenbankanbindung ausgerichtet. Das Brandenburger IT-Unternehmen Alphalink, das seit 1998 mit eigenen E-Business-Produkten auf dem Markt ist, realisierte den komplexen Online-Auftritt innerhalb von drei Monaten. Die von Gesamttextil verlangten Funktionen wurden zunächst in einem grafischen Modell abgebildet. Dieses Layout füllte man im nächsten Schritt mit Funktionen und entwickelte es zum ersten Prototypen.

Es folgte die Präsentation des Prototypen vor den Verbandsverantwortlichen, die grünes Licht für das Projekt gaben. Im Januar und Februar fanden in Stuttgart, München, Wuppertal, Münster und Chemnitz Workshops für die Mitglieder der Regionalverbände statt.

Im Rahmen dieser Veranstaltungen wurden die geplanten Funktionen mit der gewünschten Nutzung durch die Unternehmen in Einklang gebracht.

Möglich war die schnelle Umsetzung durch die Erfahrung von Alphalink in der Verwirklichung von E-Business-Konzepten. Realisiert wurde die Lösung auf der Basis von Windows-2000-Servern unter Einsatz von Active Server Pages und COM-Objekten. Als Datenbank kommt ein SQL-Server 7.0 zum Einsatz.

Diese Architektur ermöglicht ein Maximum an Skalier- und Erweiterbarkeit. Sie orientiert sich an einer Dreischichtarchitektur (3-Tier). Die Datenbank nimmt dabei alle Datenbestände von den Produktbeschreibungen bis zu den aktuellen Gästebucheinträgen auf.

Das funktionale Auslesen und Einstellen der Daten wird von unterschiedlichen COM-Komponenten erledigt. Die Anzeige der Daten erfolgt über die Active Server Pages, die reinen HTML-Code an den Browser senden. Dadurch wird eine maximale Browser-Unabhängigkeit erreicht. Der Internet- und der Datenbank-Server sind jeweils auf eigenen Maschinen untergebracht, um eine maximale Performance zu erreichen.

Business-to-Business- KommunikationTex-net.de ist auf die Business-to-Business-Kommunikation zwischen textilproduzierenden und -verarbeitenden Betrieben ausgerichtet. Die umfassende Präsentation der Textilunternehmen und ihrer Produkte steht im Vordergrund. Über E-Mail-Formulare wird die direkte Kontaktaufnahme ermöglicht.

Der virtuelle Ausstellerkreis beschränkte sich anfangs auf die Firmen, die sich an der High-Tex from Germany in Atlanta beteiligten, so beispielsweise die Asglawo GmbH, Cetex, Ploucquet, die Fachhochschule Niederrhein und das Hohenstein Institut.

Die bislang 33 Anbieter sind mit der Internet-Präsenz sehr zufrieden und fühlen sich von ihrer Zielgruppe bestätigt: 40000 Aufrufe verzeichnete Tex-net.de bereits in den ersten drei Tagen.

"Innerhalb kurzer Zeit hat sich die Nachfrage auf täglich 6000 bis 7000 Hits eingespielt", stellt Fischbach fest. "Die Unternehmen bewerten die Resonanz auch qualitativ als äußerst positiv."

E-Commerce wird weiter ausgebautJe nach Interessenlage sind Produktübersichten und detaillierte Informationen über die Datenbank abrufbar. Drei Suchverfahren unterstützen die Informationsabfrage: Eine Ausstellerliste ordnet die Unternehmen alphabetisch, die Kategoriensuche listet die Aussteller nach dem Tätigkeitsschwerpunkt. Über eine Volltextsuche lassen sich schließlich Informationen anhand konkreter Stichwörter gezielt abrufen.

Bis zum Herbst dieses Jahres ist eine Shop-Lösung geplant, bei der die Bestellung über EDI vollkommen automatisiert wird. Flexibel an den Anforderungen der angebundenen Geschäftspartner orientiert, sollen dann in Zukunft XML-Dokumente oder Edifact-, VDA- und Odette-Nachrichten in Inhouse-Schnittstellen konvertiert werden und umgekehrt.

Um die Entscheidungswege kurz zu halten, nahmen die IT-Abteilungen der beteiligten Unternehmen bisher nicht an der Projektplanung teil. Beim Ausbau der E-Commerce-Funktionen müssen die bestehenden IT-Infrastrukturen jedoch in die Planung einbezogen werden.

Mario Struck, Projektleiter bei Alphalink, sieht der bevorstehenden Integration gelassen entgegen: "Unsere E-Business-Lösung COM4.XML/EDI fügt sich in bestehende Netzwerke ein. Der Datentransfer erfolgt klassisch über OFTP/X.400 oder über das Internet. Financial Edifact schließt den Electronic Loop, so dass Geschäftsprozesse über Angebotseinholung, Auftragsvergabe, Produktions- und Transportlogistik bis hin zu Cash-Management unterstützt werden können."

Auch die bisher auf sechs Produkte pro Aussteller beschränkte Präsentation soll erweitert werden. Ein passwortgeschützter Bereich ist für sensible Produkte vorgesehen, deren Spezifikationen die Anbieter nicht allgemein zugänglich machen wollen. Mit personalisierten Diensten, Diskussionsforum und Newsletter wird das Portal als B2B-Vertriebskanal weiter ausgebaut.

"Der Beitrag der deutschen Textilindustrie zu Fortschritten in den Bereichen Sicherheitstechnik und Wetterschutz als Träger- und Befestigungsmaterial wurde bisher international viel zu wenig beachtet", stellt Michael Fischbach im Rückblick fest. Der elektronische Marktplatz - begleitet von fachübergreifenden Kooperationen mit den Textilienanwendern - soll dieser mangelnden Wertschätzung in Zukunft entgegenwirken.

*Christina Pohle ist Kommunikationsberaterin bei ID Praxis in Berlin.