Teure Rechtsblüten

03.12.1999

Die Patentierung von Software treibt in den USA seltsame Blüten. So konnte sich beispielsweise Bruce Dickens, ein ehemaliger Mitarbeiter des Flugzeugbauers McDonnell Douglas, vor einem Jahr das Patent mit der Nummer 5 806 063 sichern. Es beschreibt, wie Datumsfelder im Code mittels der "Windowing"-Technik auf das Jahr 2000 umgestellt werden können. Jahreszahlen bis 30 erhalten hier zum Beispiel automatisch die Zahl 20 vorangestellt (2030), Einträge über 30 werden ins gegenwärtige Jahrhundert datiert (1931). Experten gehen davon aus, daß rund 90 Prozent aller amerikanischen Großunternehmen ihre Programme mit der Windowing-Technik für den Jahreswechsel umgestellt haben. Durch seine Anwaltskanzlei ließ Dickens jetzt verschiedenen Anwendern mitteilen, daß sie Lizenzgebühren - zwischen 50 000 und 100 000 Dollar - zu zahlen hätten. Firmen, die erst im neuen Jahr antworten würden, müßten mit Forderungen in hundertfacher Höhe rechnen.

Auch Unisys machte sich unlängst mit Patenten unbeliebt. Die Firma verlangt Lizenzgebühren für den Einsatz des Graphics Interchange Format (GIF). Unisys hatte sich die Patentrechte am GIF-Kompressionsalgorithmus LZW (Lempel Ziv Welch) gesichert und berechnet bis zu 5000 Dollar pro Website, wenn diese mit freien Grafik-Tools wie dem "GNU Image Manipulation Program" (Gimp) erstellt wurde. Anwender von Programmen "aus der Box" müssen hingegen keine Nachforderungen fürchten. Ein Ratschlag der Open-Source-Gemeinde: "Verbrennt alle GIFs und steigt auf das freie PNG-Format um."

Derweil hat sich die ehemalige New Yorker Modedesignerin Andrea Rose ein anderes interessantes Patent gesichert. Demnach verletzen Unternehmen ein Schutzrecht, die ihren Kunden erlauben, Körpermaße online zur Web-Anprobe zu übertragen. Das virtuelle Modell setzen Firmen wie Mattel, JC Penney oder Land''s End schon länger im Internet ein - und bekamen prompt Post von den Anwälten der Patentinhaberin. Was hierzulande befürchtet wird, ist in den USA folglich schon Realität: Nicht nur Algorithmen lassen sich schützen, sondern komplette Geschäftsprozesse sind über die Programme patentierbar, die ihnen zugrunde liegen.

Dies wird auch anhand eines laufenden Verfahrens sichtbar, in dem der Web-Buchladen Amazon.com seinen Konkurrenten Barnesandnoble.com (B&N) der Patentrechtsverletzung bezichtigt. Basis des Schutzrechts ist ein "einziger" Mausklick, mit dem Kunden von B&N ihre Bücher kaufen können. Amazon.com macht geltend, daß es das "One-Click-Shopping" erfunden und patentiert habe. B&N solle gefälligst sein vergleichbares Feature "Express Lane" von der Website verbannen beziehungsweise zur Kompensation des entstandenen Schadens tief in die Tasche greifen.

Damit nicht genug, auch Microsoft und Priceline.com streiten wegen eines patentierten Geschäftsprozesses. Hierbei geht es um "umgekehrte Auktionen", bei denen der Kunde sein Preislimit angibt und sich die Firmen gegenseitig unterbieten. Microsofts Reiseportal Expedia.com bediene sich widerrechtlich einer geschützten Idee von Priceline, so der Vorwurf. Beobachter befürchten, daß Softwarepatente das Wachstum des elektronischen Handels bremsen. Anbieter müßten permanent mit Klagen auch gegen allgemein verwendete Standardprozesse rechnen.