Informatik-Karriere in den Vereinigten Staaten

Teure Ausbildung garantiert guten Job und ein Topgehalt

06.03.1992

Aufgrund des anhaltend günstigen Dollar-Kurses und der vereinfachten Einreisebestimmungen sollte so mancher angehende Informatiker über ein Studium an einer amerikanischen Universität oder auch über einen Arbeitsaufenthalt nachdenken. Achim von Michel zeigt am Beispiel Stanford die Ausbildungsmöglichkeiten und Karriereanforderungen für Computerexperten im Land der unbegrenzten Möglichkeiten auf.

Stanford gehört neben Harvard und Yale zu den Aushängeschildern amerikanischer Universitätsausbildung - zehn spätere Nobelpreisträger haben hier ihren Abschluß gemacht. Das Institut für Informatik ist im Hauptgebäude der Universität untergebracht. Ein Blick auf die Namenstafel im Foyer des Gebäudes läßt bereits erahnen, daß von diesem Institut richtungsweisende Impulse ausgehen: Unter den 30 Fakultätsmitgliedern finden sich so berühmte Namen wie Donald E. Knuth und Jeffrey D. Ullman.

Das Institut arbeitet eng mit der ebenfalls auf dem Campus angesiedelten School of Engineering zusammen und bietet seinen Studenten drei unterschiedliche Ausbildungswege. Der kürzeste von ihnen dauert vier Jahre: Im Undergraduate-Studium wird zunächst einmal alles nach geholt, was an amerikanischen High Schools nicht oder nur sehr verkürzt gelehrt wird: In einer Art Studium generale werden die Grundlagen von Literatur, Sozialwissenschaft, Mathematik, Technologie und anderen Disziplinen vermittelt, um die Studenten auf ein Bildungsniveau zu heben, das mit europäischen Maßstäben mithalten kann.

Anschließend erwerben die Studenten die Grundlagen wichtiger Voraussetzungen für das Informatikstudium: Hier stehen Fächer wie Elektronik, Computerprogrammierung und natürlich nochmals ausgiebig Mathematik auf dem Stundenplan. Mit reiner Informatik sind die Undergraduates dann noch einmal ein Jahr befaßt. Ihre Ausbildung endet mit dem ersten wissenschaftlichen Abschluß, dem "Bachelor of Science". Weil dieser Abschluß in der Berufswelt nicht allzuviel zählt, nutzen viele Studenten die Möglichkeit, durch Verlängerung des Studiums um en weiteres Jahr, den begehrten Titel "Master of Computer Science", zu erlangen. Dieser Abschluß ist vergleichbar mit dein deutschen Informatikdiplom.

Ein Dozent betreut etwa 25 bis 30 Studenten

Für diejenigen, die sich im Laufe ihres Studiums mit wissenschaftlicher Arbeitsweise an, gefreundet haben gibt es schließlich noch die Möglichkeit, den "Doctor of Philosophy" (Ph.D.), in einer der folgenden Disziplinen zu erwerben: theoretische Grundlagen, Künstliche Intelligenz, Expertensysteme, Robotertechnik, Algorithmenentwicklung, Rechnerarchitektur, Datenbanksysteme und Workstations.

Etwa 150 Studenten durchlaufen derzeit das Undergraduate-Programm, dazu kommen noch einmal so viele Doktoranden und weitere 300 Studenten des Master-Studienganges. Im Schnitt betreut ein Dozent nur etwa etwa 25 bis 30 Studenten pro Kurs.

Daß sehr viele Professoren dennoch selten weniger als 60 Stunden in der Woche arbeiten, läßt auf eine Studienatmosphäre schließen, von der die meisten deutschen Universitäten nur träumen können. Optimale Studienbedingungen zu schaffen, ist ohnehin eines der erklärten Ziele der Stanford University.

So wurden zum Beispiel alle Bibliotheken auf dem Campus an eine zentrale Literaturdatenbank angegliedert, die es den Studenten auch von ihren Quartieren aus gestattet, in Sekundenschnelle unter knapp sechs Millionen Einträgen das gewünschte Buch zu finden. Fast jede Institutsbibliothek verfügt darüber hinaus über CD-ROM-Datenbanken, die den Gesamtbestand aller wissenschaftlichen Publikationen in den USA enthalten.

Eigene Einkaufspassagen, mehrere Mensen, Theater- und Konzertsäle sowie Buchhandlungen machen den Campus zu einer eigenen kleinen Gemeinde, die niemand zu verlassen braucht wenn er nicht will. So viel Komfort hat natürlich auch seinen Preis: Ein Semester in Stanford kostet zur Zeit rund 15 000 Dollar an Studiengebühren, und etwa nochmal den gleichen Betrag an Lebenshaltungskosten (inklusive Wohnung).

Ausländische Studenten, die an einem Informatik-Studienplatz in Stanford interessiert sind, können sich jeweils zum 1.Januar bei der Fakultät bewerben.

Unter den Studenten des Master-Studienganges werden eine Anzahl von Assistenzstellen - vergeben, so daß zumindest ein Teil der Kosten gedeckt wird (für Assistenten verlängert sich das Masters-Programm auf zwei Jahre).

Das Auswahlverfahren ist nicht besonders streng, Bewerber haben im allgemeinen recht gute Chancen auf einen Studienplatz.

Gute Leistungen und soziales Engagement

Bei den Doktoranden sieht es anders aus: Die Aufnahmechancen stehen hier etwa 1:12. Wer die Qualifikationen erfüllt am meisten wird auf überdurchschnittliche Studienleistungen und soziales Engagement geachtet -, braucht sich dafür um die Finanzierung kaum mehr Sorgen zu machen: Allen Doktoranden werden die Studiengebühren vollständig erlassen, und sie erhalten darüber hinaus eine monatliche Unterstützung von derzeit 1100 Dollar.

Postdoktoranden sollten sich direkt mit einem Mitglied der Fakultät in Verbindung setzen, da diese Stellen nur auf persönliche Empfehlung vergeben werden.

Darüber hinaus gibt es für sie auch die Möglichkeit, über die Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD) eine Stelle am International Computer Science Institute der Universität Berkeley vermittelt zu bekommen. Berkeley vermittelt zu bekommen. Berkeley liegt etwa 30 Kilometer von Stanford entfernt.

Die Qualität der Ausbildung lobt man in Stanford natürlich in den höchsten Tönen. Nach Ansicht von Professor Jeffrey Ullman, der am Informatikinstitut Datenbanktheorie lehrt, werden Stanford-Absolventen hervorragend auf die Berufswelt vorbereitet und haben im allgemeinen kaum Schwierigkeiten bei der Suche nach einem Arbeitsplatz.

Ein Paradebeispiel für die zukunftsweisende Orientierung der Informatikausbildung sind für ihn Firmen wie der bekannte Workstation-Hersteller Sun oder die Firma Mips, die beide aus dem Institut für Computer Science der Stanford University hervorgegangen sind.

Am Beispiel des Softwareherstellers Symantec (Programme wie Norton Utilities, F & A, Time Line) im nahegelegenen Cupertino zeigt sich ebenfalls die gute Vorbereitung der Informatikstudenten. Symantec rekrutiert künftige Mitarbeiter aus fünf renommierten Universitäten - Stanford, San Jose State, Berkeley, Los Angeles und dem berühmten Massachusetts Institute of Technology (MIT).

Gegen eine angemessene finanzielle Unterstützung der Universitäten dürfen die Personalberater von Symantec mehrmals, jährlich Informationsabende an den Universitäten veranstalten und nach potentiellen Mitarbeitern Ausschau halten. Gefragt sind vor allem kreative Köpfe mit praktischer Programmiererfahrung, Enthusiasmus, Disziplin und einem "Master's Degree".

Wer diese Eigenschaften mitbringt, steigt mit einem für amerikanische Verhältnisse sehr hohen Anfangsgehalt von 25 000 bis 30000 Dollar ein. So hohe Gehälter sind derzeit allerdings nur im Softwarebereich zu finden - einer Branche, die von der allgemeinen Rezession der amerikanischen Wirtschaft bisher verschont blieb. So plant Symantec mit weltweit über 1000 Mitarbeitern ein Firmenwachstum von 40 Prozent für das Jahr 1992. In Zukunft will man auch am internationalen Studentenaustausch im Rahmen des Aiesec-Programms teilnehmen, um so ausländischen Studenten praktische Erfahrungen zu ermöglichen.

Für Studenten mit Ph.D.-Abschluß sieht der Arbeitsmarkt dagegen nicht mehr so gut aus wie in den vergangenen Jahren. Während früher in ganz Amerika nur rund 200 promovierte Informatiker pro Jahr die Universität verließen, übersteigt inzwischen mit etwa 800 bis 1000 Absolventen jährlich das Angebot bereits die Nachfrage,

Insgesamt erscheint es durchaus lohnend für deutsche Studenten, den eigenen Horizont durch einige Auslandssemester in den USA zu erweitern oder ein Praktikum zu absolvieren. Bisher finden vor allem Studenten aus Ländern ohne etablierte Informatikausbildung, etwa Griechenland oder Israel, den Weg in die USA.

Rund 50 Prozent aller Bewerbungen am Institut in Stanford kommen aus dem Ausland, doch einen deutschen Studenten hat man dort seit mehreren Jahren nicht mehr gesehen. Dabei lassen sich die richtungsweisenden Innovationen im Bereich der Computertechnik wohl in keinem Land besser studieren als in Amerika.

*Achim von Michel arbeitet als freier Journalist in München.