Testcloud schickt Surfer auf Fehlersuche

21.11.2012
Das Berliner Startup mobilisiert freiberufliche IT-Profis und gewöhnliche Internet-Benutzer für Funktions-, Sicherheits- und Usability-Checks. Wer einen Bug findet, bekommt Geld.

Die Idee, aus dem großen Pool der Internet-Nutzer und freiberuflichen IT-Experten Tester für neue Apps und Web-Anwendungen zu rekrutieren, scheint anzukommen - zumindest bei diversen Juroren. Das Management-Beratungshaus Detecon ehrte die Macher von Testcloud Mitte Oktober mit dem ICT Award in der Kategorie "Innovation". Im März 2012 hatte das Unternehmen schon den Innovator`s Pitch 2012 des IT-Branchenverbands Bitkom gewonnen. Grund genug, das Unternehmen samt Geschäftsmodell genau unter die Lupe zu nehmen. Für die COMPUTERWOCHE haben dies Carlo Velten und Steve Janata, beide Senior Advisor bei der Experton Group, getan:

Unternehmenshintergrund und Marktsegment

Mit der Gründung der Testcloud.de GmbH im September 2011 haben sich Thomas Grüderich (CSO), Jan Schwenzien (CTO) und Carsten Lebtig (COO) ein zentrales Problem im Rahmen der Softwareentwicklung vorgenommen. Sie wollten Organisationen ein schnelles und kosteneffizientes Software-Testing im Rahmen des Entwicklungsprozesses ermöglichen.

Die große Marktchance ergibt sich durch die Vielzahl an neuen Websites, mobilen Apps und Unternehmensanwendungen, die im Rahmen der "Cloud-Revolution" entstehen. Independent Software Vendors (ISVs) und Startups entwickeln ihre Lösungen als Software-as-a-Service, Werbeagenturen konzipieren Kampagnen-Websites und mobile Apps für ihre Kunden, und auch große Unternehmen vertrauen zunehmend auf Software aus dem Netz - egal ob im Personalwesen oder der Social Collaboration.

Dabei verschlingt des Testing der Applikationen einen nicht unerheblichen Teil des Entwicklungsbudgets. Die Experton Group geht - je nach Softwarekategorie - von 20 bis 40 Prozent aus. Vor dem Hintergrund eines Marktvolumens von rund 42 Milliarden Euro erscheint das von Testcloud.de angepeilte Marktsegment als äußerst attraktiv, zumal der Fokus auf den Web-basierenden und mobilen Applikationen liegt. Insofern lässt sich konstatieren, dass die drei Gründer und ihre Investoren sich das richtige Marktsegment ausgesucht haben.

Produktstrategie und Innovationsleistung

Zugegebenermaßen ist das Software- Testing ein langjährig etablierter Markt, in dem noch die großen IT-Service-Provider wie IBM, Wipro oder Accenture den Ton angeben. In deren Geschäftsmodell testet meist eine ausgewählte kleinere Zahl von fest angestellten Experten die Softwareanwendung eines Kunden. Somit wird Software-Testing zu einer relativ kostspieligen und langwierigen Angelegenheit.

Hier liegt auch der Innovationsbeitrag des Startups und der Mehrwert des angebotenen Testing-Service. Durch einen Pool von Entwicklungs- und Testing-Experten, der über das Internet nach dem Modell des "Crowdsourcings" gesteuert und beständig erweitert wird, können Aufträge schneller und flexibler abgewickelt werden als bisher. So kann Testcloud.de bis zu 3000 qualifizierte Tester im Rahmen eines Projekts aktivieren. Diese arbeiten direkt in einer Web-basierenden Konsole, in der die Fehler dokumentiert werden. Eine Übernahme der Fehler in das Ticketing-System des Auftraggebers ist möglich und somit auch die Nutzung im Rahmen der Entwicklung von Enterprise-Lösungen. Um diese Zielgruppe bedienen zu können, bietet Testcloud.de zudem individuelle Betriebs- und Sicherheitskonzepte.

TestCloud.de liefert seine Leistungen in klar abgegrenzten Bündeln, so dass sich Kunden schnell zurechtfinden. Das Angebotsspektrum reicht von standardisierten Paketen zum Testen von Websites oder mobilen Apps (Beispiel: 25 Tester, zwei Tage inklusive Bug-Export zum Beispiel in Jira oder Redmine) bis hin zu maßgeschneiderten Tests für Unternehmenslösungen. Dem Sicherheits- und Vertrauensbedürfnis kommt der Anbieter nach, indem er beispielsweise die Testanwendungen auf den internen Systemen betreibt oder VPN-Zugänge zum Kunden legt. Auch stehen in diesem Modell die Tester unter NDA (Non Disclosure Agreement, eine Verschwiegenheitsvereinbarung).

Der Service umfasst ein breites Spektrum. So lassen sich Anwendungen nach den Kategorien Funktionen, Sicherheit, Lokalisierung und Usability testen. Bei Websites erfolgt das Testing über alle gängigen Browser und Betriebssysteme hinweg. Bei mobilen Apps werden die gängigen Betriebssystem-Versionen, Hersteller und Gerätetypen abgedeckt, was primär über den großen Pool an Testern ermöglicht wird.

Wettbewerbsfähigkeit und Relevanz im deutschen Markt

Obwohl das Unternehmen erst seit rund einem Jahr operativ tätig ist, kann es schon auf eine Reihe namhafter Kunden und einen wachsenden Pool an Softwaretestern verweisen. So vertrauen unter anderem Zalando, Qype und erste Unternehmenskunden auf den Cloud-basierten Testing-Service. Die Experton Group schätzt die Wettbewerbsfähigkeit von Testcloud.de als überdurchschnittlich hoch ein. Dies resultiert aus mehreren Faktoren, zu denen vor allem die gute Usability der Testumgebung, der große Pool an qualifizierten Testern und das attraktive Preissystem zählen.

Die Tester werden nur für die dem Kunden abgenommenen Fehler bezahlt und nicht nach Zeit wie in den meisten traditionellen Modellen. IT-Dienstleister berechnen klassischerweise die Arbeitszeit der eigenen Mitarbeiter im Rahmen eines Testzyklus. Hinzu kommt, dass Testcloud.de sich derzeit auf das schnell wachsende Segment der Cloud-basierten Services und mobilen Apps fokussiert, in dem die etablierten Akteure bisher kein wettbewerbsfähiges Angebot bieten. Denn Agilität und "Time-to-Market" sind mittlerweile die ausschlaggebenden Erfolgsfaktoren. So lässt sich die Zeitspanne für das Software-Testing einer Kampagnen- oder E-Commerce-Site nicht beliebig in die Länge ziehen.

Bedenkt man zudem, dass Softwarefehler zu direkten Einbußen im E-Commerce führen oder auch den Erfolg von groß angelegten Online-Werbekampagnen gefährden können, so sollten sich auch mittelständische und große Unternehmen für derartige Services interessieren, um die Transformation ihrer Geschäftsmodelle und -prozesse in Richtung digitale Welt erfolgreich zu gestalten. Im Cloud-Zeitalter, wo jeder Wettbewerber nur einen Klick entfernt ist, sollte die Fehlerquote der eigenen Cloud-Services bei null liegen.

Bezahlt wird nach der Zahl der gefundenen Bugs

Da ähnliche Unternehmen mit US-Ursprung, wie zum Beispiel Utest.com, derzeit noch nicht oder nur verhalten auf dem deutschen Markt aktiv sind, nimmt Testcloud.de eine Vorreiterrolle ein. Hinzu kommt, dass die Gründer die derzeit wohl größte Testing-Community im deutschsprachigen Markt aufgebaut haben. Die lokale Einbindung (Tester in gleicher Zeitzone, Muttersprache etc.) ist ein nicht zu unterschätzendes Kriterium.

Für die Tester selber ist das Modell ebenfalls attraktiv. Bezahlt wird nach der Anzahl der gefunden Bugs, was größtmögliche Freiheit bei der Ausgestaltung der eigenen Arbeitszeit und -weise bedeutet. Außerdem ist das Modell auch für Menschen spannend, die nicht originär mit dem IT-Markt verbunden sind, da es sich bei vielen Aufträgen vorwiegend um Funktionstests handelt (etwa E-Commerce), die keine tief gehenden Software- oder Programmierkenntnisse verlangen.

Fazit Experton Group

Der Fall Testcloud.de zeigt deutlich das Markt- und Innovationspotenzial, das sich durch die Verbreitung von E-Commerce, Cloud Computing und dem mobilen Internet ergibt, und welche IT-Dienste durch Synergien möglich sind. Die Unternehmen stehen unter dem Druck, ihre klassischen Geschäftsmodelle und -prozesse in die Cloud zu verlagern, um im Wettbewerb standzuhalten. Immerhin werden in Deutschland in diesem Jahr knapp 30 Milliarden Euro mit dem Online-Handel umgesetzt. Unternehmen wie Testcloud.de werden davon auch zukünftig profitieren, verschaffen sie doch denjenigen einen Zeit- und Kostenvorteil, die sich schon heute auf den digitalen Wandel eingestellt haben.

Von Joachim Hackmann