Test: Xen 4.0 macht kräftige Fortschritte

11.04.2008
Von 
Dipl. Inform. Johann Baumeister blickt auf über 25 Jahre Erfahrung im Bereich Softwareentwicklung sowie Rollout und Management von Softwaresystemen zurück und ist als Autor für zahlreiche IT-Publikationen tätig. Sie erreichen ihn unter jb@JB4IT.de
Die neue Heimat bei Citrix scheint der Virtualisierungslösung "Xenserver" gutzutun. Mehr Leistung und die Orientierung an VMware-Funktionen prägen das neue Release 4.0.

Citrix hat das Unternehmen Xensource samt dessen Virtualisierungslösung Xenserver im Herbst letzten Jahres übernommen. Die Wurzeln der Software liegen in der Open-Source-Community: Xen wurde in England an der University of Cambridge entwickelt. Zur Vermarktung des Virtualisierungs-Tools gründete sich später das Unternehmen Xensource. Für die Akquisition soll Citrix tief in die Taschen gegriffen und knapp 500 Millionen Dollar bezahlt haben, obwohl Xensource gerade mal fünf Millionen Dollar Umsatz auswies. Diese Zahlen machen deutlich, welche Erwartungen der Hersteller in das Marktsegment Virtualisierung und damit in das Produkt Xen setzt. Ein weiterer Beweis: Gleichzeitig hat Citrix sein Flaggschiff, den Presentation Server, in Xenapp umbenannt.

Inzwischen liegt Xenserver in Version 4 vor. Das neue Release wurde für diesen computerwoche-Test unter den Aspekten Set-up, Betrieb und Überwachung einer virtuellen Infrastruktur untersucht. So viel vorab: Xen hat mächtig aufgeholt und steht den etablierten Anbietern und ihren Tools in diesem Segment kaum mehr nach.

Basis ist der Hypervisor

Die Architektur von Xen basiert auf einem Virtual Machine Manager, dem Hypervisor. Unter dessen Kontrolle werden die Gastsysteme ausgeführt. Die Verwaltung des Hypervisors und der Gäste erfolgt über die separate Konsole Xencenter. Der Xenserver unterstützt alle derzeit gängigen Intel-Plattformen, kommt also mit 32-Bit-Prozessoren mit und ohne Physical Address Extension (PAE), 64-Bit-Prozessoren und Symmetric Multiprocessing Systemen (SMP) gleichermaßen zurecht. Als maximalen Speicherausbau unterstützt das Virtualisierungs-Tool auf 64-Bit-Systemen mittlerweile 124 GB RAM. Betrachtet man die heutigen Rechnerausstattungen, so sollte das auch für die kommenden Jahre reichen.

Neues Preismodell

Die meisten Lösungen zur Server-Virtualisierung basieren auf einem Lizenzmodell, dessen Kosten von der Anzahl der CPU-Sockel pro Server abhängen. Prinzipiell gilt dies auch für Xenserver 4.x, wobei Citrix jetzt den Rahmen weiter gesteckt hat. Anwender können nun auf allen physischen 64-Bit-x86-Servern mit bis zu vier CPU-Sockeln eine unbe-grenzte Anzahl an virtuellen Maschinen oder Host-Systemen zu einem festen Preis installieren. Dieses Preismodell gilt für die Standard-, Enter-prise- und Platinum-Edition von Xenserver.

Angeboten wird Xen, wie heute oft üblich, in unterschiedlichen Ausbaustufen. Xenexpress stellte dabei die kleinste Version mit dem geringsten Funktionsumfang dar. Es unterstützt nur einen Xenserver-Host mit maximal 4 GB RAM und vier konkurrierenden virtuellen Maschinen. Xenexpress zielt damit in erster Linie auf Test- und Evaluierungsszenarien. Die mittlere Edition, die als Xenserver bezeichnet wird, kommt bereits mit mehreren Hosts und maximal 128 GB RAM zurecht. Wer ein Maximum an Leistung benötigt, muss zu Xenenterprise greifen. Diese Version umfasst funktional sämtliche Features des Xenserver und erweitert ihn darüber hinaus um Funktionen für Clustering, Ressourcen-Pools, den Support von NFS, iSCSI, Shared Storage, um Xenmotion sowie um die Unterstützung von VLAN Trunk Ports. Xenenterprise war auch Gegenstand dieses Testberichts.

Als Verwaltungs-Tool für alle drei Editionen kommt das Xencenter zum Einsatz. Hierbei handelt es sich um eine Windows-Konsole, die auf einem separaten Rechner installiert wird und über die Netzverbindung den oder die Xenserver verwaltet.

Zwei Varianten

Xen bildet Server virtuell nach. Das kann prinzipiell in zwei Varianten erfolgen. Bei der vollständigen Virtualisierung emuliert das Tool einen nahezu vollständigen x86-Rechner. In diesem Kontext lässt sich folglich jedes Gast-Betriebssystem einbetten, das für x86-Rechner verfügbar ist. Die vollständige Server-Virtualisierung verlangt keine Anpassung des Gastes. Bei der zweiten Variante, der Paravirtualisierung, erfolgt keine komplette Emula-tion. Stattdessen verwenden die Gäste Teile des Host-Systems und beziehen sich im Betrieb darauf. Das führt zu einer größeren Performance, verlangt aber eine Anpassung der Gastsysteme an den Host. In der Vergangenheit erforderte Xen von den Gästen gerade diese Anpassung. Durch die Unterstützung von Virtualisierungsfunktionen in den CPUs von Intel und AMD ist dies aber nicht mehr notwendig, Xen kann nun auch unveränderte Windows-Gäste integrieren.

Laut Dokumentation unterstützt Xen als Gäste alle 32-Bit Windows-Betriebssysteme in allen vier Editionen ab Windows 2000. Bei den 64-Bit-Betriebssystemen gibt es Support für Windows Server 2003 und den Windows Small Business Server 2003 mit SP2. Ferner steht eine Vielzahl an Linux-Derivaten auf der Kompatibilitätsliste von Xen, so etwa RHEL 4.1, 4.4, 4.5 und 5.0, SLES 10 mit SP1, CentOS 4.5 und 5.0 und schließlich Debian Sarge und Etch Linux.

Für diesen Test wurde Xenserver auf einem Rechner mit einer Dual-Core-CPU, 8 GB RAM, zwei Netzkarten und lokalen Festplatten eingerichtet. Xen verlangt den exklusiven Zugriff auf die Festplatten. Ein Mehrfach-Boot zusammen mit anderen Betriebssystemen oder Konfigurationen, wie es im Test hilfreich sein mag, ist nicht möglich. Das Setup ist direkt von der CD zu starten. Zu den Angaben beim Set-up zählen jene zur verwendeten Tastatur, zu den zu installierenden Modulen, zum Umfang der zu installierenden Linux-Pakete, zur Zeitzone, zur Existenz eines NTP- und DHCP-Servers, zu den IP-Adressen sowie zu weiteren netzbezogenen Parametern. Das hier aufgebaute Testsystem sollte relativ eigenständig operieren und wurde deshalb mit einer statischen IP-Adresse ausgestattet. Ferner sollte der Xen-server als DNS-Server fungieren. Dies ermöglicht dem Verwaltungsrechner Xencenter einen Verbindungsaufbau über den Namen des Servers.

Der gesamte Setup-Vorgang ist gut und logisch aufgebaut und bietet alle dazu notwendigen Hilfen an. Er ist, sofern der Rechner ansonsten vorbereitet ist, in weniger als einer halben Stunde abgeschlossen. Xen unterstützt auch die Migration von physischen Rechnersystemen in den virtuellen Kontext des Xenserver. Dies ist eine weitere Installations-option, die für diesen Test nicht verwendet wurde.

Das Xencenter ist ein Windows-Tool, das separat von der CD installiert werden muss. Im Testszenario wurde es auf einem eigenständigen Windows-XP-Rechner eingerichtet. Laut Handbuch setzt das Werkzeug ein Betriebssystem ab Windows 2000, das .NET-Framework 2.0 und 1 GB RAM voraus. Das Setup des Xencenters erfolgt ebenfalls einfach und schnell.

Erste Schritte

Zu den ersten Schritten beim Aufbau einer virtuellen Infrastruktur gehört die Bereitstellung von Rechnerressourcen für die Server oder Hosts. Sie müssen separat installiert werden. Das Xencenter dient nur zu deren Verwaltung. Über den Namen des Xenservers oder dessen IP-Adresse baut das Xencenter die Verbindung zum Server auf. Achten muss man allerdings darauf, dass beim Beenden des Xencenters der Server natürlich weiterläuft. Auch am Status der virtuellen Maschinen, die auf dem Server laufen, ändert der Start oder Stopp von Xen-center nichts.

Der Aufbau des Xencenters orientiert sich an den heute üblichen Standards. In einem zweigeteilten Fenster mit einer hierarchischen Objektstruktur bietet es alle wichtigen Elemente zur Verwaltung des Hosts und seiner eingebetteten virtuellen Maschinen. Das Center unterteilt die Verwaltungsinhalte in mehrere Rubriken. Ein Übersichtsbildschirm (Dashboard) liefert dabei die wichtigsten Inhalte und Statusmeldungen auf einen Blick. Hier kann sich der Administrator über die Leistungsmerkmale der CPUs, des Speichers, der Festplatten und des Netzes informieren. Weitere Rubriken beschäftigen sich mit der Konfiguration des Speichers und des Netzes.

Assistenten unterstützen

Um direkt auf das Gast-Betriebssystem zuzugreifen, werden dessen Bildschirmausgaben in der Xencenter-Verwaltungskonsole eingeblendet. Wird dieser Zugriff aktiviert, so spiegelt der Xenserver die Ausgabe des Gast-Betriebssystems in den Verwaltungsbildschirm des Xencenters. Dies gilt sowohl für Xenserver oder Linux-Gäste mit zeichenbasierender Oberfläche als auch für das GUI von Windows-Gästen. Die Logs schließlich beinhalten die Logdateien.

Dazugepackt hat der Hersteller auch mehrere Assistenten für die wichtigsten Funktionen zur Verwaltung des Servers und der virtuellen Maschinen. Verglichen mit den früheren Versionen von Xen, bei denen die Verwaltung größtenteils über Kommandozeilen erfolgte, ist die neue Bedienung geradezu revolutionär. Alle Operationen sind mit grafischen Symbolen unterlegt. Für einen Server oder eine virtuelle Maschine beispielsweise sind dies die Zustände "Running", "Stopped" oder "Shutdown". Aus dem Xencenter heraus lässt sich auch der physische Server verwalten und herunterfahren. Zum Neustart muss sich der Administrator, sofern keine Funktionen wie etwa Wake-on-LAN oder vPro-Remote-Steuerung verwendet werden, jedoch direkt zum Server begeben.

Für den Test wurden anschließend mehrere virtuelle Maschinen mit Windows- und Linux-Betriebssystemen als Gäste erzeugt. Assistenten unterstützen das Setup neuer virtueller Maschinen. Die Basiskonfigurationen entnimmt Xen aus System-Templates. Sie ermöglichen das schnelle Setup einer virtuellen Maschine aus einer Konfigurationsvorlage. Ein Template ist prinzipiell eine virtuelle Maschine, die in eine Datei gepackt wurde. Zu den Parametern des Templates gehören die Angaben zur CPU, zum Gast-Betriebssystem, zum Speicher und zur Netzkonfiguration.

Auch für die Linux-Derivate Debian Sarge und Etch Linux sind vorkonfigurierte Templates vorhanden, aus denen die Gäste direkt erzeugt werden. Für Windows-Betriebssysteme muss der Administrator die Gäste, analog zur Installation auf einem physischen Rechner, manuell vom Installationsmedium wie einer CD oder einem ISO-Image einrichten. Das Setup der unterschiedlichen Systeme verlief ohne Probleme. Dennoch sollten die Hinweise in den Handbüchern beachtet werden. Den größten Zeitaufwand verursachen die Installationsabläufe der Gäste.

Das Xencenter integriert alle Einstellungen der Hosts und virtuellen Maschinen in einer Konsole. Daneben werden eine Reihe von Statusmeldungen, aktuellen Zuständen und Hilfen eingeblendet. Für eine virtuelle Maschine sind dies beispielsweise Informationen zur Laufzeit, Speichernutzung, Netzverbindung oder Festplattenzuweisung. Im Test lieferte das Xencenter alle benötigten Information korrekt und flüssig.

Der Ressourcen-Pool

Neu in Xen 4.x ist die Zusammenfassung von bis zu 16 Servern in einem Resource Pool. Bei der Erzeugung von virtuellen Maschinen lassen sich diese direkt einem solchen Ressourcen-Pool zuweisen. Dabei sorgt Xen für die bestmögliche Zuweisung der virtuellen Maschinen zu einem physischen Host des betreffenden Pools. Die Xen-Verwaltung kümmert sich selbständig um die Platzierung der virtuellen Maschinen auf einem der Rechner. Wenn gewünscht oder notwendig, kann der Administrator diese Zuweisung aber auch manuell vornehmen. Die Log-Informationen im Xencenter liefern die jeweils aktuellen Laufzeitinformationen.

Eine weitere Neuerung von Xenserver 4 ist die Unterstützung von Shared Storage sowie die Funktion Xenmotion. Letztere erlaubt die Übertragung von VMs auf andere Systeme. Dazu wird allerdings ein gemeinsamer Speicher, der als Shared Storage angebunden ist, benötigt. Mit diesem Feature orientiert sich Xen an VMware und dessen VMotion. Ebenso wie dieses erlaubt auch Xenmotion eine Übertragung der virtuellen Maschinen im Live-Betrieb. Der Transfer ist aufgrund des gemeinsamen Speichers innerhalb weniger Sekunden möglich. Xenmotion soll vor allem die Wartung und das Upgrade der Systeme vereinfachen, da man zum Beispiel beim Patchen von Betriebssystemen oder Applikationen diese häufig neu starten muss. Durch Xen-motion wird nur die virtuelle Maschine vorher auf einen anderen Rechner übertragen.

Neuerungen gibt es ferner bei der Verwaltung des Plattenspeichers und des Clustering. Xen integriert standardmäßig den Support für Speichermedien die über IDE, SATA, SCSI oder SAS angeschlossen sind. Durch Plug-ins lassen sich auch NAS-, iSCSI- und SAN-Speichersubsysteme anbinden. (ue)u

Fazit

  • Der Xenserver wurde in der vorliegenden Version gründlich überarbeitet, sein Funktionsspektrum erheblich erweitert.

  • Durch die Ressourcen-Pools, den Shared Storage und Xenmotion erschließen sich nun auch neue Einsatzgebiete.

  • Aufgrund der Unterstützung von Multi-Core-CPUs, SMP-Systemen und 124 GB RAM gibt es darüber hinaus genügend Leistungsreserven.

  • Auch die Verwaltung, der größte Schwachpunkt der früheren Versionen, wurde mit dem Xencenter an moderne Techniken und Abläufe, insbesondere Bedienkonzepte, angepasst.

  • Wer sich ohnehin mit dem Einsatz von virtuellen Systemen beschäftigt, sollte Xen in die Auswahl einbeziehen.