Kompatibilitätsprobleme in Datenkommunikationsnetzen belasten DV-Anwendungen:

Terminals, Systeme und Prozeduren, ertragen sich selten

28.05.1982

Eine ganze Reihe von Problemen kann den EDV-Leuten, die Datenkommunikationsnetze betreiben - oder betreiben wollen - das Leben erschweren. Allen voran das enorme Anwachsen der Benutzeransprüche bei zunehmendem Zwang zum Kostensparen. So begrüßenswert der technische Fortschritt auch ist, der mit immer neuen Geräten und Verfahren diesem Komplex begegnen hilft, dieser Fortschritt bringt ein weiteres Problem: die Unverträglichkeit vieler Terminals, großer und kleiner Systeme und Systemkomponenten sowie den diversen Prozeduren.

Hier muß die Netzwerkarchitektur ansetzen, um in weitem Maße die Verständigung zwischen den "Generationen" der Datenkommunikationsgeräte zu ermöglichen.

Dabei geht es heute im wesentlichen um die Verträglichkeit mit den von IBM gesetzten "Industrie-Standards". Immer mehr Hersteller sind auf diese Linie eingeschwenkt oder schwenken darauf ein. Aber auch dann bleiben die Probleme noch vielfältig genug, da auch hier (durch technische oder wirtschaftspolitische Entwicklungen) nicht alles miteinander kann, was den gleichen Firmennamen trägt.

Es beginnt mit den relativ einfach zu realisierenden physikalischen Schnittstellen. Ausgänge der einen Geräte müssen zu den Eingängen der anderen rein hardwaremäßig passen, vom Terminal über Steuereinheiten, Kommunikationsrechner, Übertragungsnetz bis zu den Kanalanschlüssen der zentralen Rechner.

Die nächste Stufe stellt die größeren Probleme: die Übertragungskontrolle. Alle von einem Punkt des Netzes an einen anderen (zum Beispiel vom Terminal zum Anwendungsrechner) gerichteten Informationsblöcke müssen von allen zwischengeschalteten Stationen - und natürlich vom Empfänger - richtig interpretiert werden. Dazu ist der Aufbau dieser Blöcke vorgeschrieben. Nur: Aus der "historischen" Entwicklung gibt es verschiedene Terminal- "Generationen". Ihre Protokolle sind, verschieden, sind auf die Protokolle (zugriffsmethoden) der jeweils aktuellen Rechnerarchitektur abgestimmt.

In einem Netz werden aus wirtschaftlichen und praktischen Gründen verschiedene Klassen von Terminals und Steuereinheiten nebeneinander verwendet. Sie müssen sich mit dem Netz vertragen - oder verträglich gemacht werden. So übernehmen zweckmäßigerweise die Datenkommunikationsrechner die Anpassung. Zusätzlich zum Handling der Datenströme, zu Netzwerkverwaltung und Netzwerkmanagement auch das Wandeln der Formate entsprechend den gegebenen oder geforderten Protokollen.

Kompatibilität kann auf zwei Arten erreicht werden. Einmal durch Erfüllen aller Hardware- und Softwarevorgaben, oder besser gesagt: durch sklavisches Nachfolgen auf allen vom marktführenden Lieferanten eingeschlagenen Hardware- und Software-Wegen. Das ist die einfachste Form, die Plug-Kompatibilität. Stecker raus - Stecker rein: Alles bleibt gleich. Vielleicht ist die Lösung billiger als die ursprüngliche. Änderungen auf der Rechnerseite ist man allerdings hilflos ausgeliefert.

Die andere Art ist die Funktionskompatibilität. Hier weist die verwendete Hardware andere Strukturen auf, ist fortschrittlicher im Konzept und leistungsfähiger. Das bedingt natürlich auch eigene Software. Diese bringt dann die gleichen Funktionen, wie die ursprüngliche Lösung - das Ganze ist also kompatibel -, bietet jedoch auch die Möglichkeit, mehr Leistungsmerkmale einzubauen und damit für den Netz-Betrieb und -Unterhalt wirtschaftlicher zu sein. Für den Anwender treten Hardware- und Softwareunterschiede gar nicht in Erscheinung. Für ihn ist das Netz transparent.

SEL bietet mit dem Konzept CNA (Communication Network Architecture), der dazugehörigen Hardware und Software, die Funktionskompatibilität. Bei derartigen Konzepten, wie sie auch CNA (Communication Network Architecture) verfolgt, ist das Kommunikationsnetz eine unabhängige Einheit, die den Datenaustausch zwischen Endbenutzer verantwortlich regelt. Das Netz wiederum betrachtet den Endbenutzer als Datenquelle oder Datenempfänger. Endbenutzer in diesem Sinne sind Datenendgeräte und Anwendungsprogramme. Der zentrale Rechner hat in diesem Netz seine sonst beherrschende Stellung verloren; er wird wie ein Terminal behandelt.

Zum anderen sind derartige Netze besonders wirtschaftlich, da alte und neue Hardware gemischt betrieben werden kann und Investitionen in Hard- und Software, insbesondere in Anwendungsprogramme, ihren Wert behalten. Gerade beim forcierten Trend zu den Zugriffssystemen ACF/VTAM und ACF/NCP ist dies wichtig. Der Anwender kann den Übergang vom bisherigen EP-Modus allmählich und damit wirtschaftlich vollziehen. Die besondere Flexibilität solcher Netzkonzepte liegt außer in der Hardware vor allem in der Software der Datenkommunikationsrechner.

So lassen sich vermaschte Netze in Stern-, Ring- und Kaskaden-Strukturen bereits unter Emulation (EP) realisieren. Die Übertragung erfolgt im Daten-Vollduplex-Mode auf einem "Trunk", der aus einer oder mehreren Leitungen mit automatisch optimierter Auslastung besteht. Bei Spitzenlast wählt der Datenkommunikationsrechner beispielsweise eine Datex-L- oder Datex-P-Verbindung hinzu. Auf einem solchen Trunk können sämtliche Terminalprotokolle "gleichzeitig abgewickelt werden (Adaptives Multiplexing).

Auch der Zugriff auf verschiedene Anwendungsrechner vom gleichen (BSC-)Terminal innerhalb eines Clusters wird ermöglicht. SDLC-Terminals können unter der Zugriffsmethode BTAM betrieben werden.

Eine aus wirtschaftlichen Gründen für eine Anzahl von Anwendungen zu bevorzugende Variante der Datenkommunikation bietet Datex-P, der neue paketvermittelte Datexdienst der Deutschen Bundespost. Das Netzkonzept ermöglicht den gemischten Betrieb mit den Direktruf-, Datex-L- und, Datex-P-Diensten. Mit geeigneter Software sowie einer Reihe von "Paket-Adaptern" wird der Datenverkehr zwischen Anwendungsrechnern, die mit den Zugriffsmethoden BTAM, TCAM und VTAM arbeiten sowie Terminals mit Start-/ Stop-, BSC- und SDLC-Protokollen ermöglicht. Die Bundespost bietet Anpassungsdienste für herkömmliche Datenendgeräte auf der Terminalseite an. Mit der Software der Datenkommunikationsrechner werden aber unter anderem auch die Dienste Datex-P20 und Datex-P32 zur Rechnerseite hin unterstützt. So können die Anwendungsrechner unverändert für den Zugang über das Datex-P-Netz genützt werden, für alle Arten von Terminals, nicht nur für SDLC.