Telematica '94: Schwarz-Schilling liest Bonner Politikern die Leviten Schwaebische Datenautobahn soll zur Jahresmitte in Betrieb gehen

13.05.1994

STUTTGART (hi) - Zum dritten Mal fand in Stuttgart die Fachmesse fuer Telekommunikation "Telematica" zeitgleich mit der Messe "Das moderne Buero" statt. Thematischer Schwerpunkt beider Veranstaltungen war die Zukunft des TK-Standortes Deutschland.

Anlaesslich der Eroeffnung der beiden Fachmessen betonte Dieter Spoeri, Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpraesident von Baden-Wuerttemberg, die Verzahnung der Bereiche Kommunikations- und Informationstechnik. Dabei ist fuer Spoeri die "Kommunikationstechnik eine Schluesseltechnologie", um die strukturellen Probleme des Wirtschaftsstandortes Baden-Wuerttemberg zu loesen, was mit der bis jetzt erfolgten Kostenanpassung nur zu einem Drittel geschehen sei.

Um den bisherigen Verlust von Arbeitsplaetzen in den traditionellen Bereichen wie Automobil- und Maschinenbau auszugleichen, muss das Land laut Spoeri verstaerkt auf den Sektor Kommunikationstechnik setzen. Falls die Bundesrepublik nicht bereit sei, sich auf diesem Gebiet zu engagieren, dann, so die Philippika des Ministers, "weiss ich nicht, wo wir ueberhaupt noch Arbeitsplaetze schaffen wollen".

Schaetzungen, die davon ausgehen, dass in der Europaeischen Union die Zahl der Arbeitsplaetze in der Kommunikationsbranche von 18 Millionen im Jahr 1990 auf 60 Millionen im Jahr 2000 steigen wird, haelt der baden-wuerttem-bergische Wirtschaftsminister fuer durchaus realistisch. Deshalb ist es fuer Spoeri wichtig, diese Entwicklung nicht nur zu beobachten, sondern auch aktiv zu begleiten. Mit einer Existenzgruendungsoffensive will der Minister das Musterlaendle jedenfalls verstaerkt in Richtung Medienstandort trimmen.

"Spaetzle-Highway" auch zu privaten Haushalten

Bereits Mitte des Jahres planen die Schwaben, waehrend andernorts nur von Multimedia geredet wird, auf dem "Information-Highway Baden-Wuerttemberg" mit rund 4000 Teilnehmern einen Akzeptanztest der neuen multimedialen Dienste. Der "Spaetzle-Highway", an dem sich unter anderem die Telekom und Alcatel SEL beteiligen, basiert im wesentlichen auf den bereits vorhandenen Netzstrukturen der Telekom. Neben den privaten Haushalten sollen an dem auf fuenf Jahre angesetzten Projekt auch die Universitaeten und Unternehmen des Bundeslandes teilnehmen.

Auch Christian Schwarz-Schilling, Bundespostminister a.D., begruesste anlaesslich der Eroeffnungsfeier der Telematica die Initiative. Allerdings befuerchtet der Ex-Minister, dass das Engagement eines einzigen Bundeslandes im Zeitalter des globalen TK-Wettbewerbes keinen Erfolg bringen koenne. Deshalb appellierte das ehemalige Regierungsmitglied eindringlich an die Adresse der Bundeslaender, den "Nonsens einer Post Deutscher Laender", die aus dem 19. Jahrhundert stamme, im Zeitalter der Global Players aufzugeben, wenn die bundesdeutsche Kommunikationstechnik auf dem Weltmarkt eine Zukunft haben solle.

Ebenso kritisierte Schwarz-Schilling "das Meisterstueck an politischer Kunst" in Bonn, wo man mit der Verschleppung der Postreform II schaffe, alle TK-Chancen der Zukunft zu verspielen. Dabei haetten die Bonner Bremser der wichtigsten Wachstumslokomotive offensichtlich nicht begriffen, dass die Verzoegerung der Privatisierung fuer die Telekom ein eklatanter Nachteil im globalen Wettbewerb ist. Allerdings wundert dies den ehemaligen Postchef wenig, angesichts "eines Kanzlers, der bei den Super-Highways nur an das Verkehrsressort des Herrn Wissmann denkt und meint, dass man dann eben noch ein paar zusaetzliche Autobahnen bauen muesse".

GSM-Erfolg fuer deutsche Industrie

Die Bonner Zurueckhaltung in Sachen moderne Kommunikationstechnologie aergert Schwarz-Schilling um so mehr, als die Bundesrepublik und Europa nach seiner Einschaetzung durchaus das technologische Know-how haben, um auf dem Weltmarkt vorne mitzumischen. So habe mit ISDN eine urspruenglich deutsche Technologie Weltpremiere gehabt, und der digitale Mobilfunk ist fuer den Ex-Minister "eine Erfolgsstory, die es in der Telekommunikation lange nicht mehr gab". Aus der urspruenglichen "Groupe Special Mobile" (GSM) ist das "Global System Mobile" geworden, ein Standard, den mittlerweile 50 aussereuropaeische Laender uebernommen haben.

Weiter ging der ehemalige Postchef mit der hiesigen Industrie in puncto mobilem Digitalfunk hart ins Gericht, denn durch falsche unternehmerische Einsicht spiele Deutschland auf dem Markt der Mobiltelefone praktisch keine Rolle und habe das lukrative Geschaeft auslaendischen Unternehmen ueberlassen - ein Verhalten, das fuer Schwarz-Schilling durch nichts zu entschuldigen ist, da das Wachstum dieser Branche "durchaus vorhersehbar war".

Begruesst wurden von Schwarz-Schilling hingegen weitere Wettbewerber wie das E1-Konsortium, die mit dazu beitragen, dass sich die beiden derzeitigen D-Netz-Betreiber nicht zu sehr auf ihrem Erfolg ausruhen, wie der Ex-Minister meint. Auf regionaler Ebene sind fuer den TK-Experten Buendelfunkbetreiber wie die Terrafon Buendelfunk GmbH & Co. KG wichtig fuer einen funktionierenden Wettbewerb. Aufgrund seiner Kostenstruktur biete sich der Buendelfunk gerade fuer mittelstaendische Unternehmen als Kommunikationsmedium an.

Zur Eroeffnung der Telematica nahm Terrafon in den Wirtschaftsraeumen Mannheim/Karlsruhe und Stuttgart ihre Buendelfunknetze offiziell in Betrieb. Der Betreiber will eigenen Angaben zufolge im Rahmen eines kundenorientierten Ausbaus in der Endphase 40000 - 60000 Netzteilnehmer bedienen. Neben der Sprachkommunikation sollen in dem Buendelfunknetz via Modem auch Daten- und Faxuebertragung realisierbar sein.