Interview

Telekommunikation und Multimedia verschmelzen

10.10.1997

CW: Will Bertelsmann mit dem neu gegründeten Geschäftsbereich Telekommunikation jetzt ähnlich wie Otelo und andere der Deutschen Telekom Konkurrenz machen?

Bogdanski: Nein, unser Angebot ist eher als Ergänzung zur Telekom konzipiert. Wir werden vor allem Kunden bedienen, die im nationalen und internationalen Bereich Vieltelefonierer sind. Diese können über unser Netz preiswert telefonieren. Unser Angebot ist eine Art Bindeglied zwischen Multimedia-Welt und Telekommunikation.

CW: Welche Tätigkeiten umfaßt in dieser Verbindung der Geschäftsbereich Telekommunikation?

Bogdanski: Neben der IP-Telefonie "Avanti" wollen wir kleinen und mittelständischen Unternehmen die Integration von PC und Telefon ermöglichen. Ein Ziel ist es, die Interoffice-Kommunikation multimedial zu gestalten, so daß der Benutzer in der Lage ist, via PC mit Videoübertragung zu kommunizieren und dabei gleichzeitig mit seinem Gesprächspartner ein Dokument gemeinsam zu bearbeiten. Ein weiterer geplanter Dienst ist die Fax-to-E-Mail-Umwandlung, um Anwendern, die viel unterwegs sind, den Abruf ihrer Faxe per E-Mail zu ermöglichen. Des weiteren bieten wir professionellen Nutzern News- und Informationsdienste wie Börsenkurse und Wirtschaftsdienste via Telefon.

CW: Wann wollen Sie diese Dienste einführen?

Bogdanski: Technisch können wir das schon. Letztlich hängt der Starttermin von der Marktakzeptanz ab. Ich gehe aber davon aus, daß wir innerhalb des nächsten halben Jahres loslegen und die preiswerte IP-Telefonie Avanti spätestens zur CeBIT allgemein verfügbar ist.

CW: Ab wann rechnet sich Avanti für den Anwender?

Bogdanski: Ab der Telekom-Tarifzone 200 lohnt sich der Dienst für den Benutzer richtig. Dabei ist die Nutzung vor allem zur Primetime der Telekom am frühen Vormittag lukrativ.

CW: Und wie funktioniert das in der Praxis?

Bogdanski: Nachdem der Anwender von uns eine Kundennummer bekommen hat, wählt er sich, wenn er ein günstiges Ferngespräch führen will, bei einem unserer Zugangsknoten ein und telefoniert über unser Netz. Letztlich findet also das Least-cost-Routing im Kopf des Benutzers statt.

CW: Ist das nicht etwas unkomfortabel?

Bogdanski: Nein, der Benutzer kann ja die Einwahlsequenz als Kurzwahlnummer auf seinem Telefon speichern. Ab einem bestimmten Umsatz bekommen unsere Kunden dann einen Dialer, der ihnen die Einwahl in unser Netz komplett abnimmt.

CW: Wie viele Einwahlknoten wollen Sie in Deutschland aufbauen?

Bogdanski: Etwa 80 Prozent der Bevölkerung können unsere Knoten zum Citytarif erreichen.

CW: Sie versprechen Preisvorteile von bis zu 60 Prozent. Wie realisieren Sie dies technisch, wenn Sie Leitungen von der Telekom anmieten müssen?

Bogdanski: Im Gegensatz zu den leitungsvermittelnden Gesprächen der Telekom setzen wir auf eine paketvermittelnde Technologie. Vereinfacht ausgedrückt, pressen wir dazu die Gesprächsdaten in ein etwas kleineres Format und nutzen so unsere Leitungen besser aus. Wir reden also hier nicht über die klassische Internet-Telefonie, bei der ein Gespräch irgendwann an das globale Netz übergeben wird und die Sprachqualität von der Netzauslastung abhängt. Wir kontrollieren die Telefonie vom Anfang bis zum Ende.

CW: Also unterhalten Sie ein Virtual Private Network (VPN), über das Sie Gespräche im IP-Format übertragen?

Bogdanski: Ja, das ist richtig. Dort, wo wir kein VPN haben, greifen wir auf die klassischen leitungsvermittelnden Kapazitäten der Telecoms zurück.

CW: Was bedeutet dies in der Praxis, wenn ein Benutzer via Avanti nach USA telefoniert?

Bogdanski: Wir transportieren das Gespräch auf unserem eigenen IP-Netz über den Atlantik und übergeben es in den USA an einen Carrier, mit dem wir zusammenarbeiten. Dieser leitet das Telefonat dann über das öffentliche Netz zum Empfänger weiter.

CW: Der User ist also vom Flaschenhals Internet nicht betroffen?

Bogdanski: Ganz genau. Die Nutzung unseres eigenen Netzes ist auch eines unserer Differenzierungsmerkmale gegenüber anderen Internet-Telefonie-Anbietern.

CW: Kommen Sie da nicht mit dem Verkehr der AOL-Nutzer und Geschäftskunden in Konflikt?

Bogdanski: Um das zu vermeiden, nehmen wir eine Bandbreitenreservierung vor. So können wir die gewünschte Sprachqualität garantieren.