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Telekombranche am Scheidepunkt - Boom in Indien, Sparen in Europa

13.02.2007
Vodafone-Deutschlandchef Fritz Joussen bekommt glänzende Augen, wenn er über die Entwicklung der Mobilfunkbranche redet: Massive Zuwachsraten gebündelt mit neuen Anwendungen wie Handys mit Bezahlfunktion versprechen den Telekomkonzernen eine rosige Zukunft.

Allerdings hat Joussen dabei Länder wie den Kongo oder Indien im Blick - weniger den europäischen Markt. In Deutschland und anderen Ländern mit einer hohen Marktsättigung müssen die Unternehmen auf die Kostenbremse treten, um ihre Margen zu sichern. Schrittmacher in Deutschland ist die Düsseldorfer E-Plus, die mit der Ausgliederung ihres Netzes an Alcatel-Lucent die Kosten deutlich senken will.

"Dem Beispiel von E-Plus werden andere Anbieter folgen", sagt ein Branchenkenner. So befasse sich auch die Deutsche Telekom mit der Idee, ihr Mobilfunknetz von einer Telekomausrüster betreuen zu lassen. Die Bonner haben bereits eine Netzkooperation mit O2 Deutschland, dem nach Kundenzahlen viertgrößten Mobilfunkanbieter. O2-Deutschlandchef Rudolf Gröger bestätigt entsprechende Überlegungen: "Wir werden uns das anschauen müssen." Die erfolgsverwöhnten Handy-Konzerne sind durch den Preisrutsch unter Druck geraten. Alleine im vergangenen Jahr fielen die Tarife um elf Prozent. Experten rechnen nicht damit, dass der Trend in diesem Jahr anhalten wird.

Neben Einschnitten auf der Kostenseite wollen die Telekomkonzerne mit neuen Diensten dem Preisverfall entgegentreten. Im Fokus stehen dabei vor allem breitbandige Anwendung wie das Herunterladen wie Musik. Vom Trend zu Breitbanddiensten wollen auch die Festnetzbetreiber profitieren. So verspricht sich Telekom-Chef René Obermann vom DSL-Geschäft eine Stabilisierung der Erlöse in der Festnetzsparte T-Com. Den gleichen Weg schlagen auch France Telecom und Telefonica ein.

Um den Preisdruck in Europa zu entgehen, baut die britische Vodafone ihr Geschäft in den schnell wachsenden Märkten Asiens und Afrikas aus. Als ein großer Erfolg gilt die mehrheitliche Übernahme der indischen Hutchison Essar. Am Sonntagabend gab Vodafone den Erwerb von 67 Prozent des viertgrößten Mobilfunker des Landes bekannt. Trotz des stolzen Kaufpreises von 13,1 Milliarden US-Dollar feierte die Börse den Schachzug von Vorstandschef Arun Sarin mit einem kräftigen Kursplus. Wie das abgelaufene Quartal zeigt, geht die Strategie von Sarin auf: Während die europäischen Töchter gerade einmal ein Umsatzplus von knapp einem Prozent schafften, wuchsen die Erlöse in Schwellenländer im zweistelligen Prozentbereich.

Indien hat sich neben China zum Boommarkt für die Telekomkonzerne entwickelt. Monat für Monat unterschreiben 6,5 Millionen Inder einen Handy-Vertrag. Da die Festnetzstruktur auf dem Subkontinent nur in den Ballungsgebieten ausgebaut ist, werden nach Einschätzung von Experten viele Menschen nur über das Mobilfunknetz in das Internet gehen. Von dem Trend will auch Sony Ericsson profitieren. Mit einem höheren Absatz in Indien will das Gemeinschaftsunternehmen an dem Rivalen Samsung Electronics vorbei auf Rang drei der Handy-Produzenten vorrücken. Sony Ericsson folgt damit dem Beispiel von Nokia, das seine Marktfüherschaft mit massiven Verkäufen in den Schwellenländern ausbaut.

Die indischen Unternehmen gewinnen Angesichts der hohen Wachstumsraten an Selbstvertrauen. Der Mischkonzern Hinduja bekundete Interesse an einem Einstieg bei der Telecom Italia, um die sich ein Bieterwettstreit anbahnt. Mehrheitsaktionär Pirelli bestätigte, dass Gespräche mit mehreren Telekomfirmen - darunter Telefonica - über eine Beteiligung an der Holding Olimpia geführt werden, in der die Anteile an Telecom Italia gebündelt sind. Der Expansion ins Ausland wird sich die Deutsche Telekom nicht verschließen können. Experten erwarten daher, dass Vorstandschef Obermann das künftige Wachstums auch mit Akquisitionen schaffen will. (dpa/tc)