Sparprogramm ohne Schnellschüsse

Telekom verschiebt strategische Entscheidungen

30.08.2002
MÜNCHEN (CW) - Die Deutsche Telekom hat mit ihren Halbjahreszahlen gemischte Signale gesendet: Bei einem Rekordverlust aufgrund von Abschreibungen konnte das operative Geschäft zulegen. Nun müssen bis zum Herbst alle Konzernbereiche auf den Prüftstand, um den hohen Schuldenberg abzutragen.

Die mit Spannung erwartete erste Quartalskonferenz der Deutschen Telekom unter ihrem Interimschef Helmut Sihler brachte keinen signifikanten Durchbruch - strategische Entscheidungen sollen erst im November bekanntgegeben werden, nachdem der Konzern komplett durchleuchtet worden ist. Sihlers Konzept nennt sich "E3" - Entschuldung, Effizienzsteigerung, Ergebnisverbesserung. Damit deutet der Carrier an, dass die Entwicklung der Einnahmen zufrieden stellend verläuft, während auf der Kostenseite weiterhin Handlungsbedarf besteht.

Einnahmen und Verluste wachsen

Die Deutsche Telekom konnte von Januar bis Juni erneut wachsen, allerdings nahmen auch die Verluste auf 3,9 Milliarden Euro deutlich zu. Im ersten Halbjahr setzte der Carrier insgesamt 25,75 Milliarden Euro um, rund 14 Prozent mehr als noch im Vorjahreszeitraum. Zurückzuführen ist dieser Anstieg vor allem auf die Auslandsbeteiligungen der Telekom, die teilweise erst in diesem Quartal in die Bilanz aufgenommen worden sind. Der innerdeutsche Umsatz sank um 0,5 Prozent auf 17,20 Milliarden Euro, im Ausland stiegen die Einnahmen um 65,3 Prozent auf 8,55 Milliarden Euro.

Die Bilanz litt vor allem an Sondereffekten, etwa durch Buchverluste von mehr als 300 Millionen Euro, die bei der Veräußerung von Anteilen der France Télécom aufgetreten sind. Hinzu kamen unter anderem 1,5 Milliarden Euro Abschreibungen auf den Goodwill der US-amerikanischen Mobilfunktochter Voicestream, die aber nicht "cash-wirksam" waren, wie Finanzvorstand Karl-Gerhard Eick betonte.

Insgesamt belief sich der Konzernfehlbetrag im zweiten Quartal auf 2,08 Milliarden Euro. Analysten hatten mit Verlusten von rund 1,5 Milliarden Euro gerechnet. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres hatte die Telekom noch ein Plus von neun Millionen Euro ausgewiesen. Für das Halbjahr ergab sich damit ein Rekordverlust von 3,9 Milliarden Euro, mehr als die minus 3,5 Milliarden Euro im gesamten Geschäftsjahr 2001. In den ersten sechs Monaten 2001 hatte der Verlust noch 349 Millionen Euro betragen. Das um Sondereinflüsse bereinigte Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) stieg hingegen in den vergangenen sechs Monaten von 7,24 auf 7,76 Milliarden Euro an.

Was die US-amerikanische Mobilfunktochter Voicestream angeht, zeigte sich Interims-Chef Sihler diplomatisch, ohne zu bestätigen oder zu dementieren: Es hätten Gespräche stattgefunden, aber keine Verhandlungen. Man werde sich weiter alle Optionen offen halten. Vor Bekanntgabe der Halbjahreszahlen hatten Medien spekuliert, dass Voicestream eine enge Partnerschaft mit AT&T Wireless oder Cingular Wireless eingehen würde.

An dem Ziel, bis Ende nächsten Jahres die Verschuldung auf 50 Milliarden Euro zu senken, hielt Sihler fest. Im zweiten Quartal gelang es dem Carrier immerhin, die Last mit Bordmitteln aus dem Cashflow von 67,3 auf 64,2 Milliarden Euro zu senken. Auf Grundlage der gegenwärtig eingeleiteten Sparmaßnahmen sei es realistisch, Ende 2003 eine Verschuldung von 54 bis 57 Milliarden Euro zu erreichen, so das Management. Darunter fällt neben dem angekündigten Personalabbau um 22000 Stellen auch der Verkauf von Immobilien und der Kabelnetze. Woher die restlichen vier bis sieben Milliarden stammen sollen, werde in den nächsten Monaten geklärt, hieß es.

Sihler kündigte an, den Konzern genau unter die Lupe zu nehmen - es gebe "keine heiligen Kühe". Die Telekom müsse sich anstrengen, denn die Situation sei ernst. Notverkäufe und Schnellschüsse sind nach Aussage des Interimschefs nicht nötig. Die Ergebnisse der E3-Konzernanalyse werden am 20. November zusammen mit den Zahlen für das dritte Quartal präsentiert. Dann sollte auch geklärt sein, wer Nachfolger des Sommer-Nachfolgers wird: Sihler erteilte Spekulationen eine Absage, länger als die angekündigten sechs Monate im Amt bleiben zu wollen. (ajf)

Die vier Telekom-Sparten

T-Com: Der Umsatz im Festnetz stieg in den ersten sechs Monaten um ein Prozent auf 14,84 Milliarden Euro. Das Ebitda sank im Jahresvergleich marginal von 5,03 Milliarden auf 4,98 Milliarden Euro. Vor Steuern lag der Profit mit 1,6 Milliarden Euro um ein Viertel unter dem Vorjahreswert.

T-Mobile: In der Handy-Sparte konnten die Einnahmen um 53 Prozent auf 9,14 Milliarden Euro gesteigert werden. Dies liegt zum großen Teil daran, dass die US-amerikanischen Mobilfunker Voicestream und Powertel in die Bilanz aufgenommen worden sind. Das Ebitda wuchs um 86 Prozent auf 2,56 Milliarden Euro, der Vorsteuerverlust schrumpfte um sieben Prozent auf 1,5 Milliarden Euro.

T-Systems: Der IT-Dienstleister der Telekom musste erneut Umsatzeinbußen hinnehmen. Die Einnahmen betrugen 5,5 Milliarden Euro, 3,5 Prozent weniger als im ersten Halbjahr des Vorjahres. Das Ebitda kletterte im Jahresvergleich um 42,6 Prozent auf 509 Millionen Euro. Vor Steuern fiel wie im Vorjahr ein Verlust an, der sich jedoch auf minus 536 Millionen Euro verdoppelte.

T-Online: Der Umsatz der Online-Sparte stieg im ersten Halbjahr auf 738 Millionen nach 539 Millionen Euro im Vorjahr. Ein Quartal früher als erwartet rutschte das Konzern-Ebitda ohne Sondereffekte im zweiten Berichtszeitraum mit 1,5 Millionen Euro in die schwarzen Zahlen. Damit konnten alle Erwartungen der Analysten übertroffen werden.