Bei der Netzplanung zukünftige ISDN-Entwicklung berücksichtigen:

Telekom muß Teil des Gesamtkonzepts sein

26.08.1983

Der unterschiedliche Angang des Themas "Telekommunikation" - aus DV, Textverarbeitung oder Büroorganisation - hat in den Unternehmen zu unterschiedlichen Insellösungen für die Kommunikation geführt. Werner Schmidt, Berater im Fachgebiet Telekommunikation bei SCS in Frankfurt, hält dies für wenig sinnvoll und zudem für unökonomisch: Er plädiert statt dessen für ein Kommunikations-Gesamtkonzept.

In den meisten größeren Unternehmen gibt es zunächst die zentrale DV-Anlage, an die Terminalarbeitsplätze angeschlossen sind. EDV-Fachleute oder Sachbearbeiter der verschiedensten Fachgebiete kommunizieren hierüber mit dem Rechner. Daneben finden sich heute fast überall separate Systeme zur Textverarbeitung. Diese Systeme werden als Telekommunikationsbausteine insbesondere dann interessant, wenn sie - wie es zum Beispiel der Telex- oder Teletex-Dienst der Deutschen Bundespost ermöglicht - an ein Übertragungsnetz angeschlossen werden, sei es ein öffentliches Netz, sei es ein vergleichbares Inhouse-Netz: eine zweite Kommunikationsinfrastruktur.

Daneben gibt es eine dritte Infrastruktur: das Telefon, das in Verbindung mit einer Nebenstellenanlage mehr als nur Sprachkommunikation abwickeln kann. Insbesondere im Zusammenhang mit der Digitalisierung von Sprache ergeben sich Möglichkeiten, Daten, Text, Bild und Sprache über ein einziges Vermittlungssystem, eine PABX-Anlage (private automated branch exchange), zu führen.

Eine vierte Kommunikationsinfrastruktur im Unternehmen entsteht möglicherweise durch externe Kommunikation: Postdienste wie Bildschirmtext, Teletex, Telefax oder die verschiedenen Datenkommunukationsdienstec (Datex-P, Datex-L, Direktrufnetz) laufen neben den internen Kommunikationsdiensten einher, obwohl sie auf Informationen der internen Abläufe zugreifen müssen.

Neben diesen kommunikationsartspezifischen Lösungen gibt es häufig auch noch abteilungsspezifische. Am deutlichsten wird dies bei den Endgeräten, wo zumeist unterschiedliche, weder untereinander kompatible noch kommunikationsfähige Systeme beschafft werden. Das derzeit häufigste Bespiel: die Personal Computer.

Insellösungen: Weder sinnvoll noch ökonomisch

Daß dies insbesondere vor dem Hintergrund der Entwicklung der Kommunikation über Postnetze hin zur Vereinheitlichung unter dem Schlagwort "Integrated Services Digital Network" (ISDN) nicht sinnvoll, im allgemeinen sogar sehr unökonomisch ist, wird in zunehmendem Maße von Anwendern erkannt.

Doch Fragestellungen wie

- Welche der vorhandenen Kommunikationsinfrastraukturen sollen weiter ausgebaut werden?

- Ist eine einheitliche Struktur möglich, und wenn ja, welche?

- Wo ist eine einheitliche Struktur sinnvoll?

- Welche Zukunftssicherheit bietet eine ausgesuchte Lösung?

zeigen die Komplexität einer Unttersuchung, die zu einer kostengünstigeren Losung führen soll: dem Kommunikations-Gesamtkonzept.

Um gleich einem häufigen Mißverständnis vorzubeugen, sei darauf hingewiesen, daß das Kommunikations-Gesamtkonzept nicht notwendigerweise in ein allumfassendes Kommunikationssystem mündet. So gibt es häufig Unternehmensabteilungen, die zwar interne Kommunikation betreiben, aber keine Kommunikationsströme aus der Abteilung heraus haben; die abteilungsspezifische Insellösung muß zwar nicht Bestandteil des unternehmensweiten Kommunikationsnetzes werden, wohl aber des Kommunikations-Gesamtkonzepts.

Realisierungsschritte

1) Zieldefinition/Planermittlung: In diesem Schritt wird aus der kurz- und mittelfristigen Planung des Unternehmens die zukünftige Organisationsstruktur und die zukünftige Einbindung der einzelnen Bereiche in das Unternehmen abgeleitet. Diese Kenntnisse sind erforderlich, da Strukturänderungen im allgemeinen auch Informationsflußänderungen bedingen.

2) Anforderungsanalyse: Dieser Schritt beinhaltet die Ermittlung des objektiven Kommunikationsbedarfs auf der Basis von Aufbau- und Ablauforganisation sowie eventueller interner und externer Anforderungen und der objektiven Kommunikationsflüsse nach Zeit (Häufigkeit, Dringlichkeit), Menge, Art/Struktur (Text, Daten, Sprache, Bild) und Richtung. Auf der Basis dieses Kommunikationsbedarfs und der Kommunikationsflüsse sowie der Aufbauorganisation werden ablauforganisatorische Anforderungen festgelegt. Zuletzt werden die aus Anwendersicht relevanten Kommunikationsbeziehungen erhoben, und zwar sowohl quantitativ als auch qualitativ.

Die Einbeziehung auch der Organisation in die Untersuchung ist erforderlich, da Telekommunikation immer weitergehende Konsequenzen für die Organisation des Informationsaustausches innerhalb des Unternehmens hat. Mit ihrer Einführung entstehen neue Formen der Zusammenarbeit beziehungsweise geht eine Neuverteilung von Aufgaben einher (etwa im Sekretariat) oder fallen ganze Bereiche (zum Beispiel Datenerfassung) weg.

Eine Abteilung des Kommunikationsbedarfs aus Organigrammen oder eine Beschränkung der Untersuchung auf eine Kommunikationsart, von der aus dann auf weitere Kommunikationsbeziehungen und Informationsströme geschlossen wird, kann zu schwerwiegenden Fehlschlüssen und -prognosen führen. Aus der Zahl der Telefongespräche und der Dienstreisen kann zum Beispiel nicht notwendigerweise auf eine Ersatzbarkeit des entsprechenden Informationsflusses durch elektronische Kommunikation geschlossen werden.

3) Modellbildung: Nach einer Aufteilung der in der Anforderungsanalyse ermittelten Kommunikationsanforderungen in

- bereichsinterne,

- bereichsexterne, unternehmensinterne,

- unternehmensexterne.

Kommunikation und der Aufbereitung der Zeit-/Mengengerüste sowie der Art und Richtung der Kommunikationsströme wird ein Kommunikationsmodell gebildet, das folgende Aspekte berücksichtigt:

- Verteilungsaspekte (lokal/global, zentral/dezentral),

- systemtechnische Aspekte (Groß-EDV, Textsysteme, Arbeitsplatzsysteme/Mikrocomputer, sonstige "Kommunikationsgeräte"),

- netztechnische Aspekte

- Netztechnik (integriertes Netz? separate Netze?),

- Netztopologie,

- Übertragungstechnik,

- Netzdienste (Telex, Teletex, Telefax, Nebenstellenanlagen, Btx, LAN, Electronic Mail etc.),

- Endgeräte,

- organisatorische Aspekte (Einbettung in Ablauforganisation, Randbedingungen bei Informationserstellung).

4) Modellbewertung und -auswahl: Um zu einer objektiven Bewertung des Modells zu gelangen beziehungsweise bei mehreren Modellen eine Auswahl treffen zu können, werden sowohl eine Nutzwertanalyse als auch eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung angestellt. Dabei werden der quantifizierbare (Investitionskosten, laufende Kosten) und der nichtquantifizierbare Nutzen (Informationsgewinn Zeitgewinn, Sicherheitsgewinn, Steuerungsgewinn) einbezogen.

Erst in diesem Schritt findet der Ist-Zustand, der entweder bereits vorliegt oder parallel zu den bisherigen Schritten ermittelt wurde, Berücksichtigung. Das Lösungsmodell basiert rein auf dem Soll, dem Ergebnis der Anforderungsanalyse. Dieser Weg wird gewählt, da er nur die wirklich erforderlichen Kommunikationsanforderungen des Unternehmens zur Lösung heranzieht und nicht eventuell historisch bedingte Kommunikationsflüsse. Damit erwächst ein größeres Optimierungspotential: Nicht die Umstellung des Berichtswesens zum Beispiel vom handschriftlichen Formular auf Textkommunikationsdienste und -geräte bietet das große Kosteneinsparungspotential, sondern das kritische Hinterfragen, ob die Informationen des Berichtswesens wirklich an alle Unternehmensabteilungen übermittelt werden müssen.

5) Konzeption: Das bewertete und ausgewählte Modell wird auf den Ist-Zustand abgebildet. Daraus wird eine Konzeption für die Kommunikation des Unternehmens erarbeitet, die sowohl die "Endkonfiguration" von Organisation und Technik als auch die Schritte, die vom derzeitigen Zustand dorthin führen, beinhaltet. Außerdem wird eine detaillierte Kosten-/Nutzenbetrachtung zum Vergleich der bestehenden Lösung mit der neuen Konzeption durchgeführt.

6) Realisierungsplan: In einem Realisierungsplan werden Vorgehensweise, Kosten und Zeitplanung zur Realisierung des Kommunikations-Gesamtkonzepts festgelegt.

Fazit

Kommunikation bietet Rationalisierungspotential, wenn

- ein Kommunikations-Gesamtkonzept vorliegt und nicht Insellösungen;

- nicht nur die Technik, sondern auch die Organisatikon mit einbezogen ist;

- von den objektiven Erfordernissen und nicht vom Ist-Zustand ausgegangen wird.