Walldorfer haben bei Behörden noch Nachholbedarf

Telekom lehnt SAPs Personalabrechnung ab

04.10.1996

Nicht alles, was die Walldorfer Softwareschmiede an Erfolgen vermeldet, verdient diesen Namen. Vor einigen Monaten meldete SAP stolz, daß sich die Deutsche Telekom im Bereich der Personalwirtschaft zum Einsatz von R/3 entschieden hätte. Auf Nachfragen der COMPUTERWOCHE teilte Frank Hoffmann aus der Bonner Telekom-Zentrale mit, daß der Konzern sich zwar definitiv zum Einsatz des HR-Moduls entschlossen habe die Personalabrechnung werde jedoch mit dem von etlichen Experten als veraltet angesehenen System Paisy der GSI Paisy Datensysteme abgewickelt.

"Wir haben zu Paisy derzeit überhaupt keine Alternative", erklärt Hoffmann die Entscheidung der Telekom. "R/3 ist für Beamtengegebenheiten nicht parametrisierbar." SAP arbeite zwar daran, entsprechende Einstellmöglichkeiten im HR-Modul zu integrieren. Dies dauere der Telekom aber zu lange. "Wir haben eine Deadline für die Einführung unserer Personalabrechnung", berichtet Hoffmann. "R/3 ist noch nicht soweit."

Im Gegensatz zur Telekom will die Deutsche Post AG das R/3-HR- Modul auch für die Personalabrechnung einsetzen. Die Post AG habe jedoch Probleme bekommen, meint Hoffmann.

Ursprünglich habe das Unternehmen die Personalabrechnung ebenso wie die Telekom zum 1. Januar 1997 umstellen wollen. Dies sei jedoch nicht zu schaffen, so der Telekom-Manager. "Die gehen jetzt in sehr viel langsameren Schritten vor, als man geplant hat, weil das Einstellen der Beamtenbesonderheiten ein Problem ist, das wohl unterschätzt wurde."

Christian Ritter aus dem HR-Vertrieb der SAP wehrt sich gegen diese Darstellung. Es sei zwar bei der Post AG tatsächlich so gewesen, "daß Termine in Frage gestellt werden mußten". Nach seiner Kenntnis könne aber der Einführungstermin 1. Januar 1997 gehalten werden. Der offizielle Terminplan der SAP für die Funktionalität der Beamtenabrechnung habe mit den Wünschen der Post nicht ganz übereingestimmt. Deshalb habe man gemeinsam beschlossen, die Terminierung für die Post vorzuziehen.

Die wesentlichen Teile der Beamtenabrechnung will SAP laut Ritter im Herbst auf den Markt bringen. Das sei für einen Einführungszeitpunkt zum 1. Januar 1997 etwas knapp, gesteht der SAP-Mann zu. Deshalb habe es jedoch eine besondere Terminierung für die Post gegeben. Die Funktionen für die Post AG "sind ganz überwiegend zur Verfügung gestellt", versichert Ritter. Der Termin zum 1. Januar 1997 sei "realistisch".

Bei der Post AG in Darmstadt will man sich zu möglichen Problemen bei der Einführung der SAP-Personalabrechnung nicht äußern. Das Unternehmen möchte das HR-Modul stufenweise unter Windows NT installieren. Im Endstadium sollen mit dem System etwa 300000 Mitarbeiter verwaltet werden. Der produktive Einsatz sei für "Anfang 1997" geplant, erklärte ein Verantwortlicher. Die Deutsche Telekom dagegen arbeitet nach Angaben von Hoffmann in den neuen Bundesländern schon seit 1992 zur vollen Zufriedenheit mit Paisy. "Ein Umschwenken auf SAP hätte uns Riesenprobleme gebracht."

Ein weiterer Großanwender, die Deutsche Bahn AG, hat sich ebenfalls gegen die Einführung der SAP-Personalabrechnung entschieden. Seit Juli wickelt das Unternehmen die Abrechnung der Löhne und Gehälter für etwa 210000 Mitarbeiter mit dem Paisy- System ab. Helmut Geißler, in der Projektleitung der Deutschen Bahn AG zuständig für die DV-technische Einführung des Systems, erklärt die Gründe für die Entscheidung: "Die Bahn hat ein relativ kompliziertes Tarifwerk. Das ist bei SAPs HR-Modul nicht so einfach abzubilden gewesen." Die grundsätzliche Entscheidung für Paisy sei bereits 1987 gefallen, weil das System für die Beamtenschaft schon eingeführt war, die etwa 50 Prozent der Bahnmitarbeiter ausmacht. Stefan Müller-Gißler, Marketing-Manager des SAP-Konkurrenten Peoplesoft, vermutet als Grund für die Entscheidung gegen das R/3-Abrechnungsmodul auch Performance- Probleme. Ab einer Anzahl von 10000 abzurechnenden Mitarbeitern könnte es mit R/3 massive Leistungsengpässe geben, behauptet Gißler.

Immerhin hat sich mit der Siemens AG auch ein Großanwen- der ohne Beamtenvergangenheit konzernweit gegen das HR-Modul entschieden, obwohl das Unternehmen in Kernbereichen wie Fertigungssteuerung, Rechnungswesen oder Materialwirtschaft R/3 einsetzt. Siemens arbeitet seit 1994 mit der Personalverwaltung von Peoplesoft.