Defizite im Content-Bereich

Telekom-Chef Ron Sommer frisiert T-Online radikal um

29.09.2000
MÜNCHEN (CW) - Die Zukunft von T-Online ist weiter ungewiss. Nach dem Köpferollen im Vorstand ist fraglich, wer das Ruder bei der Telekom-Tochter übernimmt und welche Ausrichtung der Service-Provider erhält.

Es gibt keinen Zweifel: Hinter dem Kehraus im Vorstand von T-Online steckt Telekom-Chef Ron Sommer. Nach dem Aus von Vorstand Wolfgang Keuntje und dem Marketing-Chef Ralf Eck sollen nun auch noch die drei verbliebenen Vorstandsmitglieder Christian Hoening, Bernd Reichert-Berg und das Btx-Urgestein Eric Danke ihren Hut nehmen. Das jedenfalls pfeifen die Spatzen von den Dächern. Sommer, so heißt es, seien die Defizite des Trios in Marketing und Vertrieb ein Dorn im Auge.

In der Tat gelang es dem Vorstand von T-Online - auch mit Keuntje an der Spitze - nicht, das biedere Image des Internet-Zugangsanbieters abzulegen. Die Truppe hatte es aber angesichts der Einmischungen seitens des Mutterkonzerns auch nicht leicht und stand nach dem Börsengang im Frühjahr unter gewaltigem Druck. Sommer soll Keuntje beim geplanten Kauf des britischen Service-Providers Freenet einen Strich durch die Rechnung gemacht haben, weil ihm der Preis zu hoch erschien. Andererseits zwang der Kursverfall der T-Online-Aktie den Telekom-Boss zum Handeln, da letztlich auch seine Reputation auf dem Spiel steht. Nur eine Rosskur kann dem Service-Provider nun helfen. Vorrangig ist dabei, dass T-Online endlich sein Angebot in Sachen Inhalte verbessert.

Das weiß auch Sommer, doch bislang kann die Internet-Tochter nur eine 20-prozentige Beteiligung an der Comdirect Bank vorweisen, ansonsten herrscht in puncto Content Fehlanzeige. Allianzen mit Medienanbietern und sonstigen Content-Providern sind aber dringend nötig, denn auf Dauer wird T-Online seine Einnahmen nicht in dem gewohnten Umfang aus dem Zugangsgeschäft schöpfen können. Derzeit erzielt das Unternehmen 90 Prozent seines Umsatzes mit Gebühren für den Internet-Zugang. Da in diesem Bereich aber sinkende Margen und Flatrates - sprich der Internet-Zugang rund um die Uhr zu einem monatlichen Festpreis - den Trend ausmachen, muss die Company andere Einnahmequellen erschließen.

Unklar und zögerlich ist auch die internationale Strategie von T-Online. Derzeit verfügt die Company nur über ein Engagement in Österreich, Frankreich, Spanien und Portugal, gerät aber durch Aktivitäten anderer Service-Provider wie Lycos Europe oder die Fusion der italienischen Tiscali mit der niederländischen World Online Group unter Druck.

Für die Zukunft von T-Online ist daher wichtig, rasch eine präzise Auslands- und Content-Vision zu entwickeln und vor allem umzusetzen. Wer diese undankbare Aufgabe mit Ron Sommer im Rücken in Angriff nimmt, ist weiterhin unklar. In der Diskussion ist Bernd Kolb, der Chef des Internet-Dienstleisters I-D-Media. Gerüchten zufolge möchte die Telekom sich mit 50 Prozent an dem Berliner Unternehmen beteiligen. Ein Sprecher der Telekom wollte diese Spekulationen nicht kommentieren.