Premium-Abo kommt

Telegram bittet User zur Kasse

20.06.2022
Von Redaktion Computerwoche
Die umstrittene Instant-Messaging-Plattform Telegram will noch im Juni 2022 eine zahlungspflichtige Version einführen.
Telegram will Nutzer künftig zur Kasse bitten.
Telegram will Nutzer künftig zur Kasse bitten.
Foto: Taves - shutterstock.com

Ein Teil der rund 700 Millionen Telegram-Nutzer soll künftig mithilfe eines Premium-Abomodells zur Kasse gebeten werden. Noch hat das Unternehmen nicht bekannt gegeben, welchen Betrag es für die Premium-Stufe verlangen wird, laut TechCrunch ist aber wohl ein monatlicher Beitrag zwischen fünf und sechs US-Dollar im Gespräch.

Zahlungswillige Kunden sollen im Gegenzug zusätzliche und verbesserte Funktionen erhalten. Beispielsweise werden sie Dateien mit einer Größe von bis zu 4 GB versenden können (vorher 2 GB) und schnellere Download-Möglichkeiten bekommen. Sie werden zudem in die Lage versetzt, bis zu 1.000 Kanälen zu folgen (500 für kostenlose Nutzer) und bis zu 20 Chat-Ordner mit je maximal 200 Chats anzulegen. Premium-Nutzer können der App außerdem bis zu vier Konten hinzufügen, und sie haben die Möglichkeit, Sprachnachrichten in Texte umzuwandeln, besondere Sticker zu nutzen und animierte Bilder als Profilfotos zu verwenden. Außerdem wird ihnen Werbefreiheit garantiert.

Erster Messenger mit zahlungspflichtigem Premium-Angebot

Telegram teilte mit, es wolle die Weiterentwicklung seines Dienstes generell lieber von Nutzern als von Werbetreibenden beeinflussen lassen. Der Vorstoß des in Dubai ansässigen Unternehmens ist eine Premiere: Konkurrenten wie WhatsApp, Signal oder die Messenger von Facebook, Apple und Google bieten keine Premium-Abos an. Pavel Durov, Gründer und Geschäftsführer von Telegram, sagte Anfang Juni, mit der Premium-Variante reagiere man vor allem auf die Nachfrage der Nutzer nach zusätzlichem Speicherplatz und mehr Bandbreite.

"Uns ist klar geworden, dass die einzige Möglichkeit, unseren anspruchsvollsten Fans mehr zu bieten und gleichzeitig unsere bestehenden Funktionen kostenlos zu halten, darin besteht, höhere Limits als kostenpflichtige Option anzubieten", sagte er. Im März 2021 hatte Telegram über eine Milliarde Dollar von einer Reihe von Investoren eingesammelt, darunter Mubadala und Abu Dhabi Catalyst Partners. Zu diesem Zweck hatte das Unternehmen vorbörslich Wandelanleihen mit fünfjähriger Laufzeit verkauft.

Durov will die wichtigsten Kernfunktionen der App weiter kostenlos zugänglich machen und auch für die nicht zahlende Zielgruppe neue Features entwickeln. So gab das Unternehmen bekannt, dass User künftig Beitrittsanfragen stellen können, um einer öffentlichen Gruppe beizutreten. Sie benötigten dafür keinen Einladungslink mehr. Eine weitere neue Funktion, die für alle frei nutzbar ist, ermöglicht es verifizierten Gruppen und Kanälen, ihre Badges am oberen Rand des Chats anzuzeigen. Das neue Update unterstützt auch das Rendern von Animationen mit 120 Bildern pro Sekunde für neuere iPads und iPhones.

Erst im Mai hatten die Analysten von Sanford C. Bernstein Telegram attestiert, mit seinen Funktionen "zunehmend wettbewerbsfähig" zu sein. Der Dienst habe WhatsApp und dem Facebook Messenger signifikante Marktanteile abgenommen. Mit einem Marktanteil von 34 Prozent sei Telegram im zweiten Quartal 2022 die Nummer zwei hinter Whatsapp (42 Prozent) und vor dem Facebook Messenger (20 Prozent).

Umstrittene Plattform

Für offene, demokratische Gesellschaften ist das keine gute Nachricht: Telegram wird gerne von Verschwörungstheoretikern und radikalen oder sogar kriminellen Gruppen genutzt. Das Unternehmen kommt Löschanfragen auch bei illegalen Inhalten sowie Hass- und Hetz-Messages kaum nach, was bereits mehrfach die Politik auf den Plan gerufen hat. ARD-Journalisten zählten zwischen November 2021 und Januar 2022 rund 250 Mordaufrufe auf Telegram. Das Bundeskriminalamt hat eine Taskforce zur Beobachtung des Dienstes eingerichtet, auch der Verfassungsschutz beobachtet bestimmte Nutzer. (hv)