Kolumne

Telefonieren als kostenloses Add-on

07.12.2004

Eigene Vorwahlnummern für die Internet-Telefonie, Pauschalangebote für das Telefonieren mit Voice over IP (VoIP), günstige VoIP-TK-Anlagen auf Linux-Basis - selbst der letzte Skeptiker wird angesichts solcher Meldungen nicht mehr leugnen können, dass die Zeit für die Sprachkommunikation auf IP-Basis reif ist. Beispiele wie das der Sparkasse Bad Tölz-Wolfratshausen, die ihre klassische TK-Anlage abschaltete und auf VoIP migrierte (siehe CW 48/04, Seite 40), belegen dies auch in der Praxis.

Die IP-Telefonie könnte im TK-Business für größere Umwälzungen sorgen als die 1998 viel gefeierte Liberalisierung des TK-Marktes. Denn mit der neuen Technik verliert das klassische Telefonnetz der einstigen Monopol-Carrier wie der Deutschen Telekom seinen Wert als strategisches Faustpfand. Neue Marktteilnehmer sind nun in der Lage, ohne eigene Infrastruktur den einst übermächtigen Telcos in ihrer ureigensten Domäne, der Sprachkommunikation, Konkurrenz zu machen. Und wie reagieren die Carrier? Sie nutzen die gleiche Technik, um in fremden Revieren zu wildern, wie etwa die Telekom-Tochter T-Online in Frankreich oder British Telecom und Telefónica in Deutschland. Ein Konkurrenzkampf, der bei den Minutenpreisen für das Telefonieren eine neue Preisspirale nach unten in Gang gesetzt hat. Anwender, egal ob im heimischen Bereich oder im professionellen Umfeld, sollten sich deshalb momentan nicht langfristig an einen Anbieter binden, denn erste Offerten deuten darauf hin, dass die Sprachtelefonie bald als kostenloses Add-on zum Breitbandanschluss geliefert wird.

Die Umwälzungen im Carrier-Segment sind jedoch nur eine Seite der Internet-Telefonie-Medaille - auf der anderen Seite droht die VoIP-Revolution ihre eigenen Kinder zu fressen: Unternehmen wie Cisco oder Avaya, die sich erfolgreich als Anbieter von VoIP-TK-Anlagen positionieren konnten und die klassischen Anlagenbauer in Bedrängnis brachten, droht nun selbst Konkurrenz. Dank der offenen Protokolle, auf denen die IP-Sprachkommunikation basiert, können sie nicht mehr alleine mit dem Pfund der Sprachvermittlung wuchern, denn das entsprechende Know-how ist Open Source. Mit Asterisk (siehe Seite 20) existiert bereits ein Linux-Projekt, das durch PC-Komponenten nicht nur günstiger als eine VoIP-Anlage der IT-Hersteller ist, sondern wegen seines modularen, offenen Aufbaus individuell an die unternehmensspezifischen Anforderungen angepasst werden kann.

Die technischen Weichen in ein neues Kommunikationszeitalter sind also gestellt, jetzt liegt es am Mut und Innovationswillen der Anwender, ob sie die Chance nutzen.