"Süddeutsche"

Telefonbetrug nimmt drastisch zu

02.08.2010
Die Zahl betrügerischer Telefonanrufe nimmt nach einem Zeitungsbericht drastisch zu.
Will den Betrügern das Handwerk legen: Justizministern Sabine Leutheusser-Schnarrenbeger (FDP)
Will den Betrügern das Handwerk legen: Justizministern Sabine Leutheusser-Schnarrenbeger (FDP)
Foto: BMJ

Dies gehe aus einem Bericht der Aufsichtsbehörde für die Telefonbranche hervor, bei der immer mehr geschädigte Bürger Anzeige erstatteten, meldete die "Süddeutsche Zeitung" am Samstag. Polizei und Justiz greifen demzufolge nur selten durch. Selbst bei großen Betrugsfällen finde "faktisch keine Strafverfolgung statt", heißt es in dem Bericht. Viele Ermittlungsverfahren würden "sanktionslos" eingestellt.

Der verbraucherpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Erik Schweickert, forderte mehr Entschlossenheit bei der Strafverfolgung. "Das ist alles Andere als ein Kavaliersdelikt bei dem man ein Auge zudrücken darf", erklärte er laut einer am Samstag verbreiteten Mitteilung. Zudem werde eine gesetzliche Korrektur immer notwendiger. "Das Gesetz der großen Koalition ist aus Verbrauchersicht ganz offensichtlich löchrig wie ein Schweizer Käse."

Der CDU-Medienpolitiker Wolfgang Börnsen sprach von einem "Skandal". "Ich erwarte von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, dass sie nach dem alarmierenden Bericht der Bundesnetzagentur umgehend ein umfassendes Konzept zur Eindämmung des Telefonterrors vorlegt", sagte Börnsen der Zeitung "Schleswig- Holstein am Sonntag". Polizei und Staatsanwaltschaften dürften auch nicht vor Hintermännern und Scheinfirmen im Ausland kapitulieren.

Bei der Bundesnetzagentur sind laut "SZ" von Januar bis April 2010 mehr als 66.000 Beschwerden wegen unlauterer Geschäftspraktiken eingegangen. In den ersten vier Monaten des Vorjahres seien es nur 14.000 gewesen. Oftmals riefen kriminell agierende Firmen mit Hilfe von Sprachcomputern massenweise Verbraucher an und teilten ihnen per Bandansage mit, sie hätten ein wertvolles Auto gewonnen. Um den Gewinn einzulösen, müsse eine 0900-Servicenummer gewählt werden. Wer das befolge, lande aber in teuren Warteschleifen und werde mit hohen Telefongebühren belastet. An die Täter komme man meist nicht heran, da sie oft im Ausland säßen, wo sie Scheinfirmen gegründet hätten.

Leutheusser-Schnarrenberger will Betrügern das Handwerk legen

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger (FDP) will Telefonbetrügern das Handwerk legen. Falsche Gewinnversprechen von Betrügern am Telefon seien "ganz klar" strafbar, sagte sie der "Süddeutschen Zeitung" (Montag). Die Bundesministerin forderte von ihren Länderkollegen rasche Aufklärung, warum die Täter bislang kaum zur Rechenschaft gezogen werden.

Nicht nur beim Telefonbetrug habe die Bundesnetzagentur eine deutliche Zunahme verzeichnet, sondern auch bei unerlaubten Werbeanrufen, hieß es. Mit diesen Anrufen versuchen Unternehmen, Verbraucher am Telefon zum Abschluss eines Vertrags zu bewegen. Sie sind - im Gegensatz zum Telefonbetrug - keine Straftat, sondern nur eine Ordnungswidrigkeit.

Vor einem Jahr hatte die große Koalition die Vorschriften verschärft. Seitdem müssen Firmen, die Kunden ohne Erlaubnis anrufen, mit Bußgeldern von bis zu 50.000 Euro rechnen. Bis zu 10.000 Euro werden fällig, wenn die Anrufer ihre Telefonnummer unterdrücken und damit eine Identifikation verhindern.

Das damals verabschiedete Gesetz wird derzeit im Bundesjustizministerium auf seine Wirksamkeit überprüft. "Wenn sich bei der Evaluierung herausstellt, dass das Gesetz zu zahnlos ist und deutliche Defizite beim Verbraucherschutz aufweist, dann müssen wir selbstverständlich Vorschläge zur Nachbesserung diskutieren", sagte Leutheusser-Schnarrenberger.

Der Kampf gegen unerlaubte Telefonwerbung ist in der Praxis kompliziert, sagte René Henn von der Bundesnetzagentur dem Berliner "Tagesspiegel". Vor allem sollten Verbraucher möglichst viele Details notieren - "wer hat angerufen, von wo, wann klingelte es und was hat der Anrufer gesagt?" Dann müsse die Agentur unter anderem klären, ob nicht doch eine Einwilligung des Kunden vorliegt. (dpa/tc)