Forderung nach verstärkter Anwenderintegration

Telecom-Anwendern in USA geht die Standardisierung zu langsam

01.05.1992

ORLANDO (IDG) - Hart mit sich selbst im Gericht gingen die Teilnehmer des diesjährigen American Telecommunications Standards Symposiums (ATSS).

Die internationalen TK-Standardisierungsgremien laufen nach Ansicht vieler Insider Gefahr, mit den Innovationszyklen der Industrie und den Marktbedürfnissen nicht mehr Schritt halten zu können. Ursache hierfür sei vor allem auch die mangelnde Integration der Anwender in den Standardisierungsprozeß.

Hauptkritikpunkt der meisten Teilnehmer der Veranstaltung war die langwierige Verfahrensweise bei der Erarbeitung, Definition und Verabschiedung von Standards. Konsequenz dieser Misere:

Die etablierten Gremien sind dabei, durch die ständig steigende Anzahl projektbezogener Anwendervereinigungen sowie herstellerübergreifender Arbeitsgruppen die Kontrolle über den Standardisierungsprozeß zu verlieren.

Um nicht weiter gegenüber der Konkurrenz dieser "inoffiziellen" Vereinigungen ins Hintertreffen zu geraten, ist, wie Ed Bonkowski, Chairman des International Communications Associations Committee on Technology and Standards, formulierte, "eine schnellere Spezifikation und Veröffentlichung von Standards" unabdingbar.

Die Zunahme diverser "Selbsthilfegruppen" dokumentiere, "daß wir dabei sind, das Heft aus der Hand zu geben", schrieb der Chairman seiner und anderen Organisationen ins Stammbuch.

Bestätigt wurde Bonkowski in seiner Philippika von Elizabeth Adams, Direktorin des Network Management Forums (NM), eines der angesprochenen Industriekonsortien, das mittlerweile rund 100 Firmen aus 18 Ländern umfaßt. Die NM-Verantwortliche brachte die Problematik der meisten Standardisierungsgremien auf den Punkt.

"Zahlreiche Anwender haben den Eindruck, daß von dort die eigentlich notwendige Orientierungshilfe nicht mehr kommt und die verabschiedeten Standards - gemessen an der dann bereits verfügbaren Technologie - nicht mehr aktuell sind."

Sprecher zahlreicher Anwendervereinigungen beklagten, daß sich die für die Standardisierung verantwortlichen Organisationen mehr und mehr im "luftleeren Raum bewegen" und dabei sind, jeglichen Praxisbezug zu verlieren. Dies sei Resultat einer falschen Politik, die lediglich vorsah, die Benutzer über bereits verabschiedete Standards in Kenntnis zu setzen, sie aber bei der Erarbeitung und Beschlußfassung überwiegend nicht miteinzubeziehen.

Ein weiterer Grund für die zu geringe Orientierung an den Bedürfnissen der Anwender sei der nicht effiziente innerbetriebliche Informationsaustausch bei den Herstellerfirmen. Dort wisse man zwar durch die jeweiligen Marketing- und Vertriebskanäle in der Regel sehr genau über die Schwierigkeiten vor Ort Bescheid, gebe jedoch die erkannten Probleme oft nicht an die eigenen Vertreter in den Standardisierungsgremien weiter.