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Telcos: Tote Dose ohne Software

09.07.2007
Bei der Telekom kam es wegen der Gründung einer Service-Gesellschaft zur Sicherung des Überlebens zum Streik. Dabei entscheiden in den Augen von Matt Bross, CTO bei BT, künftig Software-Lösungen über die Zukunft der Carrier und weniger das Thema Services.
Matt Bross, CTO bei BT, sieht künftig die Rolle der Carrier als Software-Anbieter.
Matt Bross, CTO bei BT, sieht künftig die Rolle der Carrier als Software-Anbieter.
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Sollen erfolgreiche Web-Konzerne wie Ebay künftig für den von Ihnen verursachten Verkehr bezahlen, wie unter dem Stichwort Netzneutralität diskutiert? Sollen die ehemaligen Staats-Carrier bei der Einführung neuer Technologien einen Investitionsschutz erhalten, wie ihn etwa die Telekom für VDSL fordert? Ist der Gedanke eines offenen Internets für alle angesichts des explodierenden Bandbreitenbedarfs von Consumer-Anwendungen wie YouTube noch zeitgemäß? Fragen wie diese zeigen, dass die weitere Entwicklung des TK-Marktes und die künftige Rolle der Carrier an einem entscheidenden Wendepunkt steht.

Matt Bross, CTO der British Telecom Group, geht angesichts dieser Herausforderungen in seinen Einschätzungen noch einen Schritt weiter. Er sieht auf die klassischen Telcos einen grundsätzlichen Wandel ihrer Geschäftsmodelle zukommen: "Früher agierten die Carrier als Infrastruktur-Betreiber, heute sind sie in der Rolle eines Service-Anbieters und künftig werden sie als Lösungsanbieter von Kommunikations-Software handeln." Auf den ersten Blick klingt die Einschätzung von Bross, der als Regional Director für Europa auch in der Global Information Infrastructure Commission (GIIC) sitzt, wenig nachvollziehbar. Einwände gegen seine Meinung kontert Bross mit einem Argument, das kaum zu widerlegen ist: "Die Innovationszyklen in Sachen TK-Hardware halten nicht mehr mit der Geschwindigkeit Schritt, mit der sich die Anforderungen der Anwender ändern und diese nach Innovationen verlangen." Der Cheftechniker verdeutlicht seine These gleich an einem Beispiel: So sei etwa in der Vergangenheit der Wunsch der Anwender nach Voice-Messaging-Systemen im Mobilfunk und Festnetz im Wesentlichen über die Hardware der entsprechenden Netze abgedeckt worden. Heute, im Zuge der Konvergenz-Diskussion und der Unified-Communications-Anforderungen, verliere dagegen die darunter liegende TK-Hardware ihre Bedeutung, "denn den Wunsch nach einer Messaging-Plattform für Voice, E-Mail oder Video können sie als Carrier nur mit einer Software-Lösung realisieren", verdeutlicht Bross. Gleichzeitig werde das Denken in Kommunikationsanwendungen immer mehr dazu führen, dass für die Telcos die reine Transportleistung, also die Vermittlung von Telefonminuten oder der Weitertransport von IP-Paketen, als Einnahmequelle immer weiter an Bedeutung verliere. So erwirtschafte BT bereits heute nur noch neun Prozent des Umsatzes mit der reinen Telefonie.

Dieser Paradigmenwechsel führt für Bross noch zu einer weiteren Konsequenz: "Eine Internet-Maut für Web-Schwergewichte wie im Zuge der Netzneutralitäts-Diskussion angedacht, wird es nicht geben." Ebenso wenig glaubt er an eine künftige Zweiklassengesellschaft im Internet, also ein langsames Netz für die Consumer und eine exklusive Datenrennstrecke für zahlende Nutzer. Zumal diese Debatte für ihn obsolet ist, denn im Zuge der Serviceorientierung sei bereits ein Zweiteilung im Netz eingeführt worden - etwa in Form von Angeboten mit fest definierten QoS für professionelle Anwender und auf der anderen Seite für den normalen IP-Transport.

Mittel- beziehungsweise langfristig muss die Positionierung der Carrier als Lösungsanbieter zudem zu einer Änderung der Regulierungspolitik führen. Für Bross passt in dieses Szenario nämlich eine Regulierung, die auf dem Infrastrukturwettbewerb – etwa um die Letzte Meile oder wie hier in Deutschland bei VDSL – basiert, nicht. Er ist davon überzeugt, dass die Netzbetreiber in naher Zukunft ihre Infrastrukturen öffnen sollten, so dass alle Beteiligten "diskriminierungsfrei" auf die Technik zugreifen können. Der eigentliche Wettbewerb fände dann auf der Ebene der Kommunikationsapplikationen statt. (hi)