Pauschaltarifen gehört die Zukunft

Telcos müssen Servicebündel für ihre Kunden schnüren

15.10.1999
FRANKFURT/MAIN (pg) - Mit Dumpingpreisen allein ist im Telefongeschäft kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage von Andersen Consulting unter 101 Managern europäischer Carrier und Service-Providern. Der Trend geht Richtung mehr Service, Bündelung von Produkten und Flat Rate.

Noch sind keine zwei Jahre seit der endgültigen Liberalisierung des deutschen TK-Marktes vergangen, da ist die Euphorie unter den Anbietern längst verflogen. "Von der Goldgräberstimmung der Telco-Chefs hierzulande ist nur noch wenig zu spüren", gibt Thomas Herbst, bei Andersen Consulting für den Bereich Telekommunikation in Mitteleuropa verantwortlich, seinen Eindruck vom derzeitigen Stimmungsbild in den Führungsetagen der Provider wieder. Aus dem Goldrausch der ersten Tage ist ein Abwerbungskrieg unter den Anbietern entstanden, der, so der Tenor der meisten Befragten, für alle Dienstleister mehr oder weniger ruinös ist.

Doch nicht nur unter den Carriern, auch beim Verbraucher zeigen sich Ermüdungserscheinungen. Nach Ansicht der Interviewten läßt die Bereitschaft unter den Kunden zunehmend nach, zeitaufwendige Tarifvergleiche anzustellen. Bis zum Jahr 2002 gehen 85 Prozent der in Deutschland Befragten 26 Telcos davon aus, daß der Konsument "markentreu" sein wird und alle Services aus einer Hand bevorzugt.

Doch was für die Bundesrepublik gilt, so der Report, hat auch in den übrigen untersuchten europäischen Staaten Frankreich, Österreich, Großbritannien, Schweiz, Spanien und Italien in der Regel seine Gültigkeit. "Der deutsche Markt, in dem der Liberalisierungsprozeß einen dramatischen Verlauf genommen hat, kann mit seiner Entwicklung als Vorreiter für andere Länder gesehen werden", analysiert Herbst die Umfrageergebnisse. Sein Fazit: Der Wettbewerb über die Preisstruktur wird vom Konkurrenzkampf beim Service abgelöst. Das Gros der befragten Anbieter sieht in der Verbesserung der Servicequalität sowie in der Bündelung von Produkten die Zukunftschance. Die Kunden, so ihre Annahme, sind auch bereit, für höhere Qualität mehr zu bezahlen.

Ein Konsens besteht unter den Teilnehmern der Umfrage auch weitgehend in Sachen Marktkonsolidierung. Insgesamt glauben 78 Prozent an eine weitere Konzentrationswelle, in Deutschland sogar 88 Prozent. Fast drei Viertel der Führungskräfte erwarten in den nächsten zwei Jahren einen Verdrängungswettbewerb und geringe Margen.

Aufgrund der sinkenden Margen gehen knapp zwei von drei der Telcos und Provider davon aus, künftig nicht mehr allein als Telefondienstleister am Markt bestehen zu können. Laut Andersen Consulting müssen sie dringend neue Geschäftsmodelle entwickeln, um Umsatzanteile über den E-Commerce zu generieren. "Aber noch agieren die Telcos nicht, sondern überlassen anderen das Feld", resümiert Herbst und warnt: "Wer den Anschluß an die elektronische Wirtschaft verschläft, hat kaum Überlebenschancen." Nach Ansicht des Beraters müssen die Geschäftsmodelle der Telcos über die reine Transportleistung von Bits und Bytes hinausgehen. Denkbar wäre zum Beispiel die Lieferung von Inhalten oder ein Dienstleistungsangebot von Invoice-Services.

Unerläßlich für die Anbieter ist in Zukunft auch eine wesentliche stärkere Kundenbindung. Die Kunst wird dabei sein, die Produkt- und Tarifbündel so zu schnüren, daß sie vom Kunden auch verstanden werden. Eine Ein-Produktstrategie, so der Report, ist am Markt künftig nicht mehr durchzuhalten.

In der Diskussion ist dabei in jüngster Zeit immer wieder die Flat Rate, das heißt Pauschaltarife für den Anwender, im Gegensatz zu den heute üblichen nutzungsabhängigen Preisen. In den USA finden solche Modelle bereits Anwendung, wobei Ortsverbindungen in der Regel kostenlos sind. Solange es jedoch keinen echten Wettbewerb im Local Loop gibt, werden Flat-Rate-Angebote Andersen Consulting zufolge nicht realisiert werden können.

Die Haltung gegenüber Flat Rates ist in Europa geteilt. An dieses Preismodell glaubt mit 49 Prozent knapp die Hälfte der Befragten, in Deutschland sind es 60 Prozent. Ähnlich verhält es sich bei kostenfreien Ortsgesprächen. Das Gratistelefonat in der Nahzone erwarten in Europa 45 Prozent der Anbieter, hierzulande sind es 58 Prozent.