Nortel wird bereits als Übernahmekandidat gehandelt

Telco-Ausrüster stehen mit dem Rücken zur Wand

02.11.2001
MÜNCHEN (CW) - Im weltweiten TK-Ausrüstergeschäft hat sich der katastrophale Trend der letzten Monate durch die jüngsten Ergebnisse von Lucent Technologies und Nortel Networks verstärkt - so weit das überhaupt noch möglich war. Für beide Anbieter stellt sich die Existenzfrage; eine Erholung des Marktes ist kaum in Sicht.

Die frühere AT&T-Tochter Lucent wies für das vierte Quartal einen Rekordverlust von 8,8 Milliarden Dollar aus. Rund 7,9 Milliarden Dollar gehen dabei auf das Konto des laufenden massiven Konzernumbaus sowie die Abschreibung unverkäuflicher Lagerbestände; gleichzeitig musste das Unternehmen aber auch einen operativen Verlust von 909 Millionen Dollar hinnehmen - bei einem Umsatz von 5,2 Milliarden Dollar.

"Strukturkrise" des Marktes hält anDass die Einnahmen von Lucent damit um rund 15 Prozent unter denen des dritten Quartals beziehungsweise um 28 Prozent unter dem Umsatz der Vergleichsperiode des Vojahres lagen, spiegelt nur die derzeit offizielle "Performance" des Telco-Ausrüster-Marktes wieder. Die Ursachen, die dahinter stecken, sind aber auch weitgehend bekannt: dramatische Rückgänge der Investitionen seitens der Carrier (vor allem in optische Netze), damit einhergehend eine kritische Überprüfung des tatsächlichen Bedarfs, hohe Lagerbestände der Ausrüster sowie ein rapider Preisverfall, da der Markt zudem von neuwertigem Equipment aus der Konkursmasse insolventer Service-Provider überschwemmt wird.

Ratlosigkeit bei den PrognosenLucent-CEO Henry Schacht gab denn auch einen insgesamt wenig optimistischen Ausblick. "Wir können uns derzeit auf keine sicheren Prognosen verlassen", so seine Einschätzung in einer Analystenkonferenz. Derzeit stelle man sich für das Geschäftsjahr 2002 auf einen Marktrückgang von mindestens zehn Prozent ein. Ideen, wie die eigenen Verkäufe wieder anzukurbeln seien, gibt es bei Lucent offenbar momentan nicht. Schacht zufolge soll der bis März kommenden Jahres geplante radikale Personalabbau auf dann nur noch 60000 Mitarbeiter der Company entsprechende Luft auf der Kostenseite bringen und spätestens im Fiskaljahr 2003 wieder für eine Bruttomarge von über 30 Prozent sorgen.

Analysten zeigten sich denn auch, was die Zukunft von Lucent angeht, eher skeptisch. Nicht nur, weil Schacht selbst die Aussichten für das erste Quartal des neuen Geschäftsjahres noch einmal nach unten korrigierte und zudem den Verkauf der Glasfasersparte an den japanischen Konzern Furukawa noch unter Dach und Fach bringen muss, sondern weil man innerhalb der Financial Community derzeit kaum Anzeichen für eine Markterholung sieht. Immer mehr Experten rechnen daher mit einer Konsolidierung der Szene - entsprechende Spekulationen machen die Runde. So gilt der kanadische Telco-Riese Nortel, der vor gut einer Woche für sein drittes Quartal einen im Vorjahresvergleich dramatisch von 6,7 auf 3,7 Milliarden Dollar gesunkenen Umsatz samt einem Nettoverlust von knapp 3,5 Milliarden Dollar melden musste, als heißer Übernahmekandidat, auf den Cisco Systems ein Auge geworfen hat. Cisco-Chef John Chambers dementierte zwar umgehend, ließ sich aber durch die Aussage, man könne sich "punktuelle Kooperationen etwa im Bereich drahtloser Kommunikation" durchaus vorstellen, ein Hintertürchen offen. Ohnehin gelten die Kalifornier, nachdem jetzt auch Anbieter wie JDS Uniphase und Corning enttäuschende Ergebnisse abgeliefert haben, als heimliche Sieger im Telco-Ausrüster-Markt. Für Cisco spreche jedenfalls, so Branchenkenner, das breitere Produktportfolio (nur 30 Prozent der Cisco-Umsätze stammen aus dem Geschäft mit Carriern) sowie die vergleichsweise sehr stabile finanzielle Substanz.