"Tekki muss sein Terrain verlassen"

30.01.2007
Auch in der IT wächst vieles zusammen. Für die IT-Profis hat das gravierende Konsequenzen, wie Lothar Kornherr, Partner der gleichnamigen Personal- und Management-Beratung, in einem CW-Gespräch erläutert.

CW: Statt der technischen Genies, der Tekkis, sind heute Allrounder, die Mekkis, gefragt. Wie kam es zu dieser Entwicklung?

Hier lesen Sie ...

• warum sich Tekkis und Mekkis nicht verstehen;

• was Tekkis tun müssen, um gehört zu werden;

• mit welchem Know-how Tekkis in Zukunft überleben.

KORNHERR: In den letzten Jahren wurden immer mehr Aufgaben auf immer weniger Leute verteilt. Kostendruck sowie die mangelnde Verfügbarkeit von Fachkräften haben zu einer starken Ausweitung der Arbeitsinhalte geführt. Früher gab es eine klare Aufgabenteilung: Der Vertriebsbeauftragte suchte den Kundenkontakt, der Pre-Sales-Mitarbeiter unterstützte den Vertrieb bei der Gewinnung von Aufträgen, und die Projektleiter kümmerten sich mit den Entwicklern um die technische Umsetzung. Richtig guter Pre-Sales war zwar schon immer selten, aber heute wird vom Vertrieb erwartet, dass er relativ lange ohne entsprechende Unterstützung auskommt. Die Anforderung an die Entwickler ist, dass sie auch den konstruktiven Kundenkontakt suchen und dort sicher agieren.

CW: Inwiefern?

KORNHERR: Es wird erwartet, dass Vertrieb und Entwickler Hand in Hand arbeiten. Dazu benötigt der Vertriebler mehr als Basiswissen über die erforderliche Technik, und der Entwickler muss die kaufmännische Seite eines IT-Projektes verstehen. Beides ist oft schwer zu realisieren, da sich die Mentalität der beiden Berufsgruppen meist stark unterscheidet. Vertriebsmitarbeiter sind grundsätzlich offen, kommunikativ und sehen Kundenterminen erwartungsfroh entgegen. Tekkis ziehen die Kommunikation mit ihresgleichen vor und akzeptieren eher ungern die kommerzielle Seite. Die geforderte enge Zusammenarbeit führt häufig zu Verständnisproblemen.

CW: Die Wandlung vom Tekki zum Mekki ist also schwierig?

KORNHERR: Ja, absolut. Das Problem ist die soziale Kompetenz. Früher war ein guter Entwickler ein Technik-As, das reichte. Heute soll er aber auch die Auftragsgewinnung mitgestalten. Das heißt, er muss die Kunden von seiner Arbeit überzeugen. Dabei entstehen oft Missverständnisse zwischen dem Tekki und dem Kunden.

CW: Zum Beispiel?

KORNHERR: Fachsprache und Denkweise des Technikers können zu Verständigungsproblemen führen. Der Kunde ist im Normalfall kein Technik-Insider, sondern ein Kaufmann - mit den Problemen und Zielen eines solchen. Das muss dem Tekki klar sein. Er muss sich von seiner vertrauten Programmiersprache lösen und auf sein Gegenüber eingehen, auf die Sprache des Managements, also auf Lösungen, Kosten und Erfolge. Der Schlüssel hierzu liegt in der sozialen Kompetenz.

CW: Warum?

KORNHERR: Ein Tekki muss das Gespür dafür entwickeln, was der Kunde will und braucht. Er muss die Probleme erkennen und eine klar definierte sowie verständlich formulierte Lösung anbieten. Über Features zu diskutieren ist Unsinn. Den Kunden interessieren Details der technischen Umsetzung selten, für ihn ist wichtig, dass er seine Ziele erreicht. Für einen Entwickler, der sich normalerweise nur auf der Grundlage von technischen Fakten austauscht, ist es schwer, das ganze Projekt auf den Kunden zu abstrahieren. So entstehen zwangsläufig Missverständnisse - auf beiden Seiten.

CW: Wie lassen sich diese beruflich bedingten Missverständnisse verringern?

KORNHERR: Zuhören und Kontrollfragen sind hilfreich. Gleichzeitig sollte man herausfinden, ob das Gegenüber einen versteht und ob die technischen Erklärungen ankommen. Der Kunde will selten über die Entwick-lungsprobleme eines Projekts reden, sondern über die Umsetzung und deren Vorteile. Je intensiver sich der Entwickler mit dem Kunden austauscht, desto wichtiger ist das Kundengespür. Der Tekki muss sich voll und ganz auf den Kunden einlassen und darf sich vor allem nicht in technische Visionen verrennen. Es gilt zunächst das Minimalprinzip, denn für den Kunden steht die finanzielle Umsetzbarkeit an oberster Stelle.

CW: Die Tekkis müssen also ihre sozialen Kompetenzen entwickeln, um Aufträge zu erhalten?

KORNHERR: Wenn sie zu Kundengesprächen müssen - unbedingt. Die optimale Ausgangslage ist, wenn ein Vertriebsmitarbeiter mit technischem Basiswissen und ein Entwickler mit Verkaufsgedanken zusammenarbeiten. Die meist ehrgeizigen Ziele, die der Kunde mit dem Vertrieb entwickelt, lassen sich vor Ort auf die technische Umsetzbarkeit prüfen und Fehlentwicklungen bereits in dieser ersten Phase erkennen. Der Kulturschock zwischen Entwicklern und Vertrieblern fällt weg, da der Verkäufer nichts verkauft, was der Programmierer nicht umsetzen kann.

CW: Worauf hat sich der IT-Mensch in Zukunft einzustellen?

KORNHERR: Die Zeiten werden spannender und die Arbeit vielseitiger. Aber es liegt auch eine viel höhere Last auf den einzelnen IT-Mitarbeitern als früher. Die meisten IT-Projekte sind mit enormem Zeitdruck verbunden, und der interkulturelle Aspekt wird dank der internationalen Vernetzung stärker. Das heißt: Der Konkurrenzdruck innerhalb der Teams erhöht sich. Um die Arbeitsmarktfähigkeit zu erhalten ist nicht nur eine breite Wissensbasis, sondern auch permanente Lernbereitschaft nötig. (hk)