Kolumne

"Teile und herrsche"

08.10.1999

Sun hat Anfang der Woche mitgeteilt, den Sourcecode seines Unix-Betriebssystems "Solaris" freizugeben - zumindest zur Hälfte. Wie das geht? So wie bei Java und Jini auch: Entwickler dürfen den Sourcecode kostenfrei nutzen und auch Applikationen für das Betriebssystem schreiben, aber sobald sie die entstandenen Produkte kommerziell anbieten, müssen sie pro Lizenz einen Obolus an Sun zahlen. Schön ausgedacht - man gibt nicht wirklich etwas aus der Hand, sondern erweckt nur den Eindruck -, doch nach etwas Überlegen möchte man wissen, welches Motiv Sun zu diesem Halbschritt treibt und wer die größeren Vorteile davon hat: Sun oder die Entwickler?

Für Programmierer ist es sicher sinnvoll, den Sourcecode des Betriebssystems zu kennen, für das sie schreiben. Schließlich müssen Schnittstellen zurechtgepfriemelt und Applikationen an die Besonderheiten der Betriebssysteme angepaßt werden. Darüber hinaus spielt natürlich der Preis eine Rolle, kosten doch Sourcecode-Lizenzen in der Regel das Vielfache einer normalen Lizenz.

Sun dagegen können aus diesem Vorgehen verschiedene Vorteile erwachsen. Können, nicht müssen: Denn der Hoffnung, daß dieses Modell als offen im Sinne des quelloffenen Linux verstanden wird und so Linux-Fans ins Solaris-Lager zieht, sollten sich Suns Marketing-Strategen nicht hingeben. Die Open-Source-Gemeinde hat immer wieder klargemacht, daß sie von Pseudo-Offenheit nichts hält.

Wenn aber im Open-Source-Revier keine zusätzlichen Entwickler zu gewinnen sind, bleibt die NT- und kommerzielle Unix-Konkurrenz. Dort liegt Sun mit 22,2 Prozent laut IDC an zweiter Stelle. Geschlagen nur von SCO mit einem Marktanteil von 39,8 Prozent. Zwar rekrutieren sich die SCO-Anwender in erster Linie aus dem PC-Unix-Lager, aber die Leute aus Santa Cruz haben zusammen mit der im Unix-Markt drittplazierten IBM Größeres vor. Mit "Monterey" wollen sie ein 64-Bit-Betriebssystem vorlegen, das sowohl auf Intels IA-64-Architektur als auch auf den Risc-Chips von IBM läuft. Wird Suns Halböffnung von Solaris vor diesem Hintergrund gesehen, kann es der McNealy-Company ausschließlich um die Ausweitung der eigenen Plattform gehen. Und dazu ist Sun offensichtlich jedes Mittel recht - vielleicht sogar irgendwann einmal ein wirklich quelloffenes Betriebssystem.