Techno-Schub zwingt Führung zu Wertumkehr

10.05.1985

Dr. Artur Wollert , Leiter Zentrales Personal- und Sozialwesen der BMW AG, München

Neue Technologien - ein Schlagwort? Der Computer steht stellvertretend für Veränderungen. Elektronenrechner werden immer häufiger an Arbeitsplätzen eingesetzt. Bildschirmgeräte, computergesteuerte Anlagen sowie vielfältige Einsatzmöglichkeiten von Mikroprozessoren in Fertigungs- und Verwaltungsbereichen werden in den nächsten Jahren eine Vielzahl weiterer Arbeitsplätze erfassen. Bereits heute stehen in Büros, Behörden, Werkshallen und Kaufhäusern mehrere tausend Terminals, elektronische Ladenkassen und Buchungsmaschinen, computergesteuerte Werkzeugmaschinen, Prozeßrechner, automatische Zeichengeräte und Textautomaten.

Insbesondere von Gewerkschaftsseite wird der Einsatz neuer Technologien oftmals mit dem Abbau von Arbeitsplätzen gleichgesetzt. Es geht aber auch um die Ausgestaltung möglicher Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bei Einführung und Nutzung neuer Techniken. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der BAG-Beschluß vom 14. September 1984 zu ° 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz ("Technikerberichtssystem").

Unabhängig von der betriebsverfassungsrechtlichen Problematik wird mit der Einführung und Anwendung neuer Techniken aus Unternehmenssicht stets eine Optimierung - also die dem technologischen Fortschritt angepaßte und gleichermaßen mitarbeitergerechte Gestaltung - der Arbeitsinhalte und Arbeitsstrukturen angestrebt. Personalpolitisch bedeutsam ist dabei der Aspekt der Mitarbeiterorientierung, wie er etwa im BMW-Konzept "Werteorientierte Personalpolitik" verankert ist.

Ausgehend von der Überzeugung, daß eine nicht-mitarbeiterorientierte Personalpolitik immer zu negativen Kostenauswirkungen führen und damit unwirtschaftlich sein wird, ist es Ziel des BMW-Konzepts, die Bedürfnisse, Interessen und Wertvorstellungen der Mitarbeiter zu ermitteln und angemessen zu berücksichtigen. Die an insgesamt 16 Grundwerten ausgerichtete Personalpolitik soll bewirken, daß die Diskrepanz zwischen dem Leben außerhalb und innerhalb des Unternehmens überbrückt und die Arbeitswelt den gleichen Beitrag zur menschlichen Entfaltung und individuellen Lebensfreude leistet, wie der Freizeitbereich.

Der Einsatz neuer Techniken stellt an die Qualifizierungsfähigkeit und -bereitschaft der Mitarbeiter hohe Anforderungen. Häufigkeit, Umfang und Intensität von Qualifizierungsmaßnahmen werden noch zunehmen. Ein mögliches Beschäftigungsrisiko besteht nicht so sehr in einem technologisch bedingten Abbau von Arbeitsplätzen, sondern vielmehr in einer Veränderung der geforderten Qualifikation. Mitarbeiter müssen in die Lage versetzt werden, den Wandel an sie gestellter Anforderungen mitzutragen.

Wichtige Voraussetzung für eine mitarbeitergerechte Gestaltung veränderter Arbeitsinhalte und -strukturen ist die gezielte Information und Beteiligung der Mitarbeiter. Denn neue Techniken können nur auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens und erforderlicher Akzeptanz seitens der Mitarbeiter sinnvoll eingesetzt werden. Die Personalpolitik kann hierzu ihren Beitrag leisten, indem personalpolitische Grundsätze erarbeitet und den Mitarbeitern bekanntgemacht werden.

Für den Bereich der Personaldatenverarbeitung könnten zu solchen Grundsätzen beispielsweise die Nutzung des Personaldatenverarbeitungssystems auf der Grundlage einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat sowie aller Mitarbeiter zählen. Hinzuzurechnen wäre eine Geltung der Führungsgrundsätze auch für den Bereich des Personaldatenverarbeitungssystems.

Zielgerichtete Informationsaufbereitung und richtige Bewertung betriebswirtschaftlicher und personenbezogener Daten wären in diesem Rahmen ebenso zu finden wie die Wahrung der Persönlichkeitsrechte von Mitarbeitern. Ein weiterer Punkt müßte die Akzeptanz der Personaldatenverarbeitung durch Vorgesetzt und Mitarbeiter sein; als Folge wäre ein Einsatz der Personaldatenverarbeitung nur zur Entscheidungsvorbereitung

und nicht als Ersatz für Entscheidungen zu verstehen. Denn Personaldatenverarbeitung ist als Beitrag zur Chancengleichheit und Gleichbehandlung aller Mitarbeiter zu sehen.

Neben der Formulierung bestimmter Grundsätze durch die Personalpolitik müssen darüber hinaus auch eine Reihe von Rahmenbedingungen erfüllt sein: Gesetzmäßigkeit und Einhaltung von Vereinbarungen haben Priorität. Bundesdatenschutzgesetz, Betriebsverfassungsgesetz und betriebliche Regelungen, etwa Betriebsvereinbarungen, sind grundsätzlich einzuhalten, soweit nicht ein höheres schutz(...)diges Rechtsgut eine andere davon abweichende Handhabung erzwingt.

Das Interesse am Schutz personenbezogener Daten haben Unternehmen, Betriebsräte und Mitarbeiter gleichermaßen. Einem Mißbrauch ist von allen Beteiligten vorzubeugen. Zu diesem Zweck müssen das Personaldatenverarbeitungssystem sowie die gespeicherten personenbezogenen Daten verständlich und überprüfbar sein.

Entwicklung und Anwendung des Personaldatenverarbeitungssystem haben den Grundsätzen der Ordnungsmäßigkeit zu genügen. Diese ist nur dann erfüllt, wenn sowohl (...) System als auch die gespeicherten Daten vollständig richtig und prüfbar sind.

Für einen Herkunftsnachweis und die Gültigkeit von Personaldaten sind Vorkehrungen zu treffen. Unbedingt muß festgestellt werden können, wer wann und wo welche Daten eingegeben hat oder welcher Datei aus welchem Verarbeitungsgebiet sie entstammen und ob Daten zeitlich gültig und sachlich richtig sind.

Eine zweckfremde unkontrollierte Datennutzung muß ausgeschlossen werden. Der Zweck der Datenspeicherung muß sachlich begründbar und transparent sein. Zugriffsberechtigt dürfen nur Mitarbeiter sein, die die Information für ihre Arbeit benötigen.

Es sind nur die Personaldaten zu speichern, die benötigt werden. Der Umgebungsbezug, also Voraussetzungen und Nebenbedingungen, unter denen die Personaldaten erhoben und in das Personaldatensystem eingegeben werden, ist herzustellen, da andererseits die Gefahr von Fehlinterpretationen besteht. Erst Personaldaten und Umgebungsbezug ergeben eine abgesicherte Information.

Weitere Voraussetzungen für eine mitarbeitergerechte Gestaltung veränderter Arbeitsinhalte und -strukturen sind sowohl die optimale Nutzung der mit dem Einsatz neuer Techniken verbundenen Möglichkeiten, beispielsweise über die Einführung flexibler Arbeitszeitformen, als auch die Verbesserung der Qualität der Arbeit durch eine Verbesserung des Umgangs der Mitarbeiter miteinander.

Hieraus erwachsen für Führungskräfte neue Aufgaben, denn auch deren Arbeitsfeld wird sich durch neue Techniken wesentlich verändern. Für die Mitarbeiter im Unternehmen ist die Führungskraft Vorbild - "Wertsetzer". Vor allem hat sie drei Funktionen zu erfüllen: Die Führungskraft ist Fachmann, darüber hinaus zuständig für die Verteilung der Ressourcen an Menschen, Raum und Sachmittel sowie verantwortlich für die Integration. Hieraus lassen sich drei Komponenten einer Führungsethik - Leistungsethik, Ethik des Maßes, Gemeinschaftsethik - ableiten.

Die Führungskraft bezieht ihre Legitimation allerdings derzeit noch überwiegend allein aus der Bewältigung der Fachaufgabe: die Leistungsethik ist also am weitesten ausgeprägt. Mit zunehmendem Einsatz neuer Techniken kommt jedoch den Führungsaufgaben immer größere Bedeutung zu.

Ziel der Personalpolitik muß es sein, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Leistungsethik, der Ethik des Maßes sowie der Gemeinschaftsethik herzustellen. Es muß gelingen, insbesondere die Führungskräfte emotional an das Unternehmen zu binden und über eine Verbesserung des Führungsverhaltens aus leistungsfähigen auch leistungsbereite Mitarbeiter zu machen.

Unter dem Begriff "Praktizierte Führungsethik" können sämtliche Normen subsumiert werden, die sich aus der Verantwortung für das Unternehmen und für die Mitarbeiter herleiten lassen. Wir wissen - Peters und Waterman haben es in ihrer Untersuchung "In Search of Excellence" ebenfalls herausgestellt -, daß es innerhalb einer Organisation einen Wertekonsens geben muß, wenn diese Organisation langfristig bestehen und erfolgreich sein soll. Nur bei Vorliegen dieses gemeinsamen Wertekonsens wird eine mitarbeitergerechte und damit auch für das Unternehmen wirtschaftliche Gestaltung

veränderter Arbeitsinhalte und -strukturen möglich sein.