Das Ende der Schulklasse?

Technischer Wandel schreckt Bildungswesen

08.04.1983

Wien (eks) - Gerade richtig zum internationalen Jahr der Kommunikation erschien der Sammelband "Kommunikationstechnologien - Neue Medien in Bildungswesen, Wirtschaft und Verwaltung". Entwicklung und Einsatz der neuen Medien machen ein grundlegendes Überdenken von Organisations- und Verwaltungsstrukturen nötig, um nicht "alte Fehler" ins neue System zu übertragen. Dies betrifft Wirtschaft und Verwaltung, vor allem aber Erwachsenenbildung.

Die Problematik der gegenwärtigen Bildungssituation faßte Prof. Klaus Haefner von der Uni Bremen in der Frage zusammen: "Was soll der Mensch lernen, wenn ein zunehmender Anteil immer komplexerer Informationsverarbeitung von menschlichen Gehirnen auf technische Strukturen übertragen wird?" Ersetzt sich mit dieser Krise in den folgenden Thesen auseinander:

- Das nächste Jahrzehnt wird weltweit eine intensive Nutzung der Informationstechnik bringen. Menschliches Denken und Handeln werden an vielen Stellen durch technische Informationsverarbeitung verändert oder abgelöst werden. (Zweifellos ist dies für die "westliche Welt" richtig, in anderen Kulturkreisen scheint die These jedoch noch zu verifizieren.)

- Die Grenzen der Bildungsfähigkeit des Menschen sind erkennbar, Leistungsgrenzen der Informationstechnik jedoch in keiner Weise.

- Die Wirtschaft, Haefner nennt sie Beschäftigungssystem, gibt ihren Dominanzanspruch dem Bildungswesens gegenüber auf und löst ihre Bedürfnisse an Informationstechnik zunehmend technisch. Denn die Industrialisierung war ein wichtiger Grund für die Schaffung unseres heutigen Bildungssystem.

- Das Bildungswesen versäumt es, breiten Bevölkerungsschichten den Zugang zur Informationstechnik als Basistechnologie der Zukunft angemessen zu vermitteln; der unreflektierte Einfluß technischer Medien wächst. So nehmen derzeit in der Bundesrepublik bestenfalls zehn Prozent aller Schüler eines Jahrgangs an einem Kurs in Informationstechnik teil. Nur etwa 388 000 von 28 Millionen Beschäftigten haben ernstzunehmende Kenntnisse dieser Technik.

- Das Bildungswesen ist grundsätzlich unvorbereitet auf eine rasche Anpassung von Zielen und Arbeitsmethoden an den raschen Wandel der Informationsumwelt. Es besitzt weder Kraft noch Entschlossenheit, diesem Wandel aktiv entgegenzutreten. Der heutige Lehrer ist in aller Regel ein informationstechnologischer Laie.

Krise des Lernenden

Informationsverarbeitung aus Gehirnen in technische Systeme führt einerseits zu einer Krise des Lernenden: Was soll er überhaupt noch lernen angesichts von immer mehr Abläufen, die von Computern abgewickelt werden. Andererseits zur Krise des Bildungssystems: Wie sollen die Ausbildungsetats in wirtschaftlichen Krisenzeiten gerechtfertigt werden, wenn die vermittelten Bildungsinhalte für die Wirtschaft zunehmend irrelevant werden. Die Schule bildet den Menschen in vielen Fällen lediglich zum unterlegenen Konkurrenten der Informationssysteme heran und es ist absehbar, daß diese Fälle mehr werden.

Im weiteren setzt sich das Buch mit der Nutzung der neuen Medien im Bildungsbereich, insbesondere mit Bildschirmtext auseinander. Beiträge über den Computereinsatz in Wirtschaft und Verwaltung komplettieren den 578 Seiten starken Band zu einem lesenswerten zukunftsweisenden Kompendium über die Tagesprobleme hinaus. Die Vorträge wurden im Herbst 1982 vor der von OCG und Gesellschaft für Bildungstechnologie an der Uni Linz veranstalteten Tagung gehalten. Der Sammelband kostet 398 S. Herausgeber sind Dr. Schauer von der TU-Wien und Dr. Tauber.

Informationen: OCG, 1818 Wollzeile 1-3, 528235, Oldenbourg-Verlag.