Technischer Fortschritt erzwingt neues Selbstverstaendnis DV muss Unternehmensablaeufe als Dienstleister unterstuetzen

19.08.1994

Zentrale DV darf beim erreichten technischen Stand nicht mehr die Unternehmensprozesse beeinflussen wollen, sondern muss sie als Dienstleistung flexibel unterstuetzen. Voraussetzung dafuer ist die Durchgaengigkeit der Anwendungen, wie sie nach Auffassung von Thomas Kattler* zum Beispiel durch eine Oracle-Komplettloesung gewaehrleistet werden kann.

Die Wechselbeziehung zwischen Datenverarbeitung und Organisation kann als veraenderliche Abhaengigkeit von Zielen und Mitteln beschrieben werden. Die Tendenz geht dahin, dass das Mittel Datenverarbeitung in immer staerkerem Masse seine die Organisation praegende Wirkung verliert. Besonders in ihrer Anfangszeit bestimmte die DV die organisatorischen Gestaltungsmoeglichkeiten stark. Die Abteilung "Zentrale Datenverarbeitung" war zwar nur ein Bestandteil der Organisationsabteilung, dominierte diese jedoch aufgrund sachlicher Zwaenge vielfach. Die technischen Restriktionen mussten in der Ablauforganisation beruecksichtigt werden und beeinflussten somit die Gesamtorganisation.

Der Abbau dieser Restriktionen erfolgte im Rahmen des technischen Fortschritts zunaechst auf der Ebene der einzelnen Arbeitsplaetze: Die Mitarbeiter nahmen ueber ihre Rechner DV-Leistung direkt in Anspruch. Die Wahl der Arbeitsmittel und die Nutzung dieser dem Benutzer zugeordneten Rechnerkapazitaet erhoehte dessen subjektive Flexibilitaet. Subjektiv deshalb, weil der Benutzer zwar selbst entscheidet, wie er seine lokale Rechnerkapazitaet nutzen kann und welche Bearbeitungswerkzeuge er zur Datenmanipulation vorrangig gebraucht, die in Form von Daten bereitgestellten Informationen, aber weiterhin durch die zentrale DV gesteuert werden.

Mit den einzelnen Arbeitsplaetzen wandelte sich auch das Bild von der zentralen DV. Sie ist zwar von der Erfuellung individueller Benutzerwuensche befreit, uebernimmt nach neuerem Verstaendnis aber die Rolle eines Dienstleisters in bezug auf saemtliche Aufgaben, die mit der unternehmensumfassenden und gegebenenfalls sogar unternehmensuebergeifenden Informationsbereitstellung verbunden sind. Bedingt durch Wissenszuwachs und Vergleichsmoeglichkeiten der hausinternen "Kunden", geraet die zentrale DV unter den Druck, ihre Leistungen "marktgerecht" zu erbringen. Ist sie dazu nicht in der Lage, greifen die Anwender zu selbstgestrickten Eigenloesungen; zugleich waechst die Wahrscheinlichkeit, dass die Unternehmensleitung sich zum DV-Outsourcing entschliesst.

Abbildung von Prozessen ist eine Kernforderung

Die Unterstuetzung organisatorischer Ablaeufe und Prozesse ist eine Kernforderung an die DV. Folgt man der Forderung von Porter, der im Rahmen seiner Wertschoepfungsketten-Theorie jeder Wertaktivitaet Informationen zuordnet, bedeutet dies, dass zumindest alle zentralen Prozesse im Unternehmen auch DV-technisch abgebildet werden muessen.

Diese Abbildung erfordert eine in sich durchgaengige DV-Plattform, die es erlaubt, die als Daten existierenden Informationen von und an jedem beliebigen Ort im Unternehmen darzustellen. Als zusaetzliche, qualitative Anforderung kommt die Durchgaengigkeit der Information hinzu. Daten sind nicht mehr isoliert im Umfeld ihrer Anwendung zu sehen, sondern muessen auch innerhalb anderer Anwendungen wiederverwendbar und damit interpretierbar sein.

Mit der DV-technischen Unterstuetzung von Ablaeufen und Prozessen steigen die Anforderungen an die bisherigen Applikationen. Sie werden immer staerker miteinander verknuepft.

- Die Bereitstellung der Infrastruktur: Die Infrastrukturen in den meisten Unternehmen werden heterogener. Alle Kommunikationsmittel und -techniken werden fuer die Datenuebertragung genutzt, sofern sie dem Umfeld entsprechen und verfuegbar sind.

Neben den traditionellen Datennetzwerken gewinnt die Nutzung von Sprachnetzen an Bedeutung. Besonders deutlich wird der infrastrukturelle Pluralismus durch ISDN oder durch die Einbindung der Datenkommunikation ueber Modacom.

Die DV-Organisation hat demzufolge in diesem Bereich ein neues, erweitertes Aufgabenfeld. Die an sich wuenschenswerte Oeffnung der Netze erhoeht das Sicherheitsrisiko. Abwehrmechanismen gegen Missbrauch sind erforderlich.

- Die Bereitstellungsform der Information: Die Bereitstellungsform der Information bestimmt das Nutzerverhalten und damit die Akzeptanz und den Erfolg der zentralen DV. Der Benutzerkomfort wird zum Bewertungskriterium. Die Entwicklung im Datenbankbereich mit den normierten Abfragesprachen und deren Implementierung in den unterschiedlichsten Systemumgebungen hat die damit verbundenen Aufgaben kompliziert.

- Die Verknuepfung der Informationen: Voraussetzung fuer diese Leistung der DV ist ein moeglichst einheitlicher Datenbestand, der hauptsaechlich in Form von Datenbankbestaenden verfuegbar ist. Schwierigkeiten ergeben sich hier aus der Geschichte der unternehmensinternen DV. Die Zuordnung von Daten zu Anwendungen und teilweise feste Verknuepfung dieser Anwendungen mit Betriebssystem- und somit Hardware-Umgebungen kann die geforderte Flexibilitaet unterminieren. Gefordert ist eine einheitliche Datenbankumgebung, die auch ueber unterschiedliche Hardwareplattformen hinweg durchgaengig arbeitet. Dazu sind einheitlich definierte Schnittstellen zwischen den unterschiedlichen Anwendungen vonnoeten.

DV ist nur Hilfsmittel

Die Unterstuetzung organisatorischer Ablaeufe und Prozesse ist ein fest vorgegebenes Organisationsziel, dem sich die zentrale DV unterordnen muss. Verfolgt wird dieses Ziel im Rahmen der verfuegbaren Infrastruktur. Gestaltungsspielraeume bleiben der zentralen DV somit nur in der Bereitstellungsform der Information und in der Schaffung der Durchgaengigkeit verknuepfbarer Informationen.

Daraus ergibt sich die Tendenz, verstaerkt auf einheitliche Loesungsumgebungen zurueckzugreifen. Ein Beispiel dafuer ist Oracle. Diese Loesung ermoeglicht die Schaffung einer einheitlichen Umgebung von der reinen Datenbank ueber die erforderlichen Werkzeuge fuer die Software-Entwicklung bis zur Unterstuetzung unterschiedlicher Netzwerkstandards und der Fachanwendungen mit den entsprechenden Endbenutzerwerkzeugen.

Das Kernstueck bildet das Datenbanksystem mit seinen Subprogrammen zum Anlegen, Starten, Stoppen, Sichern, Wiederherstellen und dem Monitoring von Datenbanken, zum Laden von externen Datenbanken oder logischen Sicherungsmethoden.

Dazu kommen die CASE-Entwicklungs-Tools. Interaktive SQL- Interpretoren interpretieren beliebige SQL-Befehle, waehrend zum Beispiel SQL*FORMS der Entwicklung interaktiver Programme mittels visueller, ereignisorientierter Programmiermethoden dient.

Arbeit mit diversen Programmiersprachen

Weitere Tools ermoeglichen die Einbindung der Datenbanksprache SQL in Programmiersprachen wie C, Fortran, Cobol, PL/1, Pascal oder ADA oder die Integration von SQL-Befehlen in 3GL- Programme.

Beim Aufbau eines Oracle-Netzwerkes koennen mit Hilfe der entsprechenden Softwarekomponenten konsistente Schnittstellen zu allen Oracle-Anwendungen implementiert werden. Diverse Protokolladaptoren ermoeglichen die Verwendung unterschiedlicher Netzwerkprotokolle. Dazu kommt die Unterstuetzung von Client- Server-Architekturen mit Hilfe von TNS-Knoten. Mit den Endbenutzerwerkzeugen schliesslich koennen die einzelnen User ohne Kenntnis von SQL eigene Abfragen absetzen.

Auf der Grundlage dieser Werkzeuge hat Oracle ein Buendel von Anwendungen entwickelt. Typische Einsatzfelder in den Bereichen Auftragserfassung, Lager, Fakturierung, Debitoren, Rechnungswesen, Kreditoren, Einkauf oder Vertrieb schaffen ein einheitliches Gesamtsystem von Anwendungen auf der Grundlage einer gemeinsamen Plattform. Dadurch lassen sich administrative Funktionen aus verschiedenen Unternehmensteilen verknuepfen. Dazu zaehlen Alert- Features fuer die Fruehwarnung im Rahmen der Gesamtloesung.

*Thomas Kattler ist Diplomoekonom in Ulm.