4GL-Sprachen bringen konzeptionellen Umschwung im Applikationsbereich

Technischer Ansatz weicht fachlicher Lösung

17.07.1987

Die Anwendungsentwicklung wird durch die Sprachen der vierten Generation grundlegend verändert. Nicht mehr der Zwang zur Kenntnis DV-technischer Details steht im Vordergrund, sondern die Konzentration auf die fachliche Problemlösung. Peter Pagé* kommentiert die Situation im Markt.

Eine Debatte um 4GL-Systeme offenbart von vorneherein ein grundsätzliches Mißverständnis. Vierte Generation - das bedeutet nicht primär neue Sprachen, sondern neues Denken. Sie ist die Antwort auf die Sackgasse, in die herkömmliche Technologien die DV geführt haben. Man muß sich immer wieder vor Augen halten: Die Datenverarbeitung ist kein Selbstzweck. Sie wird eingesetzt, um Unternehmensziele effizienter zu erreichen. Wenn rund 80 Prozent der Programmierkapazität in die Wartung von Anwendungen gesteckt werden müssen, weil jede Änderung der Systemumgebung die Anpassung aller Programme notwendig macht, also immer wieder immense Investitionen getätigt werden müssen, die die Entwicklung überhaupt nicht voranbringen; wenn die Erstellung neuer Anwendungen eine Ewigkeit dauert, weil prozedurale Sprachen wie Cobol benutzt werden; wenn viele Anwendungswünsche erst gar nicht vorgetragen werden weil eh keine Aussicht auf Realisierung besteht; wenn der Benutzer mit den Programmen nicht viel anfangen kann, weil erstens der Entwickler das Problem nicht richtig verstanden hat und zweitens die Bedingungen sich zwischenzeitlich verändert haben: Dann steht die Legitimation der DV insgesamt zur Disposition.

Solche Defizite resultieren im wesentlichen aus einem falschen Denken, einer falschen Orientierung der verwendeten Programmiersprachen und Datenhaltungssysteme. Diese meist von Hardware-Herstellern eingeführten Systeme sind geprägt durch die Hardware-Architektur und reflektieren deren Eigenheiten und Schwächen. Die wichtigsten Mängel sind Abhängigkeit von der Systemumgebung mit den bereits erwähnten Konsequenzen, der Zwang zum wenig produktiven und fehleranfälligen prozeduralen Programmieren, fehlende Dialog-Funktionen beziehungsweise als Ersatz nachträglich angefügte, nicht integrierte Tools und schließlich die Beschränkungen

und die mangelhafte Integration der vierten Generation. Genau hier setzt die 4GL-Technik an.

Sie geht nicht von der Hardware aus, sondern vom Anwender. Es handelt sich weder um eine "benutzerfreundliche" Schale noch um ein neues "Tool" zur Anwendungsentwicklung, sondern um eine grundsätzliche Neuorientierung. Es geht darum, dem Computer eine völlig neue Funktionalität zu verleihen.

Anweisungen zur Erstellung von Dialog- und Batch-Anwendungen werden auf der logischen Ebene völlig unabhängig von dem systemtechnischen Hintergrund definiert. Damit wird es möglich, Anwendungen ohne jede Änderung in völlig verschiedenen Hardware- und Systemumgebungen zu betreiben, was den Wartungsaufwand drastisch senkt. Der Benutzer erhält durch diese Portabilität die Wahlfreiheit bei Hardware-, Betriebs- und DC-Systemen was vor dem Hintergrund des anstehenden Konzeptes der vernetzten Abteilungsrechner noch an Bedeutung gewinnen wird. Er kann sicher sein, daß auch künftig zu erwartende, durch die Weiterentwicklung der Technologie bedingte Änderungen der Systemumgebung keinen Einfluß auf den Betrieb bestehender Programme haben.

Die Anwendungsentwicklung wird durch die Sprachen der vierten Generation grundlegend verändert. Nicht mehr der Zwang zur Kenntnis DV-technischer Details steht im Vordergrund, sondern die Konzentration auf die fachliche Problemlösung. Instrumentarium hierfür ist einmal die nonprozedurale Sprache mit mächtigen Anweisungen, die den Programmcode erheblich reduzieren. Hinzu kommt die Zusammenfassung aller Entwicklungsfunktionen in einer einheitlichen, interaktiven Umgebung - von der Definition der Funktionalität über die Generierung der Module bis zu deren Test.

Die deutlich gesteigerte Produktivität ist bei diesem neuen Ansatz der Applikationsentwicklung nur ein Aspekt. Der Benutzer kann während der verschiedenen Etappen der Entwicklung einbezogen werden (Prototyping). Durch die Erstellung separater Module und die Auslagerung von immer mehr Standards ins Dictionary werden die Programme selbst wesentlich kürzer. Hier eröffnet sich die Perspektive, auf eine Detailprogrammierung völlig zu verzichten und Programme nur aus Spezifikationen von Funktionsblöcken zu generieren (objektorientierte Programmierung).

Die technischen Möglichkeiten der vierten Generation lassen sich allerdings nur voll ausschöpfen, wenn eine angepaßte Methodologie zugrundeliegt. Werden in den vorgelagerten Phasen nach wie vor Berge von Papier erzeugt, gehen wesentliche Vorteile wieder verloren. Notwendig - und implizit realisierbar - ist der Aufbau einer aktiven, integrierten Umgebung, in der das Data Dictionary, der Masken-Editor und spezielle Editoren zur Strukturanalyse direkt integriert sind. Damit wird es möglich, Anwendungen für die verschiedensten

Unternehmensbereiche einheitlich zu erstellen, die interaktive Arbeitsweise auf die erster Planungsphasen eines Projektes auszudehnen und sicherzustellen, daß die erarbeiteten Ergebnisse kontinuierlich bis zu den endgültigen Programmen verfeinert werden können.

Die Umwälzung der Anwendungsentwicklung ist nur ein - wenn auch sehr wesentlicher - Aspekt der vierten Generation. Die Umkehr in der Denkweise, die radikale Benutzerorientierung verlangt noch mehr: eine einheitliche Schnittstelle zur gesamten DV mit allen Funktionen. Wenn man über die vierte Generation diskutiert, dann sollte es auf dieser, strategischen Ebene geschehen.

DOS 3.3 verträgt keine IBM-fremden Festplatten

BOCA RATON (CWN) - Unverträglichkeiten von DOS 3.3 mit Festplatten, die nicht aus IBM-Fertigung stammen, hat der Branchenprimus eingeräust. Grund der Inkompatibilität soll die "Multiple Track Read"-Funktion des Betriebssystems sein.

In seiner offiziellen Stellungnahme lehnt Big Blue jede Verantwortung für Systeme anderer Hersteller ab. Nach Meinung von Experten wird sich allerdings mindestens eine Third-Party-Software durchsetzen, die diese Leseprobleme auf der Festplatte beheben kann. Ein derartiges Programm, das auch die sogenannten Mace-Utilities 4.10 sowie H-test/ H-format enthalten soll, wollen die Hersteller Compuserve und Kolod Research noch im Juli ausliefern.

Die "Multiple Track Read Capabilities" der Version 3.3 seien als Verbesserung anzusehen, erklärten die Sprecher der Unternehmen. IBM-Hard-Disk-Controller verfügen nicht über ein eigenes ROM-BIOS, sondern werden von den ROM-Funktionen der Hauptplatine unterstützt. Während beim Einsatz des IBM-BIOS Kompatibilitätsprobleme auftreten, arbeiten die Laufwerke anderer Hersteller Lesevorgänge fehlerfrei ab.