Kasseler Marktanalyse

Technikdschungel verunsichert Anwender bei der PPS-Auswahl

12.09.1997

In der Industrie wächst die Sorge, den Anschluß an den Wettbewerb zu verlieren, sofern die rasch steigenden IT-Möglichkeiten nicht prozeßgerecht genutzt werden. Sah es vor fünf bis sechs Jahren noch so aus, als hake man die komplizierten und wenig produktiven PPS-Systeme einfach ab, so sind es laut Geitner heute die IT-Umwälzungen, die dem Thema neue Nahrung verschaffen und der Unternehmensführung den Schlaf rauben. Nach Einschätzung des Kasseler Experten sehen sich die in kaufmännischen Dimensionen denkenden Entscheidungsträger von zwei Fronten umgeben: Zum einen würden Akronyme wie OLE, Corba und BAPI oder Begriffe wie Komponenten- und Objekttechnik das Gefühl vermitteln, man verpasse einen Softwaretrend. Auf der anderen Seite kommt von den zunehmend mit PC-Techniken vertrauten Fachabteilungen ein immer größerer Druck zur IT-Umstrukturierung. Bedenkt man weiterhin, daß außer der reinen DV noch mindestens 20, zum Teil kombinierbare Organisationskonzepte zur Auswahl stehen, dann wird schnell klar, wo die Unternehmen der Schuh drückt.

Es gilt, sich in einem Markt zurechtzufinden, in dem jeder PPS-Anbieter behauptet, er könne die Besonderheiten eines Prozesses in seinem Produkt einfach und effizient abbilden. Im wesentlichen haben sich laut Geitner dabei zwei konträre Lager herauskristallisiert:

- Die einen setzen auf viele vorgefertigte Funktionen und Prozesse, die durch Parameter eingestellt werden;

- die anderen verwenden grobe Rahmen, die mit Hilfe von Standardbausteinen und individuellen Anpassungen ergänzt werden.

Gemeinsam ist nahezu allen Herstellern, daß sie mit neuen Verfahren wie Microsofts OLE beziehungsweise Active X, mit Konkurrenzlösungen wie den Java-Applets, mit den herstellerneutralen Objektdefinitionen der Common Object Request Broker Architecture (Corba) oder mit Schnittstellen- und Rahmenkonzepten (Beispiel: SAPs BAPI und ALE) für ihre Produkte werben. Allerdings sei diesen Entwicklungen ebenfalls gemeinsam, daß es sich weiterhin um Programmierverfahren handelt - und damit ist auch der "neue Wein" verwässert, so Geitner in seiner Marktanalyse, denn Anwender wollten höchstens konzipieren, nicht jedoch programmieren.

Was also derzeit noch weitgehend fehlt, sind benutzernahe Werkzeuge, die dem Anwender keine speziellen Programmierkenntnisse abverlangen. Ein Trend zeichnet sich hier in Form sogenannter Rapid-Application-Development-(RAD-)Tools ab, die über den werkzeugbasierten Ansatz von CASE hinaus vorkonfigurierte Business-Objekte liefern. Mit ihnen soll eine an der betriebswirtschaftlichen Praxis orientierte, relativ einfache Anpassung von Standardpaketen möglich werden. Laut Geitner werden daher langfristig nur diejenigen Hersteller überleben, die solche Zusatzwerkzeuge anbieten.

Veränderungen diesbezüglich beobachtet der Kasseler Instituts-Chef auch bei den Anwendern selbst. Inzwischen würden nahezu alle Unternehmen begreifen, daß ihre PPS-Abläufe nicht so individuell sind, wie sie bislang annahmen. Statt Teilverbesserungen und Flickschusterei würden heute auch vorgefertigte Objekte und damit neue Systeme akzeptiert.

Einen weiteren Trend sieht der Wissenschaftler in der Positionierung von PPS-Systemen. Es zeichne sich ab, daß die Lösungen zum Backbone des Controllings avancierten. Konkret bedeute dies eine Umsetzung regelkreisbasierter (kybernetischer) Ansätze, wobei die optimale Fertigungsabwicklung zugunsten marktnaher Bereiche wie Marketing und Vertrieb in den Hintergrund rücke. Vorsicht sei hier geboten. Wer Vertrieb und Produktion als getrennte Regelkreise verstehe, schieße am Ziel vorbei, da entscheidende Unternehmensfragen nur aus den Wechselwirkungen heraus zu beantworten seien.

In ihrer Analyse des PPS-Marktes treffen die Kasseler noch andere interessante Feststellungen. So habe sich beispielsweise die Preisstruktur der Produkte überraschend nach oben bewegt - die relative Anzahl der Systeme unter 40 000 Mark wie auch der mittleren Pakete sei gefallen. Die Ursache für diesen Umstand kann laut Geitner auch darin liegen, daß Niedrigpreisangebote bei den Kunden weniger glaubwürdig sind und deren Hersteller deshalb aufgeben mußten.

Bezüglich der Techniken haben die Analysten den Einsatz von Objektorientierung, Expertenansatz und Simulation untersucht. Dabei zeigte sich, daß die Simulation mit 70 Prozent der Produkte erwartungsgemäß hoch angeboten und auch eingesetzt wird. Erstaunlich ist dagegen die hohe Zahl der Nennungen für wissensbasierte Ansätze, die sogar knapp über den Simulationsverfahren liegt. Die im Vergleich dazu junge Objektorientierung ist zwar noch nicht so stark vertreten, laut Geitner holt sie jedoch schnell auf.

Unter den Arbeitskonzepten sind die PPS-Produkte deutlich vom Lean-Production- und Logistikgedanken geprägt. Wider Erwarten hoch sind mit 70 Prozent der Angebote und 80 Prozent der Installationen auch kybernetische Konzepte vertreten. Geitner geht allerdings davon aus, daß viele dieser Regelkreise weniger rechnerbasiert, sondern vielmehr manuell unterstützt werden - was auch durchaus sinnvoll sei.

Transparenz

Einen Vergleich von über 100 Produkten bietet Version 9 der aktuellen PPS-Marktübersicht von Uwe Geitner. Eine datenbankgestützte Auswahlhilfe ermöglicht es Interessenten, sich im Dschungel der Funktionen und technologischen Trends zu orientieren. Die CD-ROM ist in einer Profivariante mit Grob- und Feinauswahlverfahren sowie multimedialen Anbieterpräsentationen für 1500 Mark erhältlich. Die Light-Version mit eingeschränktem Kriterienkatalog kostet 700 Mark. Bezugsquelle ist der Verlag Managementwissen Zukunft in Remseck am Neckar http://home.t-online.de/home/GS.VerlagMWZ .