Adnagen verkauft Diagnose-Know-how

Technik zum Gesundbleiben

16.06.2000
Von Helga Ballauf
Live Sciences soll das Geschäft des 21. Jahrhunderts werden, prognostizieren viele Experten. Eine niedersächsische Startup-Firma ist schon auf dem Weg dahin und sucht Naturwissenschaftler mit IT-Affinität.

"Sollte ich jemals wieder eine Firma gründen, würde ich wieder einen Namen mit A suchen", sagt Stefanie Waschütza und lacht verschmitzt. Weil sie dann bei allen Adressenlisten und Suchmaschinen vorne dran steht. Adnagen GmbH heißt das Unternehmen der promovierten Mikrobiologin in Hannover. Das Kürzel leitet sich ab von "Advanced DNA-Diagnostics". Vorne dran stehen will die Geschäftsführerin allerdings nicht nur im Alphabet, sondern auch als gentechnologischer Dienstleister.

Krankheitsrisiken aufspüren

Adnagen arbeitet im Bereich der angewandten Genomforschung mit dem Ziel, vererbte und chronische Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und so ihren Ausbruch zu verhindern. Nach der Firmengründung 1997 wurden zunächst humangenetische Tests entwickelt, mit deren Hilfe etwa das individuelle Risiko, an Osteoporose, an Asthma oder Neurodermitis zu erkranken, abgeschätzt werden kann. "Unsere Marktinnovation besteht darin, das wissenschaftliche Instrumentarium zur Früherkennung und Prävention einzusetzen und da-raus einen Geschäftszweig aufzubauen," erklärt Waschütza.

Konkret: Adnagen entwickelt die fein ausgeklügelten Analysesysteme und Testmethoden als Dienstleistung für Klinik- und Arztlabore. "Sobald der Arzt weiß, dass der Patient eine ungünstige Entgiftungsgenetik hat, kann er ihm raten, wie er seine Lebensführung verändern muss, um erst gar nicht krank zu werden."

In der Startphase erhielt das Unternehmen vielfältige Hilfen der Fraunhofer-Institute für Grenzflächen und Bioverfahrenstechnik sowie für Mikrobiologie. Ende 1999 hat Waschütza dann Venture Capital in Millionenhöhe an Land gezogen. Nun baut Adnagen aus - räumlich und personell. 25 Mitarbeiter will das Unternehmen bis Jahresende beschäftigen. Gefragt sind vor allem junge Biologen, Mediziner und Chemiker. Die neuen Geschäftsfelder sind die Tumorfrüherkennung und die pränatale Diagnostik.

Adnagen hat ein Verfahren entwickelt, um die genetischen Informationen direkt aus dem Blut der Patienten zu holen. Schwangere Frauen können sich so in der Regel die riskante Fruchtwasseruntersuchung ersparen. Die Firma analysiert mit Hilfe der entwickelten Testsysteme Blutproben im Auftrag von Kliniken und Speziallaboratorien. Sie verkauft das molekularbiologische Diagnostikwerkzeug - von den Geräten bis zur Software - als Gesamtpaket an ihre Kunden.

Automatisieren, standardisieren, objektivieren: Das ist die Dienstleistung, die das Unternehmen den Ärzten und medizinisch-technischen Assistentinnen im Labor anbietet - mit Unterstützung von IT. Die komplexe anwendungsspezifische Spezialsoftware entwickelt Adnagen allerdings nicht selbst. Lieferant ist unter anderem die Firma PE Biosystems. Am deutschen Unternehmenssitz in Weiterstadt wird beraten und verkauft.

Projektiert und programmiert werden die Analysewerkzeuge in den USA. Wer sich mit Molekularbiologie beschäftigt, kommt ohne informationstechnisches Handwerkszeug nicht aus. "Die Software gibt Untersuchungsparameter vor wie Temperatur der Probe oder Dauer des Einspritzens. Wir müssen bei jedem Testsystem die idealen Analysebedingungen austüfteln und diese Einstellung dann standardisieren. So wird die Auswertung der erhobenen Daten objektivierbar," erläutert Waschütza.

Umweltmedizinische Diagnostik

Die jüngere Wissenschaftlergeneration um die 30 bringe das "Feeling" für die computergesteuerten Verfahren in der Regel mit, sagt Waschütza: "Das müssen wir auch voraussetzen, um up-to-date zu sein."

Gegen die umweltmedizinische Diagnostik, wie Adnagen sie betreibt, gibt es allerdings Einwände: Was helfe einem Menschen das Wissen, anfällig für Alzheimer zu sein, wenn es keine Therapie gebe? Oder: Wer herausfinde, auf welche Umweltgifte eine Person überempfindlich reagiere, individualisiere ein Problem, das nur durch einen Abbau der Umweltrisiken zu lösen sei. Waschütza geht in die Offensive: "Wir wollen die Öffentlichkeit dafür sensibilisieren, was Menschen krank machen kann. Etwa Holzschutzmittel im Haus. Wir weisen nach, wie die Substanz generell den Stoffwechsel beeinflusst und was bei besonderer Empfindlichkeit passiert." Danach könne eine gesellschaftspolitische Debatte über pauschale Grenzwerte und über Gegenmaßnahmen beginnen.

Die Firmenchefin steht inzwischen so gut wie nie mehr im Labor. Daran ist nicht ihre kleine Tochter schuld, sondern das schnell wachsende "Kind" Adnagen: "Ich muss lernen, Aufgaben abzugeben", sagt sie. Also konzentriert sie sich darauf, Unternehmenskonzepte zu entwerfen, öffentliche Gelder einzuwerben und den Betrieb zu managen. Lauter Sachen, die sie nicht an der Hochschule, sondern bei Seminaren für Existenzgründer gelernt hat: "Ich wollte immer etwas Besonderes aus meinem Studium machen. Das tue ich jetzt", sagt sie zuversichtlich.