DV und Umwelt/DV und Kommunikation ermöglichen ganzheitliches Umweltdenken

Technik von heute gegen den Schmutz von morgen

20.09.1996

Mit wenigen, aber interessanten Daten wartet das Umweltministerium des Bundes zu dieser Thematik auf. So können durch integrierte Umweltmaßnahmen die Gesamtkosten von Unternehmen im Branchendurchschnitt um zwei Prozent gesenkt werden - die Folgekosten in Form von Umweltschäden aufgrund unterlassener Vorsorge durch Unternehmen werden, ganz abgesehen vom Imageverlust des Öko-Sünders, von den Merkel-Mitarbeitern auf der BMU-Homepage auf dreistellige Milliardenbeträge geschätzt.

Nach diesen Sachaussagen auf der Homepage des Ministeriums allerdings bleibt der Unternehmer, der sich genauer über Möglichkeiten des Wie und Warum informieren möchte, im Worthülsengestrüpp politischer Couleur leicht hängen. Immerhin erfährt er zum Thema EG-Umweltaudit, daß von der Regierungsseite mit Einführung des Öko-Audits und eines Gütesiegels die Erwartung verbunden wird, "daß die Unternehmen in Zukunft Eigenverantwortung für die Bewältigung der Umweltaspekte ihrer Tätigkeit in einer für die Öffentlichkeit nachvollziehbaren Weise übernehmen".

Und in der Tat tut sich einiges im nichtstaatlichen Bereich, sowohl was das Internet-Angebot als auch die praktische Umsetzung ökologisch sinnvoller Vorhaben betrifft. Zwar ist der grüne Punkt des DPD (Dualer Punkt Deutschland) für Web-Seiten trotz einer inzwischen stark gestiegenen Chance auf mentales Recycling noch nicht Bestandteil der Diskussion. Aber sonst gibt es fast kein Themengebiet in Sachen Umweltschutz, über das der Surfer keine Infos findet.

So hat beispielsweise Dirk Huppertz auf einer Seite des Wissenschaftsladens Dortmund e.V. unter http://www.anarch.ping.de/WiLa/derik/EXISTHUM.html ein sehr umfangreiches "Experimentelles Informationssystem im Hypertext-Konzept zu Umweltgiften" publiziert, das sich aufgrund seiner Datenfülle und Tabellen ausgezeichnet als Ausgangsmaterial zum Thema Öko-Bilanz eignet.

Eine sehr interessante Seite bietet auch http://www.umwelt.de mit Literatur, Einkaufshinweisen und Informationen zu Messen und Veranstaltungen.

Das Internet wird hier auf eine erfreuliche Art zum Werbeträger für den Umweltgedanken: Zur "Ökowelt", einer Ausstellung zum Thema Umwelt und Ökobau in Nürnberg vom 27. bis 30. September diesen Jahres, kann sich der Surfer einen Internet-verteilten Coupon für einen verbilligten Eintritt ausdrucken.

Berechnungen von Stoff- und Energiebilanzen

Speziell auch mit der DV im Umweltschutz befaßt sich die Seite der Weckauf DTV GmbH aus Roetgen unter http://www.umweltnet.de - allerdings bedarf es zum intensiven Einstieg in die Informationsquelle einer Subskription. Dann aber stehen dem Surfer im Zusammenhang mit der Datenverarbeitung die verschiedensten Suchbereiche zur Verfügung - von Materialflußanalysen über Simulationsprogramme und Modellrechnungen, datentechnische Dienstleistungen, Berechnungen von Stoffbilanzen bis hin zu DV- Anwendungen.

Auch in der Produktion ist Umweltschutz ohne DV nicht mehr denkbar. Problemkreise sind nach wie vor die Optimierung der Art des eingesetzten Materials und des Verbrauchs sowie die Nebenaspekte der Produktion wie Emissionen, Abwasser und Rückstandsvermeidung.

Meßsysteme sind dabei sowohl Lieferanten entscheidender Daten wie auch Kontrollinstanzen für die Maßnahmen. Als bislang in der Bundesrepublik vom Umfang her einzigartiges, realisiertes Projekt gilt das Pilotmeßnetz der Mercedes Benz AG (MBAG) in Essen- Mettingen und Stuttgart-Untertürkheim. Seit Anfang 1996 werden im Rahmen dieser Pilotanwendung Abluftkamine und Abwasserkanäle kontinuierlich überwacht. Momentan werden nach Aussage des für die MBAG verantwortlichen Projektleiters Heinrich Hobelsberger 41 Stellen auf unterschiedliche Parameter wie Staub, Stickoxide, Kohlenmonoxid und andere Stoffe meßtechnisch rund um die Uhr überwacht. Das Pilotmeßnetz ist eine Gemeinschaftsarbeit der Daimler-Benz AG, der Mercedes Benz AG, Daimler-Benz Aerospace und AEG - der Kostenaufwand beläuft sich nach Angaben von Mercedes Benz auf über fünf Millionen Mark.

Die Daten der nach einem eigens entwickelten und mittlerweile patentierten Probeentnahmesystem arbeitenden 37 Abluftkamine (Gießerei, Hinterachslackierung, Motorenprüfstände) sowie der zwei Abwasserkanäle und der zwei Wetterstationen werden automatisch nach verschiedenen Kriterien auf einer Unix-Workstation mit relationaler Datenbank ausgewertet und gespeichert. Unregelmäßigkeiten führen zu einer Alarmierung der verantwortlichen Produktions- und Instandhaltungsmitarbeiter per Funk.

Das Meßprojekt arbeitet mit dem geografischen Informationssystem "Terralogic" von Dornier - entwickelt wurde das notwendige Programm in C mit einer Benutzeroberfläche nach Motif-Standard, teilt Mercedes Benz mit. Die Laufzeit im Pilotbetrieb ist auf mehrere Jahre ausgelegt, um die notwendigen Erfahrungen zu sammeln. Das Verfahren ist, so die MBAG, auch für andere Industriezweige einsetzbar.

Die Erfolge, die sich dank moderner Technologie positiv auf die Ökobilanz auswirken, sind nicht von der Hand zu weisen.

So arbeiten fast alle großen Hersteller mittlerweile mit Hilfe von ausgeklügelten Systemen daran, nicht nur die Belastung der Umweltbilanz durch die Produktion zu verringern, sondern auch die Produkte selbst im Sinne des Umweltschutzes zu verbessern. Volkswagen zum Beispiel entwickelte zusammen mit der Universität Kassel "Carts", ein Computer Aided Realtime Test System zur Funktionsüberprüfung komplexer elektronischer Steuergeräte für Motoren und automatische Getriebe. Der Simulator ersetzt, so VW, den echten Motor, das Getriebe und das Fahrzeug und ermöglicht es, die Steuergeräte im Labor unter verschiedensten Betriebszuständen zu testen. Ziele sind Vermeidung aufwendiger Versuche am Motorenprüfstand und im Fahrzeug sowie Verringerung der Abgasemissionen. Umweltschutz wird also allmählich ganzheitlich gesehen - von der Industrie aber auch in kleineren Einheiten beachtet und durchgesetzt.

Neue Kommunikationskonzepte, wie beispielsweise das von Volkswagen gemeinsam mit der PPS/EDV aus Göttingen und Braunschweig sowie Heedfeld Elektronik, Bielefeld, entwickelte Anrufbus-System, sind ein Baustein auf dem Weg zu einer saubereren Natur. Ein computergestütztes Dispositionsverfahren mit einer Funkübermittlung des jeweils nächsten Fahrtzieles für Kleinbusse im öffentlichen Nahverkehr macht diese Hypertaxis im Haus-zu-Haus- Transport ähnlich flexibel wie eine Nutzung des eigenen Pkws. Der Vorteil für den Fahrgast: Er gelangt fast genausoschnell nach Hause wie mittels Individualverkehr und kann sich ruhigen Gewissens seinem PC und dem Internet zuwenden - mal schauen, was an spannenden umweltrelevanten Goodies darin noch aufzufinden ist.

Angeklickt

Gerade die Automobilindustrie hat es nötig, sich in Sachen Umweltschutz ins rechte Licht zu setzen. Doch geht es hierbei nicht nur um ein vordergründig besseres Image - eine positive Ökobilanz ist, auch aus dem Blickwinkel der Wirtschaftlichkeit, ein integrales Thema dieses für die Bundesrepublik so wichtigen Industriezweiges. Informationstechnik kann - wie im Beispiel auch das Internet - im weitesten Sinn und in vielfältigster Weise dem Umweltschutz dienen, was anhand zahlreicher weiterer Beispiele deutlich wird.

*Horst-Joachim Hoffmann ist freier Fachjournalist in München.