Teamarbeit - der große Mythos

12.09.2002

Bernd Riedel, Abteilungsleiter im IT-Vertrieb eines Münchner Großanwenders, arbeitet sowohl mit „Einzelkämpfern“ als auch mit „Teamerprobten“ seiner 20-köpfigen Mannschaft an bis zu 60 Projekten. „Die heutigen Anforderungen an die IT führen dazu, immer mehr Teams haben zu müssen.“ Seine Gruppe ist in die Bereiche IT-Strategien, -Architekturen und Daten-Management für Marketing & Vertrieb unterteilt. Riedel: „Fünf bis sieben Spezialisten sind ideal. Doch viele Projektleiter nehmen lieber noch zwei, drei Experten mehr dazu.“

Größere Teams müssten nochmals aufgeteilt werden, sonst „sitzen die Mitarbeiter nur noch jeden fünften Tag am Arbeitsplatz, weil sie sich ständig abstimmen müssen“. Am effizientesten sei es aber, wenn jeder die Aufgaben allein bearbeiten kann. Ein weiterer Schwachpunkt von Teamarbeit seien unklare Zuständigkeiten, die zu verdeckten Konflikten führten: „Jeder denkt, der andere bearbeitet das Problem, und dann stellen die Mitarbeiter kurz vor Projektschluss fest, dass nichts funktioniert“, konstatiert Riedel. Damit alle Mitarbeiter klare Aufgabenstellungen bekommen und jeweils auch die Zuständigkeit der anderen kennen, stellt das Unternehmen Projekthandbücher ins Intranet. Dennoch bedarf die Teamarbeit der ständigen Kommunikation.

„Wir müssen viel Energie in Gespräche investieren“, berichtet Stefan Körner, Global Team Leader eines 20-köpfigen internationalen Teams bei IBM, Böblingen. Trotzdem glaubt man beim Stuttgarter Konzern, mit Teams am ehesten Forschungsaufträge abarbeiten zu können: So entwickeln hunderte IBM-Mitarbeiter innerhalb kleiner Projektgruppen in weltweiten Niederlassungen. „Die Entwickler, Vertriebsleute oder sonstigen Experten sind immer in Teams eingebunden. Der reine Einzelkämpfer ist ausgestorben“, meint Walter Hospach, Abteilungsleiter im IBM-Personalbereich.

Diese Bedingungslosigkeit will Mario Zaleski, Geschäftsführer der Wiesbadener Case Consult (CC) GmbH, nicht gelten lassen: „Natürlich muss man Teamarbeit wieder splitten, wenn es durch die Struktur der Aufgaben und Ziele erforderlich wird.“ Vor allem in der Tool-Entwicklung erreiche der Einzelne mehr als das Team. Es gebe auch viele „Bremser und Blender“, die sich nicht ins Team einbrächten.

In einer Umfrage des Beratungs-Netzwerkes Team-Company geben deutsche Manager freimütig zu, dass die Resultate von Leistungsstarken erzielt würden, der Rest seien Trittbrettfahrer. Gut bewährt habe sich Teamarbeit lediglich in der Anfangsphase, die allerdings nur den Bruchteil eines Projektes ausmache. Hier denken die Mitarbeiter seiner Ansicht nach noch visionär, es geht noch nicht um konsequentes Handeln. „Mit zunehmendem Projektverlauf entsteht ein Drei-zu-Eins-Verhältnis: 75 Prozent der Aufgaben werden von 25 Prozent der Mitarbeiter erbracht“, so Zaleski.

„In vielen Firmen trauen sich Mitarbeiter nicht einmal mehr, ihre Kollegen in fachlichen Dingen zu befragen, aus Angst, es könnte als Schwäche ausgelegt werden“, kritisiert Rüdiger Haupt, selbständiger Berater für IT-Projekte in Karlsruhe-Durlach, das inzwischen schlechte Klima in vielen IT-Teams. Der Diplomphysiker hat während seiner 37-jährigen Tätigkeit in der DV-Branche Einblicke in die verschiedensten IT-Abteilungen Deutschlands bekommen. Früher habe eine rege Kommunikation zwischen allen Mitgliedern und dem Teamchef stattgefunden. In den vergangenen zehn Jahren sei die Qualität der Teams jedoch deutlich gesunken.