Zukunft der Arbeit

Team schlägt Hierarchie

11.02.2013
Von 
Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.

Drei Halbsätze reichen

Auch der Lörracher Professor Hanser begrüßt die strukturellen Veränderungen in den Organisationen: "Der Projektleiter wird zum Diener des Projekts, der die Hindernisse beiseiteräumt." Führung durch Autorität und Hierarchie sei auf dem Rückzug, "sozietäre Autorität" durch die richtige Zusammensetzung des Teams setze sich durch. Da ohnehin fast alle Entwickler studiert hätten, müsse ihnen auch kein Vorgesetzter zeigen, "wie sie den Bleistift halten sollen". Hinzu kommt, dass die neuen Aufgaben von der schriftlich geprägten Kommunikation entlang klassischer Hierarchieebenen nicht mehr erfüllt werden können. Eine "osmotische Kommunikation", fordert der Wissenschaftler Hanser, der sich dabei auf den Agile-Pionier Kent Beck bezieht: "Man bekommt viele wichtige Informationen nebenbei mit, wenn man im gleichen Raum sitzt." Und während früher eine kleine Spezifikation auf vier Seiten schriftlich definiert wurde, reichen dafür in der agilen Methode häufig drei Halbsätze. Die Details klären sich im Gespräch.

Dieter Boch, Arbeitsforscher: "In einem modernen Büro werden keine Unterschiede mehr für Führungskräfte gemacht."
Dieter Boch, Arbeitsforscher: "In einem modernen Büro werden keine Unterschiede mehr für Führungskräfte gemacht."
Foto: IAFOB

Derartige Umwälzungen schlagen sich auch auf den Arbeitsmittelpunkt nieder: "Nicht mehr Einzelzimmer, Schreibtisch und Stuhl sind die entscheidenden Kriterien für den Arbeitsplatz, sondern die Erfüllung der verschiedenen Raumbedürfnisse", sagt Dieter Boch, geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Arbeitsforschung und Organisationsberatung (IAFOB) in Anzing bei München. Kommunikation, Recherche, Lernen, Konzentration und Erholung - heute habe man erkannt, dass diese Elemente in der Arbeit enthalten sind und ausbalanciert werden müssten.

Dienstleister für Mitarbeiter

Die vielleicht wichtigste Veränderung betrifft die Spitze: "In einem modernen Büro werden keine Unterschiede mehr für Führungskräfte gemacht", sagt Arbeitsforscher Boch, "und die einheitliche Lösung ohne Privilegien läutet das Ende des klassischen ,Vor-Gesetzten` ein." Seiner Ansicht nach habe die personelle Hierarchie alter Prägung ausgedient - "wir brauchen heute Führungskräfte und keine Manager - Führungskräfte, die ihre Mitarbeiter bestmöglich mit Ressourcen versorgen und die Rahmenbedingungen organisieren, quasi Dienstleister am Mitarbeiter". Angesichts der zunehmenden Vernetzung der Spezialisten untereinander und ihrer guten Ausbildung sei die "hierarchisch strukturierte Führung des vorletzten Jahrhunderts" ohnehin nicht mehr zeitgemäß. Das alles ist "Sprengstoff für die Unternehmensstrukturen", warnt Vorgehensmodelle-Spezialist Hanser.

Der Ledersessel ist bedroht

Foto: rook76/shutterstock

Das letzte Wort, der große Schreibtisch und auch der Ledersessel sind bedroht - nur die wenigsten Manager werden die Veränderungen mit offenen Armen empfangen. "Das alles trägt jedoch nicht zur Wirtschaftlichkeit und Innovationskraft des Unternehmens bei", sagt Arbeitsforscher Boch. Gerade die für die deutsche Wirtschaft wichtigen Innovationen würden nur in einem entsprechenden Klima gedeihen, "in dem Mitarbeiter ihre Kreativität entfalten und ihre Ideen einbringen können". Auch Scrum-Coach Stapf ist sich sicher, dass sich die modernen Ansätze der Arbeitsorganisation durchsetzen werden: "Wer einmal richtig Blut in einem agilen Team geleckt hat, der will nicht mehr zurück."