Sapthagiri Chapalapalli im Gespräch

TCS will global integrieren und smart lokalisieren

05.10.2017
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Tata Consultancy Services (TCS) ist der größte indische IT-Dienstleister, der auch in Deutschland viele Großkunden betreut. Der für Zentraleuropa zuständige Manager Sapthagiri Chapalapalli ("Saptha") erklärt die Konzernstrategie - und warum TCS kein Billigheimer sein will.
  • Warum die Automatisierung der IT-Infrastruktur mittels KI der nächste Schritt ist
  • In Deutschland gibt es keine schnellen Deals, IT-Dienstleister brauchen viel Geduld
  • Auf dem Mainframe sitzt oft die Kernfunktionalität eines Unternehmens

Was unterscheidet Tata Consultancy Systems von anderen großen IT-Dienstleistern?

Sapthagiri Chapalapalli (Saptha), Vice President und Managing Director Central Europe bei Tata Consultancy Services.
Sapthagiri Chapalapalli (Saptha), Vice President und Managing Director Central Europe bei Tata Consultancy Services.
Foto: TCS

Saptha: Das ist zunächst die Größe: TCS beschäftigt 385.000 Mitarbeiter. Ein Erfolgsgeheimnis besteht darin, dass wir unsere Services ganzheitlich anbieten, also weit über die IT hinaus. Das betrifft IT, Consulting, Engineering und Geschäftsprozesse gleichermaßen. Damit können wir den IT-Organisationen weiterhelfen, denn die sind oft nicht tief mit ihrem Business integriert. Sie haben sich als interne Dienstleister aufgestellt und müssen die Brücke zum Business erst noch schlagen. Wir sind aber sowohl auf der IT- als auch auf der Prozessseite aktiv.

Wie setzen Sie Ihre 385.000 Mitarbeiter ein?

Saptha: Wir konzentrieren uns auf bestimmte Branchen: Versicherungen etwa, Fertigungsbetriebe, Life Sciences, Logistik oder Airlines. Ungefähr 80 Prozent der wichtigsten Unternehmen in diesen Branchen sind unsere Kunden. Wir bieten also nicht nur Full Services, sondern auch Branchenwissen. Ganz wichtig für uns ist das kontextuelle Wissen über unsere Kunden. Mit vielen arbeiten wir seit zehn, 15, manchmal 20 Jahren zusammen. Diese Erfahrung hilft uns, Change-Projekte schnell voranzutreiben. Wir können die Pläne unserer Kunden in den Kontext ihres Business und der Branche stellen.

Ein gigantisches konzerneigenes Social-Network

Wie sorgen Sie dafür, dass das Wissen in einer solch großen Organisation optimal verteilt und von allen abgerufen werden kann?

Saptha: Wir haben eine der größten internen Enterprise-Social-Plattformen der Welt, auf der wir unser Wissen teilen. Rund 300.000 Mitarbeiter in aller Welt arbeiten damit. Damit sind wir schnell in der Umsetzung, wir nennen das "Ability to Execute". Die unkomplizierte Delivery hat dazu geführt, dass wir unsere Kundenbeziehungen langfristig erfolgreich gestalten können.

In Zeiten der Digitalisierung sind Innovationen gefordert. Wie ist TCS hier aufgestellt?

Saptha: Sowohl von der Technologie- als auch von der Branchenperspektive her haben wir immer einen Fokus auf Innovation gelegt. Wenn unsere Kunden zu uns kommen, können wir mit ihnen sowohl über Mainframe-Technologie als auch über Künstliche Intelligenz reden. Wir besitzen eine der reifsten und fortschrittlichsten KI-Plattformen namens ignio. Heute wird sie vor allem für die Automatisierung von IT-Infrastrukturen eingesetzt. Wir können damit simulieren, wie Menschen Probleme lösen und welche Entscheidungsbäume dabei eine Rolle spielen. Mit unserer Plattform bauen wir das nach. Sie hilft uns, in kurzer Zeit einzuschätzen, welche Folgen Infrastruktur- und Geschäftsprozessveränderungen auf den gesamten Geschäftsbetrieb haben können.

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Wie gehen Sie den deutschen Markt an? Haben Sie Übernahmen getätigt?

Saptha: Nein, wir wir wachsen organisch. Deutschland ist ein sehr großer Markt für uns. Wir haben uns genau angesehen, was der beste Weg ist, um hier voranzukommen. Natürlich haben wir uns desselben Customer-centric Modells bedient, das TCS weltweit nutzt. Aber Innovation, tiefes Branchenwissen und gute Execution reichen nicht aus. Sie brauchen auch eine gute Lokalisierungsstrategie. Für den angelsächsischen Markt haben wir die schon lange, aber in Märkten wie Frankreich, Japan und Deutschland mussten wir sie erst erarbeiten. Globale Integration und gleichzeitig lokale Ansprache - eine "Smart Localization" ist kompliziert.

Schnittstelle zur weltweiten Delivery ist zentral

Worauf kam es dabei an? Die Sprache?

Saptha: Auch, aber zunächst einmal braucht man gute Leute mit den richtigen Fähigkeiten. Wenn wir versucht hätten, nur eine Gruppe guter Techniker einzustellen, wären wir nicht weit gekommen. Es gibt nicht genug IT-Fachkräfte. Smart Localization heißt für uns, die richtige Menge an qualifizierten Mitarbeitern an den geeignetsten Stellen einzusetzen und deren Arbeit optimal in unser weltweites Global-Network-Delivery-Modell einzufügen.

Wir haben heute Teams an 52 deutschen Standorten und bedienen mit 1500 Leuten 95 überwiegend große Kunden. Wir haben sieben Büros, einschließlich drei Hubs, je einen in München, Frankfurt und Düsseldorf. Wichtig ist, dass unsere Mitarbeiter perfekt in die internationale Organisation integriert sind. Es muss für Kunden einfach sein, mit uns zusammenzuarbeiten. Das ist die Barriere, die wir ständig gesenkt haben. Die Prozesse sind nicht das Problem, die sind hoch standardisiert und laufen weltweit ähnlich. Schwieriger sind kulturelle Themen und menschliche Aspekte. Es geht um die Zusammenarbeit in agilen Projekten.

"Agile ist bei TCS der Standard", sagt der Zentraleuropa-Chef Saptha.
"Agile ist bei TCS der Standard", sagt der Zentraleuropa-Chef Saptha.
Foto: TCS

Und schließlich braucht man in Deutschland einen langen Atem. Ergebnisse nach sechs Monaten werden Sie hier nicht bekommen. Manchmal arbeiten wir mit Unternehmen drei Jahre zusammen, ehe sie wirklich unsere Kunden werden. Es gibt keine Abkürzungen in Deutschland, man braucht Zeit. Aber es funktioniert: Immerhin sind wir seit 2010 um das Vierfache in Deutschland gewachsen. Aktiv sind wir hier seit 1991.

Stichwort Agilität: Wie kann ein weltweiter Dienstleister dieser Größenordnung nahe am Kunden sein und gemeinsam mit ihm Probleme lösen?

Saptha: Das Problem der räumlichen Trennung hat der Kunde ja immer, auch ohne einen externen IT-Dienstleister. Schauen Sie sich die großen Konzerne an mit ihren Offices in deutschen und weltweiten Metropolen. Wir haben einen Collaboration-Ansatz, den wir "Any location agile" nennen. Es gibt Teams, da sitzt ein Mitarbeiter des Kunden in London, zwei sitzen in München, vor Ort werden sie jeweils unterstützt von einem TCS-Mitarbeiter, und alle anderen Projektbeteiligten sind in Indien.

Wir haben dafür unsere bereits erwähnte One-touch-Collaboration-Plattform, die uns hilft. Man muss nicht irgendwelche Leute anrufen, Termine vereinbaren oder sonst was, man hat alle Beteiligten im unmittelbaren Zugriff. Wir haben die Prozesse so angepasst, dass jede Location wirklich agil operiert. Agile ist bei TCS der Standard. Wenn der Kunde das momentan nicht will, definieren wir gemeinsam eine Roadmap, die zu ihm passt. Die Anwendung von Agile hat in den vergangenen 18 Monaten zugenommen.