IDC-Studie zur Zukunft asynchroner Connectivity-Tools

TCP/IP und WWW machen alten PC-Utilities zu schaffen

30.08.1996

Die Marktforscher von IDC nehmen in ihrer Studie "Der Software-Markt für Datenkommunikation, 1995-2000" ein spezielles Marktsegment, das der sogenannten Datacom-Software, unter die Lupe. Gemeint ist damit eine Untergruppe der Connectivity- Lösungen, die primär für den Dateientransfer über serielle Verbindungen (Modems) konzipiert ist (siehe Lexikothek).

Das eigentlich recht beschauliche Geschäftsfeld für die Anbieter von Datacom-Software bestand IDC zufolge ursprünglich darin, den PC-Anwendern grundlegende Connectivity-Techniken bereitzustellen. Mit der gestiegenen Kommunikationsfunktionalität der Betriebssysteme und der Verfügbarkeit von mehr und immer unterschiedlicheren zusätzlichen Kommunikations-Features hat jedoch der technische Wettlauf und damit der Wettbewerb an Schärfe gewonnen. Dies um so mehr, als noch zwei weitere Faktoren für einen Umschwung sorgten: Die immer mehr an Bedeutung gewinnenden Internet-Technologien sowie gleichzeitig vermehrte Bestrebungen in den Unternehmen, in Sachen remoter Zugriff auf LANs und TCP/IP- Migration Flagge zu zeigen.

Dies hat nach Ansicht der Auguren vor allem im vergangenen Jahr zu einer deutlich gestiegenen Marktdynamik und zu ersten Konsolidierungserscheinungen unter den Anbietern geführt. Datacom- Lösungen konkurrierten dabei immer häufiger in Umgebungen, die durch folgende Bedingungen charakterisiert waren: intern aufgebaute IT-Infrastrukturen (via MIS oder Internet-Service- Provider), anhaltende Verdrängung von Bulletin-Board-Systemen durch das Internet respektive World Wide Web, reduzierter Bedarf an alternativen Optionen für den Dateientransfer sowie Wettbewerb seitens der Datacom-Features in Windows 3.1 und Windows 95.

Der Bedarf an Punkt-zu-Punkt-Kommunikation hat abgenommen, analysieren die IDC-Experten. Statt dessen bedienten sich Endanwender immer häufiger eines Internet-Service-Providers oder betrieblicher Remote-Access-Server-Systeme (RAS). Durch die Bemühungen seitens der Unternehmen, hierfür zentralisierte Zugriffspunkte zu schaffen, entstanden in den vergangenen zwölf Monaten umfassende betriebliche Zugriffssysteme. Auch das explosionsartige Wachstum beim Internet-Zugriff und attraktive Preise machten die Internet-Service-Provider für private und kommerzielle Zwecke gleichermaßen zu einer attraktiven Adresse. Eine der Konsequenzen daraus ist, daß mittlerweile Datacom- Lösungen wie beispielsweise die von Datastorm den Zugang zu Internet-Diensten (Compuserve) bieten, heißt es weiter.

File-Transfer wandert in das World Wide Web ab

Gleichzeitig wurden 1995 Bulletin-Board-Systeme umfassend durch WWW-Zugriffsmechanismen einschließlich FTP und Gopher ersetzt. Da dieser Bereich ursprünglich ein wichtiger Absatzmarkt für Datacom- Produkte war, ging hier auch die Nachfrage zurück. Der File- Transfer zwischen Unternehmen, etwa für den technischen Support, ist eine von einer ganzen Reihe wichtiger Anwendungen, die derzeit dabei sind, in das Internet beziehungsweise World Wide Web abzuwandern, stellen die Marktforscher unumwunden fest.

Daneben hat die Migration zu TCP/IP, die sich im Zeitraum zwischen 1994 und 1995 beschleunigte, den Anbietern von Datacom-Software weitere Einbußen gebracht. So wuchs 1995 nach Angaben von IDC der weltweite Markt für PC-basierte TCP/IP-Software um 71,1 Prozent von fünf Millionen (1994) auf 8,6 Millionen Einheiten. Auch die Ursachen für diesen Boom scheinen für die Auguren festzustehen: Immer mehr TCP/IP-Applikationen, vor allem aber FTP, Gopher und WWW-Browser, beinhalteten für jeden IP-Knoten standardisierte Funktion für die Datenkommunikation alternative PC-Utilities würden dadurch überflüssig.

Nicht zuletzt hat sich IDC zufolge auch die forcierte Vermarktung von Windows 95 und insbesondere dessen Kommunikations-Utilities in der zweiten Jahreshälfte 1995 negativ auf den Verkauf von Datacom- Software ausgewirkt. Dies um so mehr, als die einschlägigen Lösungen bereits gegen Windows-3.1-Terminal-Anwendungen im Wettbewerb standen.

Durch die genannten Trends gingen nach Erhebungen von IDC die Auslieferungen von Datacom-Software 1995 um 14 Prozent zurück. Dies forcierte den Trend zu besagter Konsolidierung - sprich: den Aufkauf entsprechender Anbieter durch größere Hersteller von PC- Connectivity-Software. So hat sich bekanntlich Quarterdeck Anfang 1996 den Marktführer Datastorm einverleibt. Mehr denn je wird es also, so die Marktforscher, für die klassischen Datacom-Software- Anbieter auf ein zielgerichtetes Marketing ankommen. WWW-Browser wie Netscape Navigator und Microsoft Explorer werden immer umfassender verfügbar und haben das Potential, die Datacom- Produkte aus den Regalen des Einzelhandels zu verdrängen, befürchtet IDC. Hinzu kommt der Nachteil, daß Datacom-Software - von wenigen Ausnahmen (Attachmate/"Crosstalk") abgesehen - vorrangig über Vertriebskanäle abgesetzt und selten direkt in den Anwender-Unternehmen vermarktet wird.

Preise werden weiter in den Keller gehen

Sowohl im Consumer- als auch im professionellen Markt bewegen sich aus diesen Gründen die Preise für Datacom-Software unaufhaltsam nach unten. Der Einbruch begann 1994 und dürfte sich laut IDC über den gesamten Betrachtungszeitraum fortsetzen. Tendenziell sei bis zum Jahr 2000 mit einem Rückgang des Marktvolumens um im Durchschnitt jährlich 5,5 Prozent (siehe Tabelle Seite 23) zu rechnen. Dementsprechend würden den 1995 ausgelieferten 1,3 Millionen Einheiten zur Jahrtausendwende nur noch 960000 Pakete entgegenstehen. Der Umsatz der Branche dürfte von 105,2 Millionen (1995) auf 71,1 Millionen Dollar (2000) sinken.

Einsatzspektrum muß immens erweitert werden

Dieser Negativtrend werde, so IDC, auch noch durch die Tatsache untermauert, daß der Markt im ersten Halbjahr 1995 noch vom "Boomjahr" 1994 profitierte, als - bedingt durch das damalige allgemeine Wachstum im PC-Business, vor allem aufgrund der großen Nachfrage nach Home-PCs und Internet-Connectivity - 1,5 Millionen Einheiten an Datacom-Software ausgeliefert werden konnten.

Klassische Datacom-Software dürfte sich, so IDC, in Zukunft nur noch in Anwendungsszenarien durchsetzen, die die folgenden zusätzlichen Features benötig- ten: Stand-alone- beziehungsweise Punkt-zu-Punkt-Connectivity, Abwärtskompatibilität für Datei- und/oder Informations-Retrieval, Integration am Desktop von unterschiedlichen Kommunikationsarten (Fax, Dateitransfer) sowie Netzwerkumgebungen ohne TCP/IP-basierten Support (entweder als Gateway oder als Netzprotokoll). Gleichzeitig müßten die einschlägigen Anbieter aber das Einsatzspektrum ihrer Lösungen erweitern, um auch künftige Anforderungen in Sachen Connectivity abzudecken. Dazu würde gehören, sich weiter an den Bedürfnissen der Anwender zu orientieren, die wichtigsten und nicht immer die neuesten Kommunikations-Utilities zu adressieren sowie andere Optionen wie beispielsweise ISDN zu unterstützen.