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ERP-Hersteller sind uneins

Taugt Linux fürs Enterprise Computing?

04.03.1999
Von Michael Hufelschulte
ERP-Hersteller sind uneins

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Es ist schon eigenartig: Einige renommierte Software-Anbieter, etwa die SAP oder Oracle, portieren ihre Vorzeigeprodukte (R/3 beziehungsweise 8i) auf das Open-Source-Unix Linux. Andere wie J.D. Edwards oder Peoplesoft lassen lieber die Finger von der beinahe kostenlosen Software. Paul Barker, Director für das technische Marketing bei J.D. Edwards, meint etwa, viele der Kunden griffen "nur aus einer Art akademischer Neugier" zu Linux. Für den echten Unternehmenseinsatz taugt das Betriebssystem seiner Ansicht nach nämlich noch nicht. Auch wenn Linux in manchen Bereichen schon gut aussehe, mangle es an einer Roadmap für standardisierte Installation, Setup, Konfiguration und Management und auch an den entsprechenden Tools. Außerdem unterscheide sich die im kommerziellen Umfeld am weitesten verbreitete Distribution von RedHat teilweise

erheblich von anderen Varianten, die in der Public Domain erhältlich seien.

Ein Sprecher von Peoplesoft ist noch radikaler: Seine Firma plane überhaupt keine Portierungen auf Linux - die Kunden hätten schlicht kein Interesse daran. Seltsam, daß SAP ausgerechnet die starke Nachfrage seitens der Anwender als Grund für die Linux-Anpassung von R/3 angeführt hat.

Joshua Greenbaum, Chef des Beratungsunternehmens Enterprise Applications Consulting in Berkeley, Kalifornien, sieht durchaus einige Bereiche des ERP-Umfelds (Enterprise Resource Planning), in denen Linux bereits zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll ist. Dazu zählt der Experte zum Beispiel Web-Server zum Zugriff auf Legacy-Host-Anwendungen, Abteilungs- und E-Commerce-Server. Kommerzielle High-end-Unixe oder gar Mainframe-Betriebssysteme, auf denen die zentralen Daten und Anwendungen eines Unternehmens liegen, könne Linux keinesfalls ersetzen. "Große Unternehmen brauchen eine kommerzielle Beziehung zu einem Hersteller, um die nötigen Servicegarantien zu bekommen", erklärte Greenbaum. Weil für dieses Problem generell noch keine Lösung in Sicht ist, gehen Analysten davon aus, daß in den kommenden zwei Jahren nicht mehr als fünf Prozent aller Anwender Linux im ERP-Umfeld einsetzen werden.