Wettbewerb mit Microsoft nimmt Fahrt auf

Taligent-Software von IBM-Apple wird frueher als erwartet fertig

29.01.1993

Neun Monate nach der Gruendung der gemeinsamen Softwareschmiede kann Taligent-CEO Joseph Guglielmi mit einer ersten Erfolgsmeldung aufwarten: "Wir haben wesentliche Teile des Betriebssystems fertig", zitiert ihn das "Wall Street Journal".

Ausschlaggebend fuer die Fruehreife des Betriebssystems von Apple und Big Blue war die fruehe Entscheidung, Apples Taligent- Entwicklungsanstrengungen ganz wesentlich auf dem bereits vorhandenen Code des Apple-Betriebssystems "Pink" aufzusetzen. Dieses war zunaechst fuer Mac-Anwendungen konzipiert, laut Aussagen der Joint-venture-Entwickler wird Taligent auch fuer OS/2- Applikationen auf Mac- und IBM-Rechnern geeignet sein.

Philippe Kahn, Chef von Borland, drueckte bereits seine Begeisterung fuer IBMs und Apples zukuenftiges Betriebssystem- Angebot aus: "Vom technischen Standpunkt aus beurteilt, muss man es als brillante Loesung bezeichnen. Taligent ist wesentlich schneller, als ich jemals erwartet habe."

Waehrend alle Welt geglaubt habe, die beiden ungleichen Partner wuerden monatelang ausschliesslich damit befasst sein, ihre unterschiedlichen Firmenkulturen aneinander anzugleichen, sei etwas Unerwartetes passiert: "Taligent hat die jeweils besten Eigenschaften der Elternteile beerbt", urteilt der Borland-CEO.

Wohl auch, um Microsoft kleine Nadelstiche zu versetzen, schworen sich bereits einige ISVs (Independant Software Vendors) wie Novell und Wordperfect auf Taligent ein und gaben ihre Absicht bekannt, fuer dieses Betriebssystem Anwendungen entwickeln zu wollen. Man hoffe, so Wordperfects Chief-Executive Alan Ashton, dass Taligent sehr erfolgreich werden wird. Hier gilt allerdings anzumerken, dass besonders diese beiden Unternehmen bemueht sind, jegliche Betriebssystem-Plattform zu bedienen.

Der staerkste Rivale der Apple-IBM-Ehe duerfte sicherlich Microsoft sein. Die Gates-Company besitzt mittlerweile wegen der Verbreitung von DOS/Windows ungefaehr 90 bis 95 Prozent Marktanteil am Geschaeft mit PC-Betriebssystemen. Mit Windows NT, das nach Aussagen aus Redmond nun bis zur Fruehjahrs-Comdex im April in Atlanta fertig sein soll, kann William H. Gates III einen Wettbewerber ins Feld schicken, der sehr leistungsfaehig sein soll.

Ausserdem duerfte Windows NT durch das Wosa-Konzept (Windows Open Services Architecture) in seinen Charakteristika fuer Anwender entscheidend gewonnen haben. Das Schnittstellen-Buendel unterstuetzt unter anderem mit dem ODBC-API (Open Database Connectivity Technology) nicht nur alle relationalen Datenbanken, sondern auch verschiedene nicht SQL-faehige Datenhaltungssysteme. Damit oeffnet Wosa Microsofts Betriebssystemen eine Rechnerwelt, die von PC-, ueber Midrange- bis zu Grossrechner-Systemen reicht.

Darueber hinaus kuendigte Microsoft schon den NT-Nachfolger "Cairo" an. Dieses Betriebssystem soll analog zu Taligent komplett auf objektorientierten Programmierstrukturen basieren.