Ortung

Taliban lassen Mobilfunk in Kundus nachts abschalten

06.05.2010
Die radikal-islamischen Taliban haben am nordafghanischen Bundeswehr-Standort Kundus die Abschaltung des Mobilfunknetzes während der Nacht erzwungen.

Die Aufständischen gaben als Grund an, ihre Kämpfer davor schützen zu wollen, dass Sicherheitskräfte sie mittels Handysignalen orten können. Vertreter führender Mobilfunk-Anbieter sagten, sie hätten sich der Forderung der Aufständischen beugen müssen. Anwohner bestätigten, dass die Netze aller vier Anbieter in der Region in der Nacht zu Donnerstag in der gesamten Provinz abgeschaltet waren. Die Bundeswehr in Kundus kann über eigene Satelliten-Netze telefonieren.

Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid sagte, man wolle den Plan der "Feinde Afghanistans und der Besatzer" vereiteln, Aufständische durch Handysignale zu orten. "Weil das Risiko nachts höher ist, haben wir die Telefonfirmen gebeten, zu kooperieren und ihre Signale von der Abenddämmerung bis zum Tagesanbruch abzuschalten."

Die Firmen schalteten die Netze bereits vor mehreren Tagen ab, nachdem die Taliban insgesamt vier Sendemasten in Kundus-Stadt und in den Unruhedistrikten Char Darah sowie Dascht-e-Archi zerstörten. In südlichen Regionen hatten die Taliban bereits vor gut zwei Jahren vorübergehend die Abschaltung des Mobilfunknetzes erzwungen, nachdem sie auch dort Sendemasten sprengten.

"Wir sind Telefonunternehmen und keine Sicherheitsfirmen", sagte ein Mitarbeiter eines Mobilfunk-Anbieters, der ungenannt bleiben wollte, der Nachrichtenagentur dpa. "Wenn die Regierung unsere Mitarbeiter und unsere Einrichtungen nicht schützen kann, haben wir keine Wahl, als ihren Forderungen (der Taliban) zu folgen."

Ein Mitarbeiter eines anderen Anbieters sagte, alle großen Mobilfunk-Unternehmen seien übereingekommen, dort, wo die Taliban dies verlangen, das Netz abzuschalten. "Eine Sendemast mit den notwendigen Geräten kostet fast eine halbe Million Dollar, aber für uns ist das Leben unserer Mitarbeiter noch wichtiger, das auf dem Spiel steht."

Die meisten Afghanen haben kein Festnetztelefon, sondern nutzen Handys. Die Mobilfunkbranche ist einer der erfolgreichsten Wirtschaftszweige in Afghanistan.

Der Polizeichef von Kundus, Mohammad Rasak Jakubi, sagte, die Sicherheitskräfte hätten sich mit Vertretern der Mobilfunk-Firmen getroffen. "Wir haben eine Lösung dafür gefunden und werden das Problem bald beheben." Einzelheiten wollte er nicht nennen.

Das Provinzratsmitglied Chosh Mohammad sagte, derzeit gebe es zwischen 18 Uhr abends und sechs Uhr morgens keine Handyverbindung. Besonders gewöhnliche Bürger seien dadurch beeinträchtigt. Möglicherweise wollten die Aufständischen von den Mobilfunk-Anbietern Schutzgelder erpressen. "Ich denke, das zeigt nicht ihre Stärke, sondern ihre Schwäche." Ein Einwohner von Kundus-Stadt namens Sherin Agha sagte, besonders bei medizinischen Notfällen sei es problematisch, dass das Handy nachts nicht funktioniere.

Die Internationale Schutztruppe ISAF meldete unterdessen den Tod von zwei ihrer Soldaten im Süden des Landes. Ein Soldat sei am Donnerstag bei einem Anschlag getötet worden, ein weiterer Soldat sei am Vortag bei einem Gefecht erschossen worden, teilte die ISAF mit. (dpa/tc)