Taiwans IT-Industrie (Teil 2 und Schluss) Inselchinesen wollen Image des Billigproduzenten ablegen

09.07.1993

TAIPEH (jm) - Auch die diesjaehrige Computex-Messe in der taiwanischen Hauptstadt Taipeh machte deutlich, dass die IT- Industrie des Inselstaats nach wie vor in erster Linie von ihrem Hardware-Angebot lebt. Doch die Regierung hat Projekte ausgelobt, mit denen sie die einseitige Ausrichtung Taiwans als Billigproduzent fuer internationale DV-Anbieter zu modifizieren trachtet. Vor allem der Softwarebranche soll auf die Beine geholfen werden.

Wie gering die Bedeutung der taiwanischen Software- Entwicklungsstaetten fuer den Export der nationalen DV-Industrie ist, zeigt die Abbildung. Der Software-Anteil am gesamten taiwanischen Computerindustrie-Export macht lediglich sechs Prozent aus. Auf ganze 63 Millionen US-Dollar beliefen sich die Ausfuhren mit in Taiwan entwickelter Weichware.

Insgesamt setzte Taiwans Information-Service-, also Software- Industrie, 1992 nach Informationen des Market Intelligence Center (MIC) und des Institute for Information Industry (III1,03 Milliarden US-Dollar um. Fuer das laufende Jahr rechnet das regierungsamtliche Institut mit einer Steigerung von 22 Prozent auf zirka 1,261 US-Dollar.

Das groesste Geschaeft entfiel dabei mit 330 Millionen US-Dollar oder 32 Prozent auf Systemintegrations-Aufgaben. Software Package, also Software-Entwicklungsprojekte allgemein, trugen im abgelaufenen Kalenderjahr zu 29 Prozent (298 Millionen) zum Gesamtumsatz bei. Diesem Taetigkeitsfeld raeumt man in Taiwan die groessten Entwicklungspotentiale ein. MIC-Direktor Tze-Chen Tu: "Wir gehen davon aus, dass dieses Segment fuer die Software-Industrie Taiwans die groesste Bedeutung haben wird."

Die Bereitstellung schluesselfertiger Systeme schlaegt noch einmal mit 18 Prozent (188 Millionen US-Dollar) des Gesamtgeschaefts zu Buche. Netzdienstleistungen fallen mit zehn Prozent Anteil (98 Millionen) schon erheblich ab. Das DV-Servicegeschaeft mit neun Prozent (94 Millionen) und Rechenzentrums-Dienstleistungen mit nur zwei Prozent (25 Millionen) vom Kuchen rangieren am Ende der Umsatz-Hitliste.

Der Umsatz mit Betriebssystem-Software verbucht mit 48 Prozent (143 Millionen US-Dollar) den groessten Anteil, wobei Systemsoftware fuer Workstations mit fuenf Millionen US-Dollar nur ein sehr bescheidenes Dasein fristet. Systemsoftware fuer PCs mit 74 Millionen und Mini- sowie Grossrechner-Systeme mit 64 Millionen US- Dollar laufen den vermeintlichen Hoffnungstraegern der Branche - zumindest in Taiwan - deutlich den Rang ab.

Sowohl Betriebssystem- als auch Applikationssoftware werden dabei - nicht ueberraschend - zum ueberwiegenden Teil importiert: 60 Prozent aller Anwendungen und 69 Prozent der Betriebssysteme kommen aus dem Ausland.

Hinter diesen Zahlen verbirgt sich uebrigens eine Pikanterie: Gemaess einer Studie der Business Software Alliance (BSA), der Vereinigung internationaler, vorwiegend US-amerikanischer Softwareproduzenten, verliert die Softwaregilde weltweit jedes Jahr durch Raubkopien mehr als zwoelf Milliarden US-Dollar. Wie BSA-President Robert Holleyman einem Bericht der Tageszeitung "China News" vom 4. Juni 1993 zufolge angab, pflegen vor allem asiatische Laender den Brauch unentgeltlicher Software-Ausleihe.

Toppositionen naehmen hier Japan und Taiwan ein, bei denen jeweils 93 Prozent der privat oder in Firmen benutzten Software raubkopiert seien, Zahlen, die taiwanische Offizielle vor der Presse allerdings bestritten. Einsame Spitze ist nach Schaetzungen der BSA Thailand: Hier wurde nur ein Softwarepaket von 100 legal erworben. Zum Vergleich: Deutschlands Computerbenutzer kommen nur in 43 Prozent aller Faelle ihrer Zahlungsverpflichtung nach.

Insgesamt, so Tu vor der Presse, verzeichnen die Inselchinesen 400 Software-Unternehmen. Bei den meisten handelt es sich um Joint-ventures mit auslaendischen Firmen. Nur vier der SW- Unternehmen erzielten 1992 mehr als 50 Millionen US-Dollar Umsatz, 23 kamen auf zehn bis 50 Millionen, 82 Firmen brachten es auf Brutto-Einnahmen zwischen einer Million und zehn Millionen US- Dollar.

Um der Software-Industrie einen besseren Stand zu verschaffen, legten das Industrial Development Bureau (IDB) und das III einen regierungsgefoerderten Fuenfjahresplan auf, der in diesem Jahr in Kraft trat. Ziel des Entwicklungsprogramms ist, den Umsatzanteil an der gesamten DV-Industrie von 1,03 Milliarden US-Dollar bis 1997 auf 3,5 Milliarden US-Dollar anzuheben; weiter soll die Produktivitaetsrate pro Person verdoppelt und der Anteil am Export mehr als verdreifacht werden.

Hierzu bietet Taiwan unterschiedlich geartete Unterstuetzungsmoeglichkeiten an: Unter anderem gewaehrt die Regierung steuerliche und finanzielle Beihilfen oder F&E- Zuschuesse, die bis zu 50 Prozent entstehender Gesamtkosten abdecken koennen und - besonders interessant - nicht zurueckgezahlt werden muessen.

Elf Projekte gehoeren ferner zu einem Entwicklungsplan der taiwanischen Regierung, die, mit insgesamt rund 400 Millionen Mark ausgestattet, unterschiedlich lang dauern und bis zum Jahr 2002 vollendet werden sollen.

Ausserdem planen die oekonomischen Strategen der dem chinesischen Festland vorgelagerten Insel drei sogenannte Software-Parks. Diese werden dem jetzt schon existierenden und etwa 40 Kilometer suedwestlich der taiwanischen Hauptstadt an der Magistrale Taipeh- Koahsiung gelegenen Technologiepark Hsinchu aehneln. Hier haben Unternehmen wie Acer und D-Link ihren Hauptsitz.

Geht alles nach Plan, wird der "Taipei-Software-Park" mit 18 000 Mitarbeitern 1995 eroeffnet. Die anderen beiden

Softwareschmieden - der "Taichung Software Park" mit 25 000 Arbeitsplaetzen sowie der "Kaohsiung Software Park" mit deren 20 000 - sollen erst dann ins Leben gerufen werden, wenn der Thinktank von Taipeh mit Erfolg operiert.