Als Produzent von Eigenerzeugnissen:

Taiwan schlägt Handelsbrücke nach Europa

23.11.1984

MÜNCHEN (kul) - Mit ehrgeizigen Plänen sind die Vertreter Taiwans nach München gekommen. Hauptziel der meisten Aussteller ist es, ihre bisherige Verkaufspolitik, die über Zwischenhändler und Importeure lief, durch den direkten Verkauf an die deutsche Industrie abzulösen. Mit dem Aufbau von gewissen Eigenmarken verfolgen die taiwanischen Unternehmen ein weiteres Anliegen: als Produzenten in das Bewußtsein der hiesigen Geschäftsleute zu dringen.

In der westlichen Welt hat sich Taiwan vorwiegend als Produzent von Chips und Billigelektronik einen Namen gemacht. Als weiteres Standbein entwickelte sich die Fertigung von OEM-Equipment. Diesen Bereich will die Republik China auch weiterhin forcieren. Allerdings, so Ulrich Planken, Trade Promotion Specialist des Taiwan Trade Service in Düsseldorf, wird sich möglicherweise die Gewichtung künftig etwas ändern:

Der OEM-Bereich könnte dann verstärkt Zulieferfunktionen für die eigene Industrie übernehmen. Hier bestehe starkes Interesse, eigene Produkte unter eigenem Namen und Warenzeichen auch in Europa auf den Markt zu bringen. Planken: "Einige Anbieter haben ja schon in Deutschland Fuß gefaßt. Beispielsweise wird der taiwanische Hersteller Tatung jetzt in Düsseldorf ein Büro gründen, um eine bessere Operationsbasis für geschäftliche Aktivitäten zu schaffen." Diese Vertretung konzentriere sich zunächst auf den Absatz von Audioelektronik. Es sei jedoch geplant, die Produktpalette sukzessive zu erweitern. Als Ziel werde die Entwicklung von eigenen Computern ins Auge gefaßt, die vorläufig hauptsächlich aus Großbritannien kommen.

Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern erscheint den taiwanischen Unternehmen in vieler Hinsicht interessant. Besonders im Bereich der Small-Business-Computer suchen die Anbieter aus der Republik China Kontakte zu hiesigen Herstellern.

Hauptkonkurrenten auf den Weltmärkten sind für Taiwan in erster Linie die Vereinigten Staaten und Japan, die südostasiatischen Länder stellen hier nach Ansicht von Planken weniger eine Gefahr dar: "Vielleicht geht auch die Orientierung der Industrie in diesen Staaten in eine etwas andere Richtung. Während beispielsweise Hongkong und auch Singapur sehr stark zur Konsumgüterelektronik tendieren, scheint die Entwicklung für Taiwan doch mehr zur industriellen Anwendung zu gehen."

Große Stücke setzt die Republik China nach wie vor auf die wirtschaftliche Kooperation mit den USA. Es gebe, so Planken, sehr viele traditionelle Beziehungen zwischen den beiden Ländern und auch die Kontakte zu der großen überseeischen Gruppe in den Vereinigten Staaten seien sehr stark. Auch der Abbruch der diplomatischen Beziehungen vor einigen Jahren habe hier zu keinem merklichen Einschnitt geführt.

Optimistisch geben sich die Vertreter Taiwans auch im Hinblick auf die Öffnungspolitik der Volksrepublik China. Die Regierung in Taipeh befürchte keinen echten Konfrontationskurs, zumal sich weltweit keine Nation für einen der beiden chinesischen Staaten entscheiden müsse. Planken: "Ein Entweder-Oder gibt es in dieser Hinsicht für uns nicht. "

Taiwan habe noch vor einigen Jahren Produkte geringerer technischer Qualität geliefert, die im direkten Vergleich zu den Erzeugnissen aus der Volksrepublik standen. Inzwischen sei der technische Standard des Inselstaates jedoch stark gestiegen. Den Vergleich mit dem "großen Bruder" brauche die Republik China also in diesem Bereich nicht mehr zu fürchten.