T3E auch mit Luftkuehlung zu haben Cray Research bringt die zweite Generation von MPP-Systemen

08.12.1995

MUENCHEN (kk) - Cray Research kuendigt mit der "T3E"-Serie die zweite Generation von massiv-parallelen Rechnern (MPP) an. Neben fluessigkeitsgekuehlten Versionen wird es auch luftgekuehlte Modelle geben.

Mit dem Stand-alone-Einsatz und bei einem Einstiegspreis von unter einer Million Dollar fuer die luftgekuehlten T3Es, das ist rund ein Drittel des Basispreises des Vorgaengers "T3D", hofft der Hersteller auf ein neues Marktsegment. Die MPP-Rechner sollen nicht nur in den Rechenzentren der wissenschaftlichen Labors stehen, sondern auch vor Ort, wo, beispielsweise in der Oelindustrie, die Datenmengen anfallen. "Ausserdem kaufen Leute aus dem normalen technischen Arbeitsumfeld keine fluessigkeitsgekuehlten Maschinen", beurteilt Chris Willard, Analyst der IDC, die erweiterten Marktchancen.

Cray verwendet wie schon bei den T3Ds die Alpha-Prozessoren von Digital Equipment. In den neuen Rechnern kommt der mit 300 Megahertz getaktete "EV5" zum Einsatz. In den luftgekuehlten Modellen lassen sich 16 bis 128 dieser CPUs koppeln, die leistungsstaerkeren Systeme mit Fluessigkeitskuehlung koennen 64 bis 2048 Prozessoren aufnehmen. Jedes Prozessorelement fasst 64 bis 512 MB lokalen Speicher.

Anders als bei der ersten MPP-Generation konzipierten die Cray- Ingenieure die neuen Massiv-Parallelen fuer den Stand-alone- Betrieb: Sie benoetigen keinen zusaetzlichen "Vorrechner" mehr. Die alten Rechner - oft als Hochleistungs-Beschleuniger bezeichnet - mussten an Crays traditionelle Supercomputer angeschlossen werden.

Fuer den Datenaustausch zwischen Prozessoren und Peripherie haben sich die Cray-Entwickler mit dem "Gigaring", der auf dem Standard Scalable Coherent Interface (SCI) der IEEE basiert, etwas Neues einfallen lassen. Der Gigaring ist doppelt ausgelegt, so dass bei Ausfall eines Knotens im Ring alle anderen Knoten trotzdem noch erreichbar sind. Funktioniert ein Teil des Ringes nicht, uebernimmt der zweite Ring die Kommunikation im Halbduplex-Modus. Damit lassen sich defekte Komponenten auch im laufenden Betrieb austauschen.

Ein Kanal des Doppelrings hat eine theoretische Bandbreite von 1200 MB/s, Cray rechnet mit tatsaechlich erreichbaren 800 MB/s im Halbduplex-Betrieb. Die Transferrate verdoppelt sich im Vollduplex-Modus auf 1600 MB/s. Ein Gigaring-System laesst sich an je 16 CPUs anschliessen. Die Verbindung der Knoten im Ring erfolgt Punkt zu Punkt, wobei jeder Knoten aus einem ASIC-Chip, dem Gigaring-Knotenprozessor, besteht, der die Kanalfunktionalitaet bereitstellt.

Das Konzept des Gigarings, dessen Spezifikationen Cray auch anderen Herstellern offenlegt, erlaubt flexible Konfigurationen, beispielsweise bidirektional zwischen zwei Rechnersystemen oder als Netzwerk zwischen Cluster-Verbunden. Da ueber das I/O-System auch die Peripheriegeraete mit dem T3E-Rechner verknuepft werden, muessen entsprechende Anschlussmoeglichkeiten vorhanden sein. Cray liefert mit der ersten Version des Gigaringes Mehrzweck-Controller zum Anschluss von SCSI, ATM, FDDI und Ethernet, IPI-Disk- Controller, Hippi-Kanal, Escon-Kanal, Block-Mux-Kanal, Fibre- Channel-Arbitrated-Loop-Disk-Controller sowie eine Fibre-Optic- Gigaring-Erweiterung.

An einen Knotenrechner lassen sich unterschiedliche Controller- Arten anschliessen. Ausserdem ist auch der Zugriff von mehreren Rechnern auf ein Peripheriegeraet erlaubt. Cray plant, den Gigaring spaeter auch in den Supercomputern und Sparc-basierten Unix-Servern "CS6400" einzusetzen.

Ueberarbeitet wurde auch das "Unicos"-Betriebssystem, dem ein Chorus-Microkernel implementiert wurde. Die neue Version "Unicos/mk" erfuellt noch immer das Kriterium des Single System Image, bei dem das Betriebssystem nur einmal fuer alle Prozessoren im Rechner abgelegt ist.

Mit T3E wieder in der Gewinnzone?

Intern ist es aber verteilt organisiert, so dass sich beispielsweise auf allen Knoten lokale Betriebssystem-Server befinden, waehrend globale Funktionen wie Scheduling oder I/O- Verwaltung dedizierten Prozessoren zugeteilt sind. Unicos/mk erfuellt nach Herstellerangaben die Unix-Standards X/OpenXPG4 Base 95 Profile, Posix 1003.1 und 10003.2.

Mit dem T3E einen Kassenschlager zu landen, wuerde der angeschlagenen Cray Research guttun, die dieses Jahr mit einem Verlust in Hoehe von geschaetzten 70 Millionen Dollar abschliessen wird. Philip Samper, Chairman und CEO des in Eagan, Minnesota, beheimateten Unternehmens, gibt dafuer zwei Gruende an: Zum einen seien Restrukturierungskosten fuer die Verschlankung der Firma angefallen, und andererseits haette die Kundschaft auf das T3E- Modell gewartet. Allerdings werde man das vierte Quartal 1995 mit einem operativen Gewinn abschliessen koennen, und fuer das Jahr 1996 peilt der CEO die Rueckkehr in die Gewinnzone an.

Das "Wall Street Journal" zitiert Jay Stevens, Analyst bei Dean Witter, mit der Prognose, dass Cray dieses Jahr mit einer Umsatzeinbusse von 27 Prozent rechnen muesse. Er veranschlagt die Verkaufseinnahmen auf 675 Millionen Dollar gegenueber 921 Millionen im Jahr zuvor. Allerdings prophezeit auch er dem Unternehmen gute Aussichten fuer das kommende Jahr: Der Umsatz werde um 20 Prozent steigen.

Tatsaechlich hat Cray Research fuer die neuen T3E-Systeme, die im ersten Halbjahr 1996 zur Auslieferung bereitstehen sollen, schon die ersten Bestellungen verbuchen koennen. Der Auftragswert fuer die Neugeraete belaeuft sich nach Herstellerangaben auf rund 92 Millionen Dollar. Unter anderem haben die Kernforschungsanlage in Juelich, das Garchinger Rechenzentrum der Max-Planck-Gesellschaft, der staatliche franzoesische Energiekonzern CEA und die EDS in den USA solche MPP-Systeme geordert.