T-Systems-Chef Pauly: "Es gibt keine Alternative zum Stellenabbau."

10.10.2006

CW: Das lässt sich an den Einnahmen von T-Systems ablesen. Die haben in den vergangenen Jahren bestenfalls stagniert, sind zuletzt sogar geschrumpft. Welches Rezept haben Sie gegen den Umsatzschwund?

Pauly: Wir streben Wachstum im Ausland an. Als Marktführer in Deutschland tun wir uns schwer, Umsatz und Marktanteil zu steigern. Hier lautet unser Ziel, unseren Marktanteil zu verteidigen. Wir wollen mindestens so schnell zulegen wie der Marktdurchschnitt und vertrauen dabei auf Innovationen, die wir aus neuen integrierten Lösungen aus Informations- und Kommunikationstechnologie erstellen. Beispiele sind Systeme zur Mauterfassung oder aber dynamische Dienstleistungen wie verbrauchsabhängige Mietmodelle bei Software, Hardware und Speicherplatz.

Neben den geografisch orientierten Zielen werden wir neue IP-Dienste anbieten. Dazu werden wir unsere gesamte Netzinfrastruktur auf IP umstellen, so dass Daten und Sprache über ein Medium übertragen werden. Das gilt nicht nur für die lokalen Netze, die PCs und Telefone anschließen. Das gilt auch für sämtliche Verbindungen, die die Unternehmensgrenzen überschreiten. Wir werden die ersten Kunden im Januar 2007 auf ein rein IP-basiertes Netz mit Universal IP-Access umstellen. Ab April starten wir den Massen-Roll-out. Unser Zeitplan sieht vor, bis 2009 oder 2010 sämtliche alten Netze, die heute auf ATM und Frame Relay basieren, sowie alle herkömmlichen klassischen PSTN-Telefonnetze abzuschalten.

CW: Wollen Sie damit den sehr späten Einstieg von T-Systems in den Markt für Voice over IP kompensieren?

Pauly: Als ich vor einem Jahr zu T-Systems kam, habe ich mir zunächst die Position des Unternehmens zum Thema VoIP erläutern lassen. Damals lief das Legacy-Geschäft gut. Eine zu frühe Bewegung Richtung IP wäre unternehmerisch nicht sinnvoll gewesen. Die technische Entwicklung lässt sich aber nicht aufhalten, ob wir es begrüßen oder nicht.

Als Markt- und Technologieführer müssen wir Entwicklungen vorantreiben. Wir dürfen uns nicht von ihnen treiben lassen. Um das zu verhindern, habe ich bereits im vergangenen Jahr die Strategie geändert.

CW: Wird darunter das Geschäft von T-Com leiden?

Pauly: Einerseits ja. Aber andererseits brauchen wir weiterhin die IP-Backbones und Core-Netze von T-Com, auch in einer reinen IP-Welt. Die Geschäftskunden sind meist Vorreiter in der Nutzung neuer Techniken. Davon ausgehend, werden wir sukzessive die Produktion auch bei T-Com auf ein New Generation Network (NGN), also ein komplett IP-basiertes Netz, umstellen.

CW: Tragen Sie damit IP-Technik künftig aktiv in den Massenmarkt?

Pauly: Ja, die Telekom wird ein NGN betreiben. Das entspricht der neuen Telekom-Governance, wir arbeiten derzeit die Zeitpläne aus. Die Fragen, die es noch zu klären gilt, lauten: Wie schnell können wir von der alten zur neuen Welt springen? Was bedeutet der Schwenk für die Jahre während der Übergangsphase?

CW: Sie bieten damit auch Privatkunden künftig aktiv IP-Services an?

Pauly: Ja, die Telekom stellt auf IP um. Das wird auch zu neuen Angeboten im Massenmarkt führen.

CW: Zu deutlich günstigeren Preisen.

Pauly: Ja, das ist richtig. Die teuere Wartung der alten Netze entfällt.

Lothar Pauly

Nach 18 Jahre im Siemens-Konzern weiß Lothar Pauly offensichtlich, wie Großunternehmen funktionieren. Pauly, 1959 in Bad Homburg geboren, kam direkt nach dem Studium der Betriebswirtschaft in München zur Siemens AG, und stieg kontinuierlich auf. Zuletzt war er CEO des Unternehmensbereichs Communications. Im Oktober 2005 wechselte Pauly als Leiter der T-Systems International in den Vorstand der Deutschen Telekom, noch bevor Siemens große Teile der kränkelnden Com-Sparte in ein Joint Venture mit Nokia einbrachte.

Bei T-Systems trat Pauly die Nachfolge von Konrad Reiss an, der im April 2005 überraschend gestorben war. Im Wesentlichen knüpfte Pauly an der Strategie von Reiss an, leitete nur einige Feinjustierungen ein, etwa den Einstieg in das IP-Geschäft und die stärkere Einbindung von Offshore-Ressourcen in die Lieferstruktur. Innerhalb von nur einem Jahr stieg Pauly neben Mobilfunkchef René Obermann zum zweiten starken Mann hinter Telekom-CEO Kai-Uwe Ricke auf. In dem vom Telekom-Chef geplanten Konzern-Umbau spielt Pauly eine Schlüsselrolle: Er soll das IT-Budget um eine Milliarde Euro kürzen und das interne Produktionsnetz modernisieren. (jha)