Verwaltung heterogener Strukturen durch OS2-Server geplant

Systemview: Big Blue dehnt das Management auf lokale Netze aus

05.06.1992

NEW YORK (IDG) - Bei IBM steht kurz nach der Ankündigung, mit APPN frischen Wind in die SNA-Architektur bringen zu wollen, eine weitere Reform ins Haus. Die Verantwortlichen in Armonk beabsichtigen, die Mainframelastige Management-Plattform "Systemview" auf Multivendor-LANs auszudehnen und diese durch OS/2-Server verwalten zu lassen.

Die Systemview-Strategie von Big Blue ist in der Vergangenheit bei Anwendern wie Insidern immer mehr ins Gerede gekommen. Der Grund: IBM hat Systemview stets als großes Konzept angepriesen, bislang aber wenige Produkte auf den Markt gebracht, die zudem, so die Kritik, viel z u stark auf IBMs Hosts ausgerichtet sind.

Das Management in Armonk gab nun bekannt, seine Systemview-Politik ändern zu wollen. Im Laufe des Jahres wird Big Blue einige Produkte präsentieren, die das magere Erscheinungsbild der Systemview-Architektur kräftigen sollen. Ziel IBMs ist, so Bill Warner, Network Systems Director of Enterprise Management, das einseitige Mainframe-Image abzubauen sowie Management-Optionen für alle Plattformen zu schaffen. In diesem Zusammenhang kündigte Warner auch die Entwicklung einer OS/2-Plattform für Systemview an.

Trotz der in Aussicht gestellten Produkte machte IBM bisher keine näheren Angaben über deren Details. An die Öffentlichkeit drang nur die Information, Big Blue werde eine offene Management-Softwareplattform für lokale Netze unter Systemview im Herbst für seine Kunden anbieten. Von dieser Ebene aus, so ein IBM-Sprecher, können Netzadministratoren Applikationen fahren, die eine Kontrolle sowohl von IBM- als auch von anderen Systemen sowie Netzen erlauben.

Die Plattform wird auf OS/2 basieren und Management-Software sowie ein standardisiertes grafisches User Interface beinhalten. Vorrangige Intention sei dabei laut IBM, Drittanbietern die Möglichkeit einzuräumen, Applikationen zu schreiben, die auf der Management-Software aufsetzen. Eine ähnliche Plattform werde auch für die AS/400 entwickelt, Verlautete aus IBM-Kreisen.

Skepsis in Sachen Realisierung

"Wir sind froh, daß IBM diese Richtung einschlägt, weil die Anwender keine Architekturen, sondern Produkte kaufen wollen", lobt Bill Bailey, bei der Versicherungsgesellschaft Unum für die Netzplanung verantwortlich, den Kurswechsel der IBM. Bislang, so Bailey, seien die Produkte für sein Unternehmen kaum nutzbar gewesen.

Obwohl in Fachkreisen die neue Systemwiew-Strategie ein positives Echo findet, herrscht doch eine gewisse Skepsis in Sachen Realisierung vor. "IBM muß sich mit der LAN-Management-Plattform beeilen, weil die Anwender sonst zu anderen Systemen abwandern", gibt Dick Boyle, Direktor für LAN-Kommunikation bei der Gartner Group zu bedenken. Bisher, so Boyle, hätten LANs im Systemview-Konzept jedoch kaum eine. Rolle gespielt, IBM habe deshalb eine großen Nachholbedarf

Den Systemview-Versprechungen von Mother Blue vertraut man bei Unum längst nicht mehr. Die Netzadministration des Lebensversicherers hat die Applikationen zur Steuerung der verteilten LAN-Software selbst geschrieben, weil diesbezüglich in der gegenwärtigen Produktpalette der IBM-Architektur nichts im Angebot ist. "Ich fürchte, für uns kommt die Änderung der Systemview-Strategie zu spät", bemängelt Paul Dolbec. Direktor des Support Services bei Unum, den späten Zeitpunkt der Neuordnung und fügt hinzu: "IBM legt nach wie vor zu viel Gewicht auf die Mainframes." Dolbec rät dem Konzern, seine LAN-Systeme mit dem gleichen Nachdruck zu entwickeln, wie es mit den MVS- und VM-Plattformen geschieht.

Nach Ansicht von Tom Nolle, Präsident des Beratungsunternehmens Cimi Corp., ist die Systemview-Ankündigung von Big Blue fiktiv, weil sie wenig Fakten enthält. "Es ist schwer abzusehen, wie IBM alle Wünsche, die ein Anwender an eine Management-Plattform stellt, unterstützen will", äußert Nolle seine Bedenken als Berater.

Da ein Markt für die erweiterte Produkt- und LAN-Philosophie unter Systemview besteht, beweist das Ansinnen der Bankers Trust Co., die mit den Systemview-Produkten ihr Datenzentrum reorganisieren -möchte. Nach Aussage von Warren Ousley, Senior Vice-President, sollen die komplizierte Umgebung der Netze und LANs künftig durch Systemview verwaltet werden.