Systemverkauf war unbefriedigend Alpha-Lizenznehmer Kubota wechselt von DEC zu Intel ueber

19.08.1994

MUENCHEN (jm) - Fuer die Digital Equipment Corp. (DEC) entwickelt sich das Geschaeft mit Alpha-Prozessoren nicht wie gewuenscht. Faellt es dem VAX-Hersteller schon schwer, Lizenznehmer fuer die neue Architektur zu gewinnen, so trifft es ihn nun noch haerter: Mit der Kubota Graphics Corp. hat der erste Systemhersteller die OEM- Vereinbarung mit DEC gekuendigt.

Digital wollte zu den Nachrichten vorerst keine Stellungnahme abgeben. Man befinde sich , so eine Firmensprecherin, mit Kubota in Verhandlungen ueber das weitere Procedere. Klar sei natuerlich, dass man Kunden, bei denen Kubota-Rechner installiert sind, nicht verlieren wolle. Entscheidungen wuerden erst in der vierten Augustwoche spruchreif.

Im gleichen Sinne aeusserte sich Kubota-Manager Guenter Born. Er versicherte aber, dass die Kunden "auf jeden Fall auch weiterhin Support erhalten" werden. Unklar sei nur, von wem. Verhandlungen mit DEC seien im Gange.

Mit der im Februar 1992 erstmals praesentierten 64-Bit-Architektur verband DEC hochfliegende Erwartungen. Sie galt als Nachfolger fuer die VAX-Prozessoren und -Systeme. Als Cash-cow der 90er Jahre sollte sie DECs Geschaeftserfolg ueber das Jahr 2000 hinaus sichern. Von Anfang an aber hatte der potente Prozessor mit Akzeptanzproblemen in der DV-Branche zu kaempfen. Es dauerte lange, bis sich einige Systemhersteller bereit fanden, Rechner auf der Grundlage des Alpha-Chips zu entwickeln. Olivetti zeigte auf der CeBIT 1993 grosses Interesse an der DEC-Architektur. Firmen wie die US-Waffenschmiede Raytheon, Kubota und spaeter Cray Research erhofften sich von der leistungsstarken CPU Gewinne.

Cray Research faehrt zweispurig

Cray allerdings faehrt zweispurig: Das im September 1993 vorgestellte massiv-parallele "T3D"-System rechnet zwar mit den Alpha-CPUs von DEC, daneben besteht aber auch eine Kooperation zwischen dem Supercomputer-Marktfuehrer und Sun Microsystems.

Mit dem im Workstation-Segment grossgewordenen Unternehmen arbeitet Cray an Superservern, die auf der Leistung von bis zu 64 Supersparc-Prozessoren basieren. Moeglicherweise um Verwirrungen bezueglich des Produktangebots vorzubeugen, gruendete Cray die Tochterfirma Cray Research Superserver, die die "CS-6400"- Maschinen vertreibt.

Schon anlaesslich der Praesentation Ende 1993 kamen Geruechte auf, in Zukunft koennten auch

die Massively-Parallel-Processing-(MPP-)Systeme mit Sparc-CPUs arbeiten. Zu solchen Informationen wollte man bei der deutschen Superserver-Division zwar nicht Stellung nehmen, allerdings raeumte ein Unternehmenssprecher ein, er koenne sich durchaus vorstellen, dass beide Rechnerwelten eines Tages zusammenwachsen wuerden.

Encore Computer sprang dieses Jahr mit den "Serie-90-RT"-Systemen auf den Alpha-Zug auf. Allerdings erfreut sich DEC auch bei dem Echtzeitspezialisten keiner ungeteilten Aufmerksamkeit: Die seit Oktober 1992 angebotenen und fuer MPP-Aufgaben vorbereiteten "Infinity-90"-Systeme rechnen noch mit Motorolas 88110-RISC-CPUs. Hier wird allerdings ein Architekturschwenk auf die Intel- Plattform vorbereitet, der bis Ende 1994 vollzogen sein soll.

Einschraenkend bezeichnete Encore-CEO und Chairman Kenneth Fisher die mit dem Alpha-RISC-Chip ausgestattete Serie-90-RT-Rechnerlinie lediglich als eine Offerte, mit der Marktchancen im Hochleistungsbereich geprueft werden sollen. Die Pentium-Systeme hingegen seien fuer den wichtigen Geschaeftsbereich transaktionsorientierter Anwendungen - also den kommerziellen Sektor - gedacht.

Ebenfalls 1993 wandte sich Advanced Computer Research International (ACRI), franzoesischer Anbieter von Multiprozessor- Maschinen, DEC zu.

Allen diesen Firmen haftet das Image an, Nischenanbieter zu sein, die keine grossen Stueckzahlen verwirklichen koennen. Wohl auch deshalb fand sich mit Mitsubishi bislang erst ein Halbleiterhersteller bereit, als Lizenznehmer die Alpha-CPU zu produzieren. Allerdings haben die Japaner mit der Produktion noch nicht begonnen.

Mit Kubota verlaesst nun ein Unternehmen das DEC-Schiff, das zumindest im Nischenmarkt der Grafiksysteme einen guten Namen hat. Mit den Alpha-basierten "Denali"- und "Kenai"-Maschinen hoffte der Anbieter, Silicon Graphics als Marktfuehrer im Grafiksegment etwas Wasser abzugraben. Offensichtlich blieben aber die Stueckzahlen installierter Grafiksubsysteme wie etwa Beschleunigerkarten hinter den Erwartungen von Kubota zurueck.

Das aus den Resten von Stardent - einem Firmenzusammenschluss von Ardent Computer Inc. und Stellar Computer Corp. - geborene Unternehmen hatte einer Meldung des Informationsdienstes "Unigram.X" zufolge schon im Vorgriff der nun erfolgten Trennung den Direktvertrieb von Alpha-Systemen in Europa eingestellt.

Die Tochter der japanischen Traktorenfirma Kubota Corp. wird sich nun an die Intel-Architektur und Microsoft anlehnen und ihr Glueck auf dem 3D-Markt fuer PC-Systeme versuchen. Mit der "Actiongraphics"-Technologie moechte Kubota Grafikleistungen in Workstation-Dimensionen bieten, die ueber indirekte Vertriebskanaele an den Kunden gebracht werden soll. Erste Systeme wuerden, so "Unigram.X" weiter, unter einem Windows-NT-Produkt laufen, das die "Open-GL"-Komponente von Daytona NT nutzt.

Auch die Verbindung zwischen DEC und Olivetti scheint beeintraechtigt: DEC wird ab Herbst 1994 nicht mehr Olivetti- Notebooks unter eigenem Namen vertreiben, sondern Eigenentwicklungen auf den Markt bringen.

Ob das sich hieraus moeglicherweise entwickelnde Stimmungstief auch auf die Alpha-Geschaefte zwischen beiden Unternehmen abstrahlt, bleibt abzuwarten. Zumindest scheint man bei DEC mit Olivettis Verkaeufen von Alpha-Systemen unzufrieden zu sein. Die Stueckzahlen erreichten nicht die erhofften Groessenordnungen. Das bedeute jedoch nicht - wie Firmensprecher Rolf Kakrow bestaetigt -, dass Olivetti sich von der Alpha-Technologie abwendet.

So fuegten die Italiener ihren "LSX"-Servern und -Workstation- Linien jetzt die Modelle "7370" und "7390" hinzu. Bei diesen handelt es sich um leistungsfaehigere Systeme, die mit dem Alpha- Prozessor "EV45" rechnen und mit 225 beziehungsweise 275 Megahertz getaktet sind.

Zum Prozessorgemischtwarenladen bei Olivetti gehoeren auch die Modelle "LSX 5050", ein mit vier Pentium-CPUs von Intel ausgestattetes System, sowie die

"LSX-6500"-Rechner. Bei letzteren handelt es sich um Pyramid- Systeme auf Basis der veralteten

"Miserver"-Technologie mit Mips-RISC-Prozessoren. Die Rechner werden nach den Worten von Kakrow allerdings nur in einigen Projektgeschaeften eingesetzt.