Nach der Entflechtung der klassischen Hannover-Messe:

Systems-Macher spielen Systec gegen CeBlT aus

19.07.1985

MÜNCHEN - Eine frische Brise aus Bayern hat die deutschen Computer-Messe-Manager an ihre teilweise sommerlich verwaisten Schreibtische zurückgescheucht: Systems-Macher Gerd vom Hövel, Geschäftsführer der Münchener Messegesellschaft (MMG), hat die Messe-Karten um einen Joker bereichert und damit neu gemischt. Die Münchner Elektronik-Messen-Spezialisten spielen jetzt die CAD/ CAM-Karte aus. Die erste "Systec" findet alternierend mit der Systems Ende Oktober '80 statt

Als "erstaunlich schnelle Reaktion" auf die Entflechtung der Hannover-Messe wertet ein westdeutscher Messe-Manager die neue Facette im Verbund der High-Tech-Märkte in der Oktoberfest-Stadt. In erster Linie betroffen sei neben der noch auf wackligen Füßen stehenden Neukonzeption der Hannover Messe-CeBIT, die im März 86 zum erstenmal ohne den klassischen Hintergrund der "größten Industriemesse der Welt" vom Stapel laufen soll, die im zweiten Jahr aufstrebende CAT '86 in Stuttgart. So wird der CAD/CAM-Fachmann in den Betrieben im kommenden Jahr von der Qual der Wahl ganz besonders betroffen sein: Gleich drei völlig neu konzipierte Messen (neben der CAMP in Berlin) werben um seine Gunst, alle mit dem Anspruch auf Internationalität und mehr oder weniger Praxisnähe.

Gewisse Anhaltspunkte über die Vollständigkeit des Angebots und die Qualität des begleitenden Kongreßprogramms sowie der Zielgruppenorientierung der einzelnen Veranstaltungen liegen schon vor.

Zunächst einmal wollen die Münchener gezielt auf die Wünsche der mittelständischen Industrie eingehen, da hier in nächster Zeit ein wachsender Bedarf an Informationen über Computer-unterstütztes Entwickeln, Konstruieren, Fertigen und Testen entstehe. An die 150 Aussteller, so schätzt vom Hövel "vorsichtig", sollen in der ersten Systec diesem Bedarf gerecht werden; ein vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI) ausgerichteter Fachkongreß, der während der Systems schon seine 1200 Besucher hatte, steht für Kontinuität; seine Organisatoren sind die Professoren Hans Grabowski (Karlsruhe) und Joachim Milberg (München). Termin der neuen CAD/CAM-Messe: 27. bis 30. Oktober 1986.

Wenn sich auch Hannover-Messe-Vorstand Klaus E. Goehrmann, weil noch nicht genügend informiert über den jüngsten bayerischen Systems-Ableger, nicht zu einer Beurteilung der neu entstandenen Situation bereitfinden mochte, so ließ er doch auch Zahlen sprechen. An die 2000 Aussteller 1986 und "damit irgendwann einmal 99,9 Prozent der Anbieter weltweit" werde die künftige März-Messe in der niedersächsischen Metropole versammeln (1985 waren es 1400 Aussteller).

In der Leinestadt fühle man sich deshalb recht relaxed; zusätzlich wolle man "gewisse Restrukturierungen" vornehmen. Die Hannover-Messe-CeBIT solle sich nicht mehr als "homogene Masse" darstellen, sondern als eine durchstrukturierte, neue Technologie-Verbund-Messe, in der mehrere Komplexe neu geordnet werden, so der spezielle Fachkomplex Mikrocomputer, der Komplex Branchen sowie die Sicherheitstechnik oder auch der Bereich Computer Integrated Manufacturing (CIM) sowie die entsprechenden Dienstleistungen und - last but not least - die Telekommunikation.

Fachgruppierungen werden also auch in Hannover Platz greifen, wenngleich die CeBIT-Halle I in ihrer überkommenen Struktur erhalten bleiben soll. Mehrfachpräsentationen werden also bereits auf der neuen CeBIT-Variante nicht ausbleiben, von der nachfolgenden Industrie-Schau ganz abgesehen. Immerhin präzisiert Goehrmann: "Die CA-Techniken samt CIM werden in einer bestimmten Halle zusammengefaßt sein."

Fest steht, daß sich der Besucher der abgesplitteten Hannover-Messe-CeBIT, aus welcher Zielgruppierung er auch kommt, wird grundlegend neu orientieren müssen.

Für den aufstrebenden Sektor der zu rationalisierenden Produktion und Fertigung (samt Logistik) steht nun mit der Komplementärveranstaltung zur eingeführten Systems, der neuen Systec, ebenfalls Messe- und Kongreß-Neuland zur Wahl. Streng zielgruppenorientiert, den herkömmlichen Produktionsleiter und künftigen Informationsmanager kleiner, mittlerer und großer Unternehmen im Visier, wollen die MMG-Mannen durch den Synergie-Effekt der anderen Münchner Elektronik-Messen (Productronica, Electronica, Laser-Opto-Elektronik etc.) und die Beschränkung auf das zukunftsträchtige Marktsegment der CA-Techniken Messeweltmeister werden.

Das Münchner Rezept, das neuerdings auch die Hannoveraner für sich in Anspruch nehmen, heißt "Verbundmesse". Freilich liegt die bayerische Besonderheit in der zeitlichen Entzerrung - die Spezialmessen finden jeweils nur alle zwei Jahre statt - bei räumlicher und thematischer Konzentration. Dafür konnte vom Hövel offenbar genug Rückendeckung durch die Industrie finden. Im Ausstellerbeirat sitzen laut Presse-Information Firmenvertreter von Digital Equipment, Siemens, IBM, Matra Datavision, Nixdorf, PCS (Peripheral Computer Systems, München) sowie Softlab, München.

Auf eine vorgezogene Presseveröffentlichung weist die Tatsache, daß auf Nachfrage der COMPUTERWOCHE in den genannten Unternehmen die Systec-Beiräte teilweise noch nicht namentlich bekannt waren respektive gehandelt wurden.

Grund für eine vorzeitige Bekanntmachung der Messepläne könnte die dritte relevante Ausstellung für die CAD/CAM-Manager und -Ingenieure sein, die CAT '86, die von Sindelfingen nach Stuttgart ins dortige Messequartier umzieht. 6200 Besucher haben jetzt die Manager der Regionalschau gerade gemeldet, bei "nur" 80 Ausstellern. Vom 13. bis 16. Mai 1986 erwarten die Stuttgarter, unterstützt von der Computer Graphics Association Inc., Washington, zirka 200 ausstellende Firmen und 1 000 Kongreßteilnehmer.

Im High-Tech-Ländle hat man es offenbar ebenfalls verstanden, die Gunst der BMFT-Förderung - 450 Mio. Mark fließen in den CAD/CAM-Technologiemarkt - zu nutzen.