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System-Management aus der Steckdose

27.02.2001
Das Modell klingt verlockend: System-Management-Leistungen lassen sich auch von Management-Service-Providern (MSPs) mieten. Leider decken die gegenwärtigen Angebote nur einen kleinen Bereich der IT-Verwaltung ab.

Von CW-Redakteur Joachim Hackmann

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Das Modell klingt verlockend: System-Management-Leistungen, deren Image durch teure, langwierige und häufig gescheiterte Projekte arg gelitten hat, lassen sich auch von Management-Service-Providern (MSPs) mieten. Leider decken die gegenwärtigen Angebote nur einen kleinen Bereich der IT-Verwaltung ab.

Gerade in E-Commerce-Umgebungen können sich Unternehmen keine Ausfallzeiten leisten, weil hier das Kerngeschäft eng mit den neuen Web-Techniken verzahnt ist. "99,9 Prozent Verfügbarkeit bedeuten acht Stunden Downtime im Jahr. Welche acht Stunden hätten Sie denn gern?", unkt beispielweise Paul Mason, Analyst von IDC. Weil die Anwender allzu sehr damit beschäftigt sind, Internet- oder IP-gestützte Handels- und Verkaufsplattformen schnell ans Netz zu bringen, vernachlässigen sie meistens das System-Management und somit den dauerhaft verlässlichen Betrieb der neuen Umgebung.

Hier glauben die MSPs eine Marktlücke entdeckt zu haben, denn sie versprechen die schnelle Nutzung von System-Management-Anwendungen zur Performance-Sicherung und -Messung. Sie installieren auf Kundenseite lediglich Agenten, Management-Server, zum Teil auch gar nichts, und erheben Leistungsdaten über die IT-Installation des Anwenders. Derartige Services entbinden den Kunden von der Einführung, dem Betrieb und der Wartung von Verwaltungswerkzeugen im eigenen Hause. Dennoch behält er die Hoheit über das Management seiner Ressourcen, denn er erhält von seinem Servicepartner ausgewertete Management-Daten und kann daraus Rückschlüsse auf die Zuverlässigkeit oder Schwachstellen seiner Installation ziehen.

Das dem Management-Service-Providing zugrunde liegende Prinzip ähnelt zwar dem Application-Service-Providing (ASP), doch es gibt einige feine Unterschiede: Im ersten Fall werden System-Management-Dienste gemietet, im letzteren zahlt der Kunde für die Nutzung von Anwendungen. Die Kunden eines MSP betreiben eine eigene IT-Installation, während sich die Abnehmer von ASP-Leistungen das ersparen wollen. Die typische ASP-Klientel setzt sich daher aus kleinen und mittelständischen Unternehmen zusammen. MSPs wenden sich dagegen überwiegend an Großunternehmen, aber auch an ASPs und Internet-Service-Provider (ISPs).

Die Kunden der MSPs sind nahezu identisch mit den Nutzern integrierter System-Management-Pakete wie Tivolis "TES", Computer Associates "Unicenter", Hewlett-Packards "Openview" oder BMCs "Patrol". Das ist wenig verwunderlich, denn das MSP-Modell ist nicht in allen Belangen neu. Die Analysten von IDC haben beispielsweise vier Typen von Anbietern im MSP-Markt ausgemacht, in drei Kategorien finden sich alte Bekannte wieder.

Unter der Bezeichnung "MSP Value Added Reseller" (MSP VAR) listet IDC die US-Firmen 2ndwave, Inteq, Center 7 und Triactive auf. Sie verkaufen Produkte der großen System-Management-Hersteller und reichern sie mit eigenen Diensten an, indem sie ihren Kunden remotes Management anbieten. Deutsche Vertreter, die sich in dieses Schema einfügen, wären etwa T-Systems (also die bisherigen Dienstleister DeTeCSM und Debis) und Thyssen Krupp Information Services (TKIS). Sie waren bisher schon als Dienstleister im System-Management-Markt aktiv und könnten sich ohne weiteres als MSP VARs bezeichnen.

Häufig greifen diese Anbieter auf Werkzeuge der Vertreter der zweiten MSP-Kategorie zurück. IDC bezeichnet die Gruppe als "MSP-Software-Anbieter" und nennt hier Namen wie Tivoli, BMC und Computer Associates. Diese altbekannten System-Management-Spezialisten betreiben keine Dienste im MSP-Modell, sondern partizipieren nur als Produktlieferanten am Dienstleistungsmarkt. Sollten sie jedoch eines Tages Gefallen daran finden, in das Servicegeschäft einzusteigen, würde IDC sie als "MSP Channel" bezeichnen. In dieser Gruppe fassen die Analysten Anbieter von Management-Tools zusammen, die ihre Produkte sowohl zum Kauf als auch zur Miete anbieten. Beispiele sind Candle, Compuware, Mercury Interactive und McAfee.

Schließlich gibt es die Gruppe der "echten" MSPs. Anbieter dieser Klasse haben sich auf System-Management-Disziplinen spezialisiert und bieten diese zur Miete an. Dienstleister wie Keynote, Segue und Rational, die sich auf die Performance-Messung von Web-Seiten konzentrieren, finden sich in dieser von IDC definierten Gruppe wieder. Weitere Beispiele sind Luminate, Adlex (Monitoring von Internet-Applikationen und E-Commerce-Sites, außerdem Analyse und Kapazitätsplanung) sowie Holistix.net (remotes Management und Monitoring von Web-Seiten und der dahinter liegender Infrastruktur).

Anbieter eines "echten" MSP-Modells konzentrieren sich also auf die Messung, das Monitoring und die Verwaltung von Web-Installationen. Sie erheben Daten, indem sie Transaktionen simulieren, Agenten in den zu beobachtenden Installationen installieren oder Management-Server bei den Kunden aufstellen. Die remoten Messstationen liefern dem MSP Management-Daten via Internet, Wählverbindungen oder Virtual Private Networks (VPNs). Das Serviceunternehmen wertet die empfangenen Informationen im Kundenauftrag aus, erstellt bei Bedarf Analysen und Empfehlungen und schickt die aufbereiteten Daten dem Kunden in zu vereinbarenden Zeitabständen zurück. Die Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen sowie die Fehlerbehebung obliegt dem Anwender.

Wie viel Geld sich mit einem derartigen Service verdienen lässt, ist umstritten. IDC rechnet im Jahr 2004 mit einem Umsatzvolumen von knapp über 500 Millionen Dollar. Die Marktforscher der Meta Group zeigen sich dagegen weniger zurückhaltend: Sie beziffern das Markvolumen im Jahr 2004 oder 2005 auf zehn Milliarden Dollar. "In jedem Fall ist jedoch der Nettogewinn sehr mager", bremst IDC-Analyst Paul Mason jede aufkeimende Euphorie.

Vieles am MSP-Modell ist noch ungeklärt. So experimentieren die Anbieter beispielsweise noch mit unterschiedlichen Preismodellen, die Leistungen entweder auf Basis einer monatlichen Miete, nach bezogenen Funktionen oder nach Dienstleistungsumfang abrechnen. Auch die Anbieter selbst müssen noch an ihrer Marketing- und Vertriebsstrategie arbeiten, denn laut Mason ist die Kundenakquise ein aufwendiges und teures Geschäft. Weil zur Zeit nur Punktlösungen am Markt sind, rechnet IDC zudem mit vielen Partnerschaften. Denkbar sind etwa Anbieterzusammenschlüsse nach Vorbild der Fluggesellschaften (Star Alliance, One World), zu denen die einzelnen Dienstleister bestimmte Management-Disziplinen beisteuern, das gesamte Konglomerat dem Kunden jedoch eine breite und aufeinander abgestimmte Produktpalette anbieten kann.

MSP-DEFINITION

Die Herstellervereinigung MSP Association definiert die Management-Service-Provider (MSPs) folgendermaßen:

"MSP-Anbieter liefern Dienste für das Management einer IT-Infrastruktur über ein Kommunikationsnetz an eine Vielzahl von Kunden aus. Die Abrechnung erfolgt auf Mietbasis. MSPs arbeiten insofern ähnlich wie Application-Service-Provider (ASPs), als sie ebenfalls Services via Netz vertreiben und diese den Kunden in Rechnung stellen. Anders als ASPs, die Geschäftsapplikationen an Endkunden vertreiben, stellen MSPs jedoch IT-Abteilungen und Kunden, die ihre eigene Technikinstallation verwalten, System-Management-Dienste zur Verfügung."