Betriebssysteme der 5363- und AS400- Umgebung nicht kompatibel

System/36-Anwender können AS/Entry noch nicht einordnen

06.10.1989

MÜNCHEN (CW) - Seit die IBM neue 5363-Modelle angekündigt hat, ist das System /36 wieder attraktiv. Mit der Bezeichnung "AS/Entry" versucht Big Blue gleichwohl anzudeuten, daß sich der Aufstieg in die AS/400-Welt lohnt. Doch 5363 und AS/400 sind nicht kompatibel: Verwirrung bei den Anwendern?

"Wir haben bis jetzt noch nicht herausbekommen können, was IBM eigentlich mit 'AS/ Entry' meint. Das ist ja nichts weiter als eine 5363." Siegfried Cremer von der Intercom Büroautomation GmbH in

Heilbronn vertreibt im Miet-, Leasing- und Kaufverfahren IBM-Produkte von der /36 bis zur AS/400.

Dieses Unverständnis teilt er mit seinem Vertriebsleiter, der mit einigen Kunden gesprochen hat und sich aus IBMs Vorgehensweise ebenso wenig einen Reim machen kann. Meint Cremer: "Aber IBM macht ja häufiger Dinge, die man nicht nachvollziehen kann." Im 9370-Bereich sei es genauso gewesen. Dort habe man nun drei Modelle mit prinzipiell der gleichen Leistung, aber unterschiedlichen Preisen. IBM torpediere sich mit solch einem unverständlichen Vorgehen selbst den Preis.

Cremer glaubt, daß IBM mit den AS/Entry-Systemen neue

Kunden mit Billig- und Lockangeboten in die 20000-Mark-Umgebung ziehen will. "Nur da kann eigentlich der Sinn liegen." Die Billige-Jakob-Argumentation verfolgt auch Wolfgang Rödel, DV-Leiter bei der Coulter Electronics GmbH in Krefeld. "Meiner persönlichen Meinung nach ist das reine Bauernfängerei. IBM will erst mal Kaufinteressenten anlocken." Interessant könnten die neuen /36er-Modelle eigentlich nur für MDT-Novizen sein, die bislang ihre EDV auf PC-Netzen betrieben und sich nun nach neuen, leistungsstärkeren Möglichkeiten umtun würden.

Eine bemerkenswerte Übereinstimmung scheint unter Anwendern darin zu bestehen, daß IBM eine Rechnung aufmacht, die mit Hintergedanken behaftet sein könnte. Reinhold Schreiber, EDV-Leiter bei der Schlecker-Zentrale in Ehingen, betrachtet die Einführung von

AS/Entry-Systemen zwar auch als rein taktische Maßnahme, um die 5363-Umgebung durch eine andere Namensgebung aufzuwerten. Er sieht aber ein gewisses Hoffnungspotential für die Zukunft: "Ich gehe davon aus, daß nach einer Entwicklungszeit von ein bis drei Jahren tatsächlich eine AS/Entry-Maschine auf dieser Ebene da ist, die AS/400-kompatibel ist."

Das würde bedeuten, daß IBM unterhalb der AS/400-Ebene der kleinsten Einheit, der Bl0, ein 5363-Unterfutter einzieht das erst noch auf eine AS/400-Tauglichkeit getrimmt werden muß.

Heute also Potentielle Kunden für die /36-Umgebung und in Zukunft Optionen für den eigentlichen Deal - den Aufstieg in die AS/400-Welt?

Handelt es sich doch um Etikettenschwindel? Dieter Hey vom mbc-Computer-Handel in Meerbusch sieht für das Entry- System als Einstiegsdroge in die AS/400-Welt nur eine Chance: Der bisherige hohe finanzielle Aufwand und die Schwierigkeiten bei der Umstellung vom reinen Dateien- auf das AS/400-Datenbanksystem müssen gelöst werden können. Deshalb versteht er das Entry-System auch nur als einen ersten Schritt, eine Zwischenlösung. Das durch die Namensgebung angedeutete Kompatibilitäts-Versprechen IBMs zwischen den beiden Midrange-Welten müsse durch ein geeignetes Softwarekonzept in der Zukunft erst noch eingelöst werden. Hey sieht übrigens auch für die Zukunft keine großen Wanderungsbewegungen von /36-Anwendern auf das Application System/400. Nur etwa zehn bis 15 Prozent der /36-Anwender seien bereits an der obersten System-Leistungsgrenze angelangt. Somit entfalle für viele der Grund, auf eine AS/400 umzusteigen.

Anreize zur Wende könnte es einige geben. Doch IBM bietet - zumindest in den jetzt in Europa und den USA vorgestellten AS/Entry-Systemen - keine der wünschenswerten Systemoptionen und

-erweiterungen. Grundlegender Erfolgsfaktor für die neuen Systeme wäre für Friedhelm Beckmann, RZ-Leiter der CMA Centrale

Marketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft in Bonn, wie für Schreiber von der Schleckerzentrale zunächst einmal, daß die neuen Systeme eine erheblich höhere Leistung als bisherige /36er bieten würden. Darüber hinaus müßte der File-Transfer von den /36-Systemen auf PCs besser als bisher gelöst sein.

Unakzeptable Progrommierprobleme

Vor allem aber kritisiert auch Beckmann, daß die Umstellung von der 5363-Welt auf die AS/400 unakzeptable Programmierschwierigkeiten mit entsprechenden Personalproblemen mit sich bringt. "Die EDV der /34- und /36-Systeme ist mit sehr geringem personellen Aufwand zu

handhaben."

Deshalb kann sich Beckmann auch nur dann einen Reim aus der AS/Entry-Einführung machen, wenn IBM in der Zukunft die Möglichkeit bietet, schrittweise auf die AS/400 umzuprogrammieren. RPGII sollte

entweder in RPGIII mit allen dessen Funktionen geändert

werden, oder ein zukünftiges AS/Entry-System müsse einen simulierten AS/400-Befehlsvorrat aufweisen. Nur durch eine solch sanfte Geburt könne das /36-System revolutioniert und der Einstieg in die AS/400-Welt ermöglicht werden, ohne in das hohe Kostenvolumen einzusteigen.

Entweder RPG III oder AS/400-Simulation

Fazit: Das AS/Entry-System ist bislang lediglich eine Absichtserklärung von IBM. Kaufanreize für die AS/400 bietet es nicht. Um dieses gerade von /36-Anwendern mehrheitlich geschmähte Midrange-System attraktiver zu gestalten, bietet AS/Entry keine Optionen. So zielt denn auch die neue IBM-Offensive wohl eher auf Anwender, die erst in die Miniwelt einsteigen wollen. Oder sollte IBM seine Stricke in Richtung Mitbewerber auswerfen?

Sinnvoll nur für Neueinsteiger

Rolf Safron von der NMB GmbH in Langen: "Vielleicht ist

IBMs Ankündigung gemünzt auf die, welche jetzt noch mit Nixdorf arbeiten." Auch Schreiber argwöhnt, daß IBM - zumindest jetzt - firmenpolitische Wendemanöver in die Wege leiten will. "Das AS/Entry-Model macht nur Sinn für komplette Neueinsteiger oder für solche, die von Nixdorf oder Wang auf IBM hinüberwechseln wollen, die also von IBM in ihre Welt hinübergezogen werden sollen."