Fraunhofer-Präsident kritisiert "Schaltfehler" der Forschungspolitik

Syrbe: Weichen müssen neu gestellt werden

16.10.1987

MÜNCHEN (ujf) - Unter Fehlern, die vor 15 Jahren begangen wurden, haben die Bundesrepublik und ihre Industrie heute zu leiden. Diese Auffassung vertrat Professor Max Syrbe, als Präsident der von Staat und Wirtschaft getragenen Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) einer der prominentesten Sprecher der deutschen Forschungsszene, bei der Vorstellung des FhG-Jahresberichts. Seine Forderung: weniger Prestigeprojekte, dafür eine an Effizienz orientierte Forschung.

Als "gravierenden Schaltfehler" bezeichnete es Syrbe, daß sich die deutsche Industrie Anfang der siebziger Jahre entschlossen habe, Produkte der Fertigungstechnik für die Mikroelektronik auf dem Weltmarkt zu kaufen. Man habe "nicht überlegt, daß man damit das Gap mit einbaut", wobei der Professor mit "Gap" jenen technologischen Rückstand meinte, der beispielsweise Siemens' Halbleiter-Abteilung in die Abhängigkeit von Toshiba brachte.

Noch vor acht Jahren sei hierzulande die Bedeutung des Themas Höchstintegration verkannt worden, sagte Syrbe, der vor seiner Berufung zum Präsidenten das Fraunhofer-Institut für Informations- und Datenverarbeitung in Karlsruhe geleitet hatte. Die Fehler der Vergangenheit kosteten die Wirtschaft nun viele "Tränen und Hunderte von Millionen". Ganz ohne eigenes Know-how in der Halbleiter-Fertigungstechnik steht die Bundesrepublik allerdings wohl nicht da; der FhG-Chef verwies in diesem Zusammenhang auf universitäre Forschungsaktivitäten an Instituten in Stuttgart und Erlangen.

An die Adresse des Staates, der gemeinsam mit der Wirtschaft die FhG über projektbezogene Budgets und Zuwendungen finanziert, richtete Syrbe kritische Worte über die Rahmenbedingungen auf der Personalseite: Das "Besserstellungsverbot" gegenüber öffentlich Bediensteten, also die Dotierung der Positionen nach dem BAT, behindere eine optimale Entwicklung des Mitarbeiterstabs. Als Forschungseinrichtung an der Schnittstelle zwischen Industrie und Staat braucht die FhG nach den Worten des Professors auch Mitarbeiter mit unternehmerischen Qualitäten - doch die verdienen in der Wirtschaft mehr.

Abgesehen von diesen Sorgen, die auch den Hochschulen nicht fremd sind, scheint jedoch das Verhältnis der Fraunhofer-Forscher zum Bundesforschungsministerium ungetrübt zu sein. Die Maxime des BMFT, "durch Erforschung von zukunftsträchtigen Schlüsseltechnologien die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu fördern", begrüßte Syrbe ausdrücklich, freilich nicht ohne einen Seitenhieb auf die Weltraum-Ambitionen des BMFT. "Raumfahrt ist nicht alles", sagte der Präsident der FhG, deren Forschungsschwerpunkte einen eher irdischen Bezug haben (siehe Kasten). Für die Space-Projekte müßten 19, höchstens aber 22 Prozent des BMFT-Etats reichen.