PPS-Modul spart Kosten im Beschaffungssektor

SW-Parametrisierung verhilft zum Maß-System

16.03.1990

"Karierte Maiglöckchen" sind häufiges Traumbild von DV-Profis in Software-Einkaufsphasen. Die funktional-betriebswirtschaftliche Schere allerdings öffnet sich meist bei dem Entscheid zwischen Eigenentwicklung und Standardsoftware. Eine starke Parametrisierung der Standardsoftware schafft immerhin einen kräftigen "Hauch von Karo".

Immer noch bereitet die Einbindung neuer Komponenten in eine gewachsene Unternehmensstruktur nicht zu unterschätzende Probleme für die Datenverarbeitung. Das Adaptionsverhalten einer dringend erforderlichen neuen Software im Bereich Beschaffung/Einkauf in eine bestehende DV-Landschaft zählte so auch zu einem der Hauptkriterien für die Verantwortlichen der Frankfurter Telenorma GmbH bei der anstehenden Modernisierung.

Noch bis zu Beginn der 80er Jahre war die manuelle Einkaufssteuerung bei der heutigen Telenorma, die damals aus mehreren Unternehmen bestand, tägliche Übung. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete der zentrale Einkauf mit einem relativ gut organisierten Papier- und Karteisystem, jedoch noch ohne größere DV-Unterstützung.

Erste Konzeptionen für eine umfassende Automatisierung des Einkaufsbereiches, die nicht nur die Verwaltung der mengen- und wertmäßigen Beschaffung, sondern auch die Bearbeitung der operativen Vorgänge vereinfachen helfen sollte, datieren aus dieser Zeit.

Mit den gegebenen Randbedingungen wie Volumina, Zahl der Mitarbeiter, Ausstattung der Abteilung wurde eine entsprechende Analyse des Einkaufs durchgeführt - mit dem Schluß, daß die besonderen Vorgehensweisen bei der Telenorma wohl die Entwicklung eigener Programme notwendig macht.

Verschiedene Sichtweiten in den Fachabteilungen

Der Schritt in die Zukunft begann im Bereich der Stammdatenverwaltung mit dem Aufbau einer Lieferanten- und einer Einkaufsteiledatenbank.

Damit allerdings, so erläutert Joachim Buschhaus, Leiter IV-Systeme Logistik der Telenorma GmbH, war die eigentliche Abwicklung, der operative Teil des Einkaufsgeschehens noch nicht abgedeckt. Hier seien zudem zur damaligen Zeit zwei Fachbereiche in ihren Anschauungen aufeinandergetroffen - der Einkaufsbereich mit einer eher traditionellen Sichtweise und der Org./DV-Bereich, der zwar modern konzeptionierte, dem aber das Instrumentarium zu Beginn der 80er Jahre noch nicht zur Verfügung stand.

Gegen Mitte der 80er Jahre kam dann die Idee auf, über Standardsoftware eine Lösung zu finden, um so die Umstellung der verbleibenden Aktivitäten auf Datenverarbeitung zu erreichen. Aus unternehmenshistorischer Sicht hatte die damalige Beteiligung der Bosch-Gruppe einen nicht geringen Einfluß auf das Projekt (1987 wurde Telenorma eine 100prozentige Tochter). Ein paar neueste Zahlen zur Telenorma heute: Das Unternehmen beschäftigt derzeit über 17 000 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Umsatz von 2,3 Milliarden Mark in den Bereichen Kommunikation (ISDN, LANs), Sicherheitssysteme und zentral gesteuerter Uhrenanlagen.

Ziel war es also damals, ein Programmpaket zu finden, dessen Einsatz möglichst viele der vorhandenen Anforderungen abdeckt. Auf dieser Basis durchforsteten die Verantwortlichen den Markt, nicht ohne den entsprechenden Anforderungskatalog über die Jahre fortzuschreiben.

Der ans der Analyse entwickelte Anforderungs-Mix auf Basis des Ist-Zustandes und einer konkreten Vorstellung des Soll-Zustandes beinhaltete verschiedene Prämissen, so die Datenbank- und Dialogorientierung des Programmes und den Wunsch, "Papierwust" möglichst zu vermeiden.

Zum anderen war das bestehende System zu berücksichtigen: Eine IBM-Großrechnerumgebung, die mittlerweile auf 3090-28S fährt (MVS/XA sowie IMS und DB/DO), schränkte die Softwareauswahl bereits entsprechend ein.

"Es gibt für diese Systembedingungen auch heute noch nicht sehr viel Auswahl für unsere Einkaufsaufgaben", erläutert Buschhaus. Die Frage des Abdeckungsgrades der bekannten Anforderungen spielte hierbei wiederum eine große Rolle. Die Umfeldbedingungen und vor allem der letztgenannte Punkt der Abdeckung bekannter Anforderungen führten bei Telenorma so sehr schnell zu einer starken Ausgrenzung verschiedener Produkte.

Vor allem die Referenzkunden gefragt

Die Verantwortlichen haben sich von den verbliebenen Programmen im Zuge der Selektion nicht mir die offiziellen Präsentationen der Hersteller angeschaut, sondern vor allem auch bei Referenzkunden nachgefragt und nicht nur bei der DV-Abteilung, sondern auch bei den Fachabteilungen vor Ort um Informationen gebeten "hierdurch lassen sich weitaus bessere Rückschlüsse ziehen als durch die üblichen Hochglanzbroschüren", meint Buschhaus. In die engere Wahl kam Cimos von MTU, das von der GEI, Aachen, vertrieben wird.

"Cimos bot damals über die reine Einkaufs- und Beschaffungsmaßnahmen hinaus Perspektiven für die gesamte Materialwirtschaft und Logistik", berichtet IV-Leiter Buschhaus.

Vom Ursprung her ist Cimos ein modular aufgebautes Produktionsplanungs- und -steuerungsprogramm und deckt so den Bereich Einkauf und Beschaffung mit einem Modul ebenfalls ab.

Zum Einsatz kam das Cimos-Teilsystem "Einkauf" mit den Stammdatenmodulen "Basis" und "Technologie".

Es wurde beim Lizenzerwerb lediglich der einkaufsrelevante Part gewählt, da im Bereich der Telenorm-Fertigung eigene Software eingesetzt wird. Sie ist auf die individuellen Bedürfnisse sehr stark zugeschnitten und reicht bis auf die Ebene der Workstations herunter.

Nach dieser Entscheidung Ende 1986 war die Frage zu lösen, wie dieses Produkt in die bestehende DV-Landschaft am besten einzupassen sei.

Das Wareneingangssystem, das PPS-System sowie in Ansätzen elektronische Datenverarbeitung im Kernbereich der Beschaffungsaktivitäten existierten bereits. In Zusammenarbeit mit dem Hersteller eruierten die Verantwortlichen in verschiedenen Einsatzuntersuchungen, wo konkrete Modifizierungspunkte und wo die "Andockpunkte" seien, um das neue System möglichst reibungslos einsetzen zu können.

Bestandteile dieses Maßnahmenbündels beinhalteten die Stammdatenüberleitung und in diesem speziellen Fall insbesondere auch Erweiterungen innerhalb Cimos: Die Mandantenfähigkeit war gefordert, um allen Unternehmen im Telenorma-Verbund Zugriff zu gewährleisten. Hier hat sich nach Worten von Joachim Buschhaus die starke Parametrisierungsmöglichkeit der Software ausbezahlt.

Im Rahmen dieser Parametersteuerung wurde eine Tabellendatenbank mit übergelagerten Verarbeitungsfunktionen installiert. Die DV-Profis erarbeiteten einen Algorithmus, der mit relativ wenig Programmieraufwand an den entscheidenden Stellen abgelegt werden konnte.

Weitere Modifizierungsmaßnahmen umfaßten "eigentlich Kleinigkeiten", wie Buschhaus meint, so beispielsweise die Einführung der Telenorma-eigenen Kontierungsbegriffe. Das ursprüngliche Ziel, den Anpassungsaufwand zu minimieren, sei erreicht worden, so ein Resümee der Erfahrungen, da elementar an Cimos nicht viel geändert werden mußte.

Zusätzlich erarbeitet wurde nach Buschhaus` Worten noch die Behandlung von Beschaffungsrahmenverträgen, bei denen ein geplanter Bedarf für eine bestimmte Periode bereits zu deren Beginn ähnlich einem "Letter of intend" einem bestimmten Zulieferer kontingentiert wird.

Hier zeigt sich eine grundsätzliche Einstellung, die entscheidend mit zum Erfolg geplanter DV-Maßnahmen beizutragen vermag - letztlich unabhängig vom Programm, das eingesetzt wird. Buschhaus bringt diese Grundhaltung auf einen Nenner: "Die Intelligenz verbleibt beim Einkäufer; das System bereitet nur die Massendaten auf." Generell soll durch das System das operative Handeln erleichtert und Routinetätigkeit unterstützt werden. Das Know-how, der Blick über den politischen Tellerrand einer Fachabteilung, ist und bleibt weiterhin Sache des spezialisierten Mitarbeiters.

Beschaffung und Einkauf getrennt

Die Quantität der bei der Telenorma in diesem Bereich aufzubereitenden Massendaten ist beträchtlich: Das Beschaffungsvolumen beläuft sich auf rund 600 Millionen DM jährlich, um die 80 000 Artikel werden geführt (davon sind 25 000 bis 30 000 Einkaufsteile, von denen wiederum rund 50 Prozent aktiv sind). Ein detailliertes historisches Berichtswesen wird von der Fachabteilung geführt.

Das System ist in zwei Komponenten unterteilt - die Beschaffungsaktivitäten mit Auswahl der Zulieferer und Produkte und den eigentlichen Einkauf der Waren.

Der Online-Zugriff und die Dezentralisierung sorgen hier für eine möglichst umfangreiche Verringerung des Papierbedarfes.

Mit über 2000 Endgeräten ist der Zugriff auf das System möglich - aktiv nutzen es ungefähr 300 Mitarbeiter permanent. Zur Einführung startete die Telenorma intensive Schulungen verbunden mit dem Credo der DV-Abteilung wohl mit ein Grund für die allgemeine Akzeptanz ohne größere Reibungsverluste.

Nach Auskunft von Joachim Buschhaus sind die Einsparungen durch die DV-Unterstützung und die mit ihr verbundene Transparenz beträchtlich. Um hier noch weitere Fortschritte zu erzielen, ist inzwischen auch der elektronische Bestelldatenaustausch mit den Beteiligungsgesellschaften und einigen speziell ausgewählten Zulieferern projektiert. So ist eine Beteiligungsgesellschaft in Österreich bereits angeschlossen, die Niederlande sollen noch dieses Jahr folgen.

Auch nach innen wird das System erweitert. Telenorma erwarb zwischenzeitlich weitere Cimos-Komponenten für Vertrieb, Materialplanung, Lager und Rechnungsprüfung, die nun stufenweise integriert werden.